Zwei Aquarii unterwegs

  • Wie angekündigt war Galeo Ennius Cerealis nur kurz zurück ins Büro geeilt, um seine Ledertasche mit den Unterlagen für den Außendienst zu holen, und stand wenig später schon wieder im Säulengang der Basilica, der sich zum Forum hin öffnete. "Waren wir vor deiner Krankheit eigentlich schon zusammen unterwegs gewesen oder nur im Büro?" fragte er Prudentius Spurinna, um das Gespräch wieder aufzunehmen.

  • Cerealis gab sich tatkräftig, und eilte sich, mir das Holen seiner Tasche anzukündigen, während ich draußen zu warten hätte. Gleichmütig nickte ich, nur um in des Enniers Rückenwind, nach einem kurzen Vale zum Curator, das Officium zu verlassen.


    Wenig später war’s, da Cerealis zurückkam mit seiner Tasche und mit mir losging, sowie ich versuchte, nicht allzu neugierig zu erscheinen, was den Inhalt des ledernen Utensils anging – ich würde es sonder Zweifel bald erfahren.


    Nur des Büros wurde ich ansichtig.


    Mein Bedauern schwang in meiner Stimme mit.


    Nie der Wasserstuben, der Aquädukte oder jeglicher Wasseranschlüsse in Privathäusern.

  • Der nette Mann vom Kundendienst schaute seinen Kollegen leicht schief an und grinste. "Na, die Aquädukte wirst du ja wohl auch so schon gesehen haben. Wer die übersieht, ist nicht in Rom gewesen", teilte er überzeugt mit und lenkte seine Schritte langsam aus der Basilica hinaus. "Die Brunnenstuben sind denkbar langweilig. Ich habe auch nicht viel mit ihnen zu tun zum Glück", führte er auf dem Weg weiter aus. Als Mitarbeiter der Abrechnungsabteilung hatte er mit den Wasserverteilern in der Tat auch nur selten zu tun. "Wir können mal in eine reinschauen, wenn wir auf unserem Weg dran vorbei kommen", bot er dennoch an.

  • Oh, freilich, nie jedoch im Detail, auch oben war ich noch nie auf einer gewest... wiewohl ein Aquarius im verwaltungstechnischen Bereich kaum etwas mit Ingenieursarbeiten zu tun bekommen wird.


    Ich entsann mich, derlei schon vom Curator vernommen zu haben.


    Doch wage ich es zu bezweifeln, dass sie sich von jenen in Cemenelum signifikant unterscheiden werden.


    Langsam führten uns unsere Schritte von den Officien der Basilica Ulpia hinfort und ans Freie hinan.


    Es freute mich, könnten wir dies tun. Das Arbeitsspektrum der Aquarii als ganzes zu beschauen wäre mitnichten uninteressant. Wenn auch die Stuben wohl kaum Paläste darstellen.

  • "Ja, wahrlich keine Paläste, aber immerhin haben sie fließend Wasser", bestätigte Ennius Cerealis lächelnd. "Alles mal gesehen zu haben ist sicher nicht falsch. Vielleicht möchtest du später ja doch einmal in eine andere Abteilung wechseln, wenn du erst einmal weißt, was dich dort erwartet."


    Sie verließen das Forum in Richtung Norden. "Heute steht übrigens der Quirinalis auf unserem Plan", erklärte Ennius Cerealis seinem Kollegen. "Nicht systematisch, nur ein paar ausgewählte Häuser."

  • Ich musterte den lächelnden Ennier, des kleiner Scherz meine Mundwinkeln zucken machte.


    Das nenne ich Luxus.


    Als Epikureer war ich Luxus nicht abgeneigt, jedoch wusste ich, das Maßhalten das Wichtigste war. Dekadenz verachtete ich, überzog jener doch die Grenzen dessen, was Epikur uns an Weisheiten mitgegeben.


    Der Quirinal...


    Kurz befrug ich mein Gedächtnis. Quirinal, ein Hügel voller patrizischen Villen, die das wahre Machtzentrum des Reiches darstellten. Wir Prudentier waren, wiewohl wir den Praefectus Praetorio stellten, nur kleine Fische im direkten Vergleich.


    Welche ausgewählten Häuser wären dies, wenn ich fragen darf?

  • Ennius Cerealis klappte seine Ledertasche auf und zog eine Wachstafel heraus, die er aufschlug. "Casa Furia, Casa Hirtuleia, Casa Ummidia, Casa Vargunteia, ...", ratterte er die Liste herunter, die dort verzeichnet war. "Mal schauen, wie viele wir heute schaffen." Er klappte die Tafel geräuschvoll zu und ließ sie wieder in der Tasche verschwinden, während sie weiter gingen. "Wenn man straßenweise geht, kann man recht gut abschätzen, wie lange man braucht. So ist es schwieriger."

  • Ich geruhte langsam zu nicken, als die Liste mir vorgelesen wurde. Nicht, dass mir eine der Familien ein Begriff wäre. Wobei, den Namen Furia hatte ich schon einst erheischt. Patrizisch war sein Klang, doch waren’s die Namensträger gleichfalls? Ich hub an zu fragen:


    Werden die Häuser normalerweise nach Straßen abgearbeitet?


    Diese Frage erschien mir als legitim, tatsächlich implizierten die Worte des Enniers diesen Umstand.


    Schwere der Arbeit sollte uns aber nicht vom frohen Schaffen abhalten!


    Womöglich konnte mir man vorhalten, meine Worte wären allzu enthusistisch, doch widerspiegelten sie nur meinen entbrannten Eifer.

  • "Ja, das werden sie. Längst nicht jedes Haus hat einen Wasseranschluss, aber die, die einen haben, werden einmal im Jahr systematisch besucht, um die Anschlüsse zu kontrollieren und die jährliche Gebühr abzurechnen", erklärte der nette Mann vom Kundendienst in aller Asuführlichkeit, während sie die Straße entlang gingen. "Wenn es Meldungen über bauliche Veränderungen gibt, einen neuen Anschluss irgendwo oder den Abbau eines vorhandenen Anschlusses, oder bei der regulären Abrechnung irgendwelche Fragen offen geblieben sind, dann müssen wir eben zu einzelnen Häusern nochmal extra hin. Manchmal können oder wollen die Hausbewohner auch nicht für ein ganzes Jahr zahlen, dann zahlen sie eben weniger und wir kommen schneller wieder."


    Langsam erreichten sie das Zielgebiet des heutigen Arbeitstages und Ennius Cerealis schaute sich an einer Kreuzung kurz um, um zu überlegen, welchen Weg sie als erstes einschlagen sollten.

  • Aha!


    Anschaulich waren die Erklärungen des Enniers, ob dessen ich pflichtschuldigst zu nicken und verstehende Laute von mir zu geben genötigt sah, waren doch seine Erzählung mitnichten uninteressanter Natur. Es ergab Sinn.


    Was aber nun, wenn die Hausbewohner ihren Anschluss erweitert oder verkleinert sehen wollen?


    Diese Fragestellung erschien mir logisch angesichts des Umstandes, dass Cerealis sich ergossen in die Geschehnisse rund um das Abbrechen oder das Installieren einer neuen Verbindung.


    Ich nehme an, dann werden in Zukunft einfach weniger oder mehr Gelder eingehoben?


    Noch ein Gedanke kam mir, den zu äußern ich mir erdreistete.


    Zahlt man nur etwas für das Wasser an sich, oder tut es auch Not, für die materiellen Kosten des bronzenen Flansches und der Leitungen zu einem Haus an sich aufzukommen?

  • Nach kurzer Überlegung bog der nette Mann vom Kundendienst mit seinem Begleiter an der Kreuzung rechts ab und sprach dann weiter. "Natürlich. Die Gebühren ändern sich, wenn man den Anschluss ändert. Das ist wie gesagt einer der Gründe, warum wir manche Häuser außerhalb des regulären Turnus besuchen müssen. Die eigentlichen Arbeiten muss der Hausbesitzer natürlich auf eigene Kosten machen lassen. Wir kontrollieren das nur. Auch die Kollegen vom Wasaserbau machen in solchen Fällen bestenfalls Planung, Auflagen und Bauaufsicht."

  • Ich nickte erleuchtet. Es schien einleuchtend. Warum sollte der Staat sich verpflichtet sehen, einen Leitungsbau zu unternehmen für eine Privatperson? Doch eines war mir noch nicht klar.


    Ah. Aber nun habe noch eine Frage ich. Wenn nun also der Anschluss geändert wird – wird folgerichtig nur der Bronzeflansch am Haus selber ausgetauschet? Oder ist es von Nöten, die ganze Leitung aus dem Erdreiche zu brechen und durch eine neue zu ersetzen?


    Harsch erschiene das, und aufwändig!

  • "Wasser wird immer an der engsten Stelle gebremst", erklärte Ennius Cerealis und schien dabei durchaus glücklich zu sein, mal wieder ein paar technische Zusammenhänge erläutern zu dürfen. Ohnehin schien er immer ganz in seiner Aufgabe aufzugehen und nichts anderes als Aquarius sein zu können. "Wenn du an ein enges Rohr einen breiten Flansch setzt, zahlt du viel und bekommst trotzdem wenig Wasser. Wenn du aber an ein breites Rohr einen kleinen Flansch machst, zahlst du nur wenig, kannst aber später auch mit wenig Aufwand einen größeren dran machen und bekommst dann mehr Wasser. Letztlich ist das natürlich wie gesagt nicht unser Problem. Wenn die Leute mehr Wasser haben wollen und ihre Leitung zu klein ist, müssen sie eben eine größere legen lassen." Je nachdem, wo die dann her ging und welchen Wasserverteiler sie anzapfte, kam dann eben wieder die Bauaufsicht der Aquarii ins Spiel.

  • Es war eine schlüssige Erklärung, welche Cerealis vorlegte, mich konnte sie absolut und zur Gänze zufrieden stellen. Sonder Zweifel gar technischer Natur, doch sagten mir mechanische Vorgängnisse zu, und so erhoffte aus meinem Lauschen ich mir zweckdienliche Eröffnungen.


    Ahhh. Und wenn die Situation sich dermaßen darstellt, dass dem Flansch nur eine kleine Öffnung innewohnt und das Rohr von weniger geringerem Umfang ist... könnte dann das Ergebnis ein solches sein, dass der Druck den Flansch aus der Mauer herauszupressen sucht? Oder entfleucht dies des Technikers Vorstellungskraft? Immerhin pflegen die Bronzeteile fest in den Mauern verankert zu sein.


    Interessieren würde es mich durchaus, schließlich konnte der Idee eines vom Wasserdruck bewegten und vom Wasserstrahle gefolgten durch die Lüfte gleitenden Bronzeflansch ich einiges abgewinnen, prinzipiell Witzwert. Wenngleich dieser messbar niedriger war für jedweden, den der Flansch im schnellen Fluge am Haupte treffen mochte.

  • Ennius Cerealis konnte sich bei der Frage ein Lachen nicht verkneifen. "Eine lustige Vorstellung. Aber dann muss schon jemand beim Einmauern des Anschlusses ganz grob falsch gemacht haben, wenn dieser durch den Wasserdruck aus der Mauer gepresst wird", antwortete er dann aber wieder ganz ernst. "Das darf einfach nicht passieren."


    Wenig später blieb er vor einem Haus stehen. "So, da wären wir. Casa Hirtuleia. Dann setz' mal dein bestes Kundendienstlächeln auf. Es geht los."

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