Cubiculum TAA | Memento Mori

  • Er hatte sich seinem Raum eingesperrt. Einsam saß er hier, verlassen, mit abgesperrter Türe. Niemanden wollte er neben sich dulden. Last lag ihm auf dem Herzen, ungeheure Last, die er nicht stützen wollte. Der fahle Schein des Mondes leuchtete sanft in das Zimmer des jungen Aureliers, der mit starrem Blick nach außen sah. Der Monschein ging durch das Fenster, der Vierecke aus Licht auf den Boden malte. Avianus fuhr sich durch die Haare, seufzte tief und fühlte die Kälte nicht, die ihn fest umklammerte. Er war selbst kalt geworden. Zu viele Menschen hatte er sterben sehen, zuerst seinen Vater, dann erschlug er selbst Menschen bei seinem Tribunat, dann sah er die Leiche seines Onkels. Tod war eine seltsame Sache. Er war befreiend. Doch verachtete man ihn, wenn er einem selbst keine Befreiung brachte, sondern nur den anderen, die um einen herum nicht starben. Selbst wenn man selbst sterben wollte, so konnte man es nicht. Ironie des Schicksals nannte er sowas. Immer spinnte das Schicksal seine Fäden. Und immer durchtrennte es den falschen Menschen den Faden.


    Avianus erhob sich, nahm vor seinem Schreibtisch Platz. Er hatte nichts als seine Erinnerungen an Corvinus. Er stützte sich am kalten Holztisch ab, und seinen Kopf in der Hand versunken. "Nein", murmelte er, "Warum?" Corvinus war tot, der Neffe verstand die Welt nicht mehr. Die einzige Bezugsperson zu seinem Vater... Avianus hatte nie ein rosiges Verhältnis zum Bruder seines Vaters gehabt. Doch manchmal konnte er verstehen, dass er ein harter Mann war, denn sie beide hatte das Leben nunmal gezeichnet. Es war schlimm, wenn das Sterben zur Gewohnheit wurde, wie für Avianus. Er konnte keine Träne vergießen, empfand beim Thema tod diese makabere, groteske Gleichgültigkeit. Dieses Mal war er betroffen, denn jemand starb, der ihm nahe stand. Und das schmerzte mehr als alles andere auf der Welt. Diese verückte Todesspirale, in der er war, sie mochte nicht zu verschwinden, nein, sie war immer da, um von Neuem zuzuschlagen, und sie quälte Avianus, in dem sie ihm die Seinen nahm und ihn in seiner Erbärmlichkeit zurückließ. Er schluchzte kurz in dieser Körperhaltung, während eine Träne ihm die Wange hinunterlief.
    Er war kein schwacher Mann, oder etwas, was andere vielleicht als Weichei bezeichneten. Er wusste nur nicht weiter, hatte Angst, die Ausweglosigkeit der Todesspirale fing ihn ein und befreite ihn nicht, er war wie ein Beutetier, dass in eine Falle geraten war und nur noch auf Erlösung wartete. Er hasste den Tod und doch wusste er, es gehörte zum Leben, zu sterben. Der Aurelier lief rot an, sein Gesicht verschwand hinter der Handfläche, um den Gefühlen freien Lauf zu lassen.


    Es verstrichen die Minuten, die sich zogen wie eine Ewigkeit. Ein Windhauch fuhr durch den Raum, denn das Fenster stand offen. Dieser beruhigte ihn ein wenig.


    Tod ist Erlösung.


    Tod ist unbegreiflich.


    Tod ist sein größter Feind.

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