cubiculum TAA | Mars zu Ehren

  • Seit meiner überstürzten letzten Abreise aus Rom hatte sich in der dortigen Villa Aurelia einiges verändert. Besonders ins Gewicht fielen natürlich die unersetzlichen Verluste: Titus, der als Legatus Legionis der Prima hauptsächlich in Mantua weilte, für den darüber hinaus aber auch eine eigene Villa errichtet wurde, und natürlich Marcus und seine Frau Celerina. Ich hatte daher in der ersten Zeit nach meiner neuerlichen Ankunft in Rom gewisse Orientierungsschwierigkeiten, die mich allerdings nicht davon abhalten sollten, endlich eine Angelegenheit anzugehen, zu deren Erledigung ich eigentlich schon länger verpflichtet gewesen war. Mein Ansprechpartner in dieser Sache war Tiberius, und meine Orientierungsprobleme führten mich nirgendwo anders hin als an die Tür seines Cubiculums in der Villa Aurelia, gegen die ich sachte


    klopfte.

  • Voller Gram und zornig hockte Avianus in seinem Zimmer und dachte über sich selbst nach. Zornig war er, und das vor allem deshalb, weil dieser Konsul seine Kandidatur wegen so kurzer Zeit, einer kleinen Verspätung zum Scheitern gebracht hatte. Und auf den Boten, auf den war der Aurelier besonders sauer. Avianus hatte ihm vertraut, mit etwas von höchster Wichtigkeit und Dringlichkeit! Doch machte er?! Er trieb sich irgendwo rum! Und wer wusste schon, wo der Kerl überhaupt war! Er wurde rechtzeitig losgeschickt und hatte es zu einem solch wichtigen Anlass noch gewagt, sich zu verpäten. Alles wenig erfreuliche Umstände. Für Avianus ging eine potenzielle Amtszeit verloren, wegen dem Boten und er Unerbittlichkeit des amtierenden Konsuls, der solche Dinge offensichtlich sehr genau nahm. Welche Pingeligkeit das doch war, die ihn zur Verzögerung verurteilte! Nun saß er da. Sein Ziel vor Augen, so nah... und doch so fern!
    Plötzlich wurde Avianus aus den Gedanken gerissen und blickte zur Türe, überlegend, ob er "anwesend" war. Er hatte vor Gram keine Lust, groß Gespräche zu führen. Aber gegenüber der Familie hatte er nunmal seine Pflichten, weshalb er sich mit einem knappen, laut schallenden "Ja, herein" nach außen meldete.

  • DAS klang aber gar nicht gut...


    Hatte ich gerade noch zuversichtlich meine rechte Hand nach dem Klopfen auf die Klinke von Tiberius' Tür sinken lassen, so hielt ich nun erst einmal inne. Konnte ich mich getäuscht haben, oder hatte seine Stimme tatsächlich einen scharfen, schneidenden Ton gehabt, wie ich ihn glaubte, vernommen zu haben?


    Mehrere Szenarien jagten durch meinen Kopf: Offenbar kam ich ungelegen - hätte ich ihn in seinem Officium aufsuchen sollen - aber wo fand ich dieses überhaupt?...


    Alle meine Überlegungen aber liefen darauf hinaus, dass doch kein Weg daran vorbei führte, jetzt durch diese Tür zu treten und Tiberius zumindest nach einem Ausweichtermin für mein Anliegen zu fragen. Ich drückte also die Klinke, auf der meine rechte Hand immer noch lag, endlich hinunter, öffnete die Tür einen Spalt weit, steckte meinen Kopf hindurch und betrat auch mit einem Fuß das Cubiculum. Aufmerksam sah ich Tiberius an und sagte dann: "Salve, Tiberius! Hast du einen Moment Zeit?"

  • Etwas zögerlich, nach dem scharfen Hereinrufen des Gastes, trat Cotta zum Vorschein. Avianus sah ihn mit ernster Miene an. Ja, er hätte gerne zur Begrüßung ein Lächeln aufgesetzt, doch in letzter Zeit lief so Einiges schief. Falsch wäre es wohl gewesen, eine heile Welt und gute Laune zu heucheln, wo es doch nicht so war. Und selbst wenn man diese tat, wenn man sich bemühte, es so darzustellen, fiel es letzten Endes doch auch. Also wozu die Mühe, warum nicht gleich ehrlich sein?


    "Salve, Appius", grüßte Avianus sporadisch und bot seinem Verwandten einen Sitzplatz an, "Ja, ich hätte Zeit. Hängt aber ganz davon ab, für was." Wenn es um den Cursus Honorum ging, wollte Avianus jetzt bei bestem Willen nichts hören.

  • Ganz wie es die Höflichkeit gebot, erwiderte Tiberius meinen Gruß und wies mir auch einen Platz zum Sitzen an. Allerdings verhehlte er weder durch seine Stimme noch mit seinen Worten, dass ihm ein Gespräch mit mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich recht war.


    Ich leistete seinem Ruf daher zwar Folge und trat nun vollständig in sein Zimmer, setzte mich aber zunächst einmal nicht. Stattdessen grübelte ich, was er mit seinen Worten "Hängt aber ganz davon ab, für was" gemeint haben könnte. War denn irgendetwas vorgefallen, was mir als Neuankömmling in der Villa Aurelia in Roma bislang noch verborgen geblieben war? Oder waren es die traurigen Ereignisse in unserer Familie, die ihn sich nach Ruhe sehnen ließen?


    Gerne hätte ich über mein eigentliches Anliegen hinaus einige Worte mit Tiberius gewechselt. An das letzte längere Gespräch mit ihm konnte ich mich gar nicht mehr wirklich erinnern, und außerdem stand immer noch meine persönliche Gratulation zu seiner Erhebung in den Senat an. Da ich aber keine Ahnung hatte, welche Themen es waren, die er vermeiden wollte, zog ich es vor, so schnell wie möglich zur Sache zu kommen. "Es geht um meine Mitgliedschaft bei den Saliern. Wie du vielleicht weißt, bin ich immer noch Mitglied bei den Collini. Mein Eindruck aber ist, dass diese sich von dem Skandal, den Marcus damals aufgedeckt hatte, immer noch nicht wirklich erholt haben. Ich wollte daher dich als Magister der Salii palatini fragen, ob die Möglichkeit besteht, dass ich in euren Kreis aufgenommen werde."

  • Letzten Endes hatte Cotta natürlich für nichts eine Schuld, dies war Avianus klar. Und angesichts seines weniger erfreut klingenden Worte konnta man es ihm gut nachvollziehen, dass er jetzt doch keinen Platz nahm sondern erst einmal Avianus' Reaktion auf das angesprochene Thema sehen wollte. Cotta kam zwar schnell zur Sache, tastete sich jedoch merklich vorsichtig in Avianus' Gefühlswelt hinein.
    Immerhin war es nicht dieses unangenehme Thema, von dem der Senator und Magister nichts hören wollte. Er konnte Cotta also bei seinem Anliegen helfen. Zwar mit einem Seufzer, aber willig, ihn zu beraten.


    "Ich verstehe", sagte er bedächtig, "Die Möglichkeit steht offen und ich kann eine Abstimmung über deine Aufnahme veranlassen. Aber das nur unter der Bedingung, dass du höchst offiziell von den Collini austrittst. Und dann brauchen wir gute Argumente für deine Aufnahme, weil wir schon viele Aurelier sind und sich da die anderen Familien etwas quer stellen, wenn es wieder mehr werden."

  • Tiberius setzte nun doch zu einer ausführlicheren Erwiderung auf mein Anliegen an. Allerdings wurde ich nicht so recht schlau aus ihm, aus welcher Haltung heraus das jetzt geschah: So ganz schien er mir zu einem Gespräch über meine Aufnahme bei den Salii Palatini nämlich nicht bereit zu sein. Weil er aber auf der anderen Seite eben doch so sachdienlich auf mein Ersuchen einging, beschloss ich, mit dem nun einmal angefangenen Thema fortzufahren, und wie um diesen meinen Entschluss auch gleichsam körperlich zu untermauern, setzte ich mich jetzt doch auf den angebotenen Platz nieder.


    "Du hast ganz Recht, bei den Collini muss ich noch austreten. Sobald wir beide uns beraten haben, werde ich dort vorsprechen und die Gemeinschaft verlassen. Ich wollte das tun mit dem Hinweis darauf, dass ich zu der Zeit der Aufdeckung jenes unseligen Skandals durch Marcus krank war und daher damals meinen Verwandten nicht zu den Salii Palatini folgen konnte - ein Versäumnis, das ich jetzt nachholen möchte, da die Götter meine Gesundheit wieder befestigt haben." Eigentlich hatte ich gehofft, dass dieses Argument - natürlich noch ein wenig ausgeführt - allein schon ausreichend wäre, nicht nur um bei den Collini austreten zu können, sondern auch um bei den Palatini aufgenommen zu werden. Mit dem möglichen Einwand, den Tiberius hier ins Spiel brachte, dass es nämlich bei den Palatini Widerstand gegen zu viele Aurelier geben könnte, hatte ich nicht gerechnet.


    "Was die Aufnahme bei den Palatini angeht und diese Sache, dass dann dort in den Augen einiger zu viele Aurelier wären - damit erwischst du mich, ehrlich gesagt, ein bisschen auf dem falschen Fuß. Ich hätte nicht gedacht, dass das wirklich ein Gegenargument sein könnte. Denn ich erinnere mich noch ganz gut an die Zeit, in der die Arvalbrüder hauptsächlich von Mitgliedern der Gens Tiberia getragen wurden." Pikanterweise war dies auch gerade die Zeit gewesen, in der eine gewisse Distanz zwischen der Gens Aurelia und der Gens Tiberia geherrscht hatte; eine Distanz, welche durch die jüngsten Eheverbindungen zwischen unseren beiden Familien nun zum Glück der Vergangenheit angehörte. "Eher hätte ich erwartet, dass ich den Wechsel der Gottheit, der mit dem Wechsel der Kultvereine verbunden ist - also von Quirinus zu Mars - gut begründen müsste." Und auch bei dieser Frage war ich begierig auf den Rat aus dem Munde meines senatorischen Verwandten Tiberius.

  • Anschließend setzte sich Cotta doch hin. Avianus mochte sich gar nicht ausdenken, welchen Eindruck er momentan bei seinem Verwandten schindete. Vielleicht war seine Laune verwirrend, doch sie ließen sich vom eigentlichen Thema nicht abbringen - sehr zu Avianus' Vorteil, denn dann wurde er ja nicht gefragt, wo seine Laune wohl herkam! Das ersparte ihm die Rederei, wodurch er sich nur noch hineinsteigern konnte!
    "Sehr gut", sagte Avianus und betrachtete das Thema Austritt eigentlich schon im Geiste als abgehakt. Wenn Cotta die Collini verlassen würde, könnte dieses Vorhaben auf keinen großen Widerstand stoßen. Die Collini waren geschwächt durch ihren Skandal, hatten nicht viel in der Hand und mussten die Reisenden nun mehr denn je ziehen lassen. "Am Besten sagst du nicht direkt, dass du wegen dieses Skandals damals gehst. Das erspart dir unnötige Diskussionen und Geplänkel. Nur so als Ratschlag. Heb dir das lieber als Argument für die Aufnahme bei den Palatini auf."


    Avianus kratzte sich nachdenkend am Hinterkopf. Das größte Hindernis würde es wohl sein, die anderen Familien von einem weiteren Aurelier zu überzeugen. Manchmal hatte Avianus das Gefühl, je mehr Aurelier den Saliern beitraten, desto schwerer wurde es, weitere hinein zu bringen. "Das solltest du auch", sagte er, "Aber da wir im Dienste des Mars stehen, wird man da vielleicht auch keinen Hehl daraus machen. Du wirst doch wohl sinnvolle Gründe gehabt haben, oder nicht?" Ein fragender Blick seitens Avianus belegte Cotta.

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