• Guter Dinge genoß Faustina den schönen Tag im Hortus. Wenn es auch schon recht frisch war, liebte sie die frische Luft und die immer noch wärmenden Sonnenstrahlen. In Gedanken weit weg, bemerkte sie den Sklaven erst, als er sich mit einem Räuspern bemerkbar machte.


    "Domina Faustina, entschuldige die Störung, aber ich habe ein persönliches Schreiben deines Vaters für Dich.", zögernd übergab er den Brief und machte sich sehr schnell von dannen.


    Es war selten das ihr Vater ihr schrieb. Meistens war er so kommunikativ, das er ihr alles erzählte. Gut, sie hatte ihn seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Doch das war nichts ungewöhnlich. Meistens tauchte er dann genauso plötzlich wieder auf, wie er verschwunden war. Oft hatte er neue Pferde oder Sklaven oder eine neue Geliebte oder von allem etwas dabei. Also nichts beunruhigendes. Dieser Brief war daher ein Grund beunruhigt zusein. Vorsichtig, als ob gleich Gift herausspritzen würde, öffnete Faustina das Siegel.


    Salvete mein Augenstern,


    wenn Du diese Zeilen liest, werde ich schon Italia verlassen haben. Es wird ein Schock für Dich sein und ich weiis das ich mich schuftig benommen habe, in dem ich es Dir nícht angekündigte. Du kennst mich aber gut genug, um zu wissen, das ich gute Gründe für meinen Gang ins Exilium habe. Dir diese Gründer hier darzulegen, halte ich zu diesem Zeitpunkt für nicht tunlich.
    Mein kleiner Schatz, mein geliebtes Kind, bitte glaube mir, dass ich äußerst ungern Dich und die Famlie verlassen habe. Bitte glaube mir auch, das ich, sobald es mir möglich ist, zurückkehren werde.


    Um drei Dinge möchte ich Dich bitten. Kümmere Dich um Chiomara Minor. Ich habe sie gekauft damit sie Dir eine Freundin ist und habe mir Freuden gesehen, das mein Plan aufging. Verkaufe sie nie, gebe ihr einmal die Freiheit. Sie hat es verdient. Zum zweiten ist da mein aufsässiger Sklave Aretas. Er ist ein Talent als Fahrer, aber auch ein Querkopf. Kümmere Dich um ihn. Sollte er Dir Schwierigkeiten machen, dann bitte Vetter Durus ihn zu bestrafen oder mach es selbst. Es tut ihm schon einmal gut, die Peitsche zu spüren. Und zu guter letzt, verbessere dein Verhältnis zu Durus. Er wird nun die Entscheidungen für Dich treffen. Wenn er Dir auch wegen seinem Bein leid tut und Du ihn eher als schwachen älteren Herrn siehst. Vergiss nie, das er ein traditionsbewusster Patrizier mit ausgesprochenem Machtinstinkt ist. Er kann Dir helfen, in vielen, wenn nicht in allen Dingen des Lebens. Vertraue Dich ihm an.


    So mein Sonnenschein, jetzt möchte ich diesen Brief beenden und Dich bitten, den Platz in deinem Herzen, den Du für mich reserviert hast, nicht zu vergeben.
    Vergiss nie, das ich Dich liebe meine schöne Tochter.


    Und ich komme zurück.


    Dein Vater


    der Dich immer lieben wird.

  • Gut das sie auf einer Steinbank gesessen und nicht auf einem der Kieswege gestanden hatte. So lehnte sie nur ohnmächtig an die Lehne gelehnt.
    Als Faustina wieder zu sich kam, hatte sie zunächst an einen bösen Traum gedacht, doch hielt sie immer noch den Brief in ihren Händen. Sie zitterte am ganzen Körper, aber es floss keine Träne. Es ging einfach nicht. Ihr Mund war trocken und der Magen verkrampfte sich.


    "Was nun?", dachte sie und laß den Brief noch einmal.

  • Ein paar frische, duftende Zweige schneiden für Faustinas Räume, das war der Gedanke, der sie hinaustrieb. Bewaffnet mit einem kleinen Messer, roch sie hier, schnitt sie dort und kam der Bank, auf der Faustina saß, immer näher. Sie hatte schon ein ganzes Büschel kleiner Zweige in der Hand, als sie ihre Herrin bemerkte. Erst, als sie näher kam, fiel ihr auf, wie bleich sie war. Mit wenigen, eiligen Schritten war sie bei ihr, legte Zweige und Messer auf den Boden und setzte sich neben sie.


    "Domina ... was ist passiert?"


    Vorsichtig nahm sie ihre Herrin bei den Schultern, da bemerkte sie erst, wie sehr sie zitterte. Eindringlich musterte sie Faustina, bemerkte den Brief in ihren Händen.


    "Geht es dir gut? Soll ich nach einem Medicus rufen lassen?"

  • Nur langsam begriff Faustina das Chio mit ihr sprach, sie ansah und leicht schüttelte. Wie aus einem schlimmen Traum erwacht, brauchte sie eine Zeit um wieder in die Realität zurück zukehren.


    "Nein ... nein keinen Medicus. Es wird schon gehen ... ich bin ... ich hab ...!".


    Diesmal flossen die Tränen in Strömen. Laut und gar nicht aristokratisch leise, begann Faustina zu heulen. Sie heulte wie ein kleines Kind. Mühsam brachte sie ein paar Worte hervor.


    "Mein Vater ... mein Vater ist ... hat das Land verlassen. Er hat sich für das Exil entschieden ... einfach so!". Wieder brachte ein Heulkrampf sie zum schweigen. Bei Chio suchte sie halt und umarmte sie heftig. Sie begriff das Chiomara Minor der einzige geliebte Mensch war, der ihr geblieben war. Um so heftiger fiel diese Umarmung, vielmehr das klammern aus.

  • Nicht nur Faustina hatte die gute Idee gehabt, die letzten Herbsttage im Freien zu genießen. Auch wenn das Bein bei Kälte besonders viel Ärger machte, hatte der alte Tiberier beschlossen, sich ein wenig ins Freie zu begeben. Dabei hatte er allerdings nicht verhindern können, dass seine Sklaven ihm einen dicken, pelzbesetzten Mantel angelegt hatten - er war schließlich nicht mehr der Jüngste!


    Während er so die langsam wieder ruhiger werdende Natur genoss, bemerkte er plötzlich Faustina, die zusammen mit einer Sklavin auf der Bank saß. Nichts ahnend humpelte er auf die beiden zu - da bemerkte er, dass das Mädchen Tränen in den Augen hatte.


    "Faustina, was ist denn mit dir?"


    fragte er sie sichtlich verwirrt. Er selbst weinte nie! Was aber brachte ein junges Mädchen, das so umsorgt und behütet lebte, zum Weinen?

  • Erschrocken fuhr Faustina regelrecht zusammen, als sie Durus ansprach. Reflexartig stand sie auf und wäre ihrem Vetter fast um den Hals gefallen. Gerade noch rechtzeitig dachte sie an sein schlimmes Bein und ergriff nur seine freie Hand. Dabei liefen ihr die Tränen immer noch die Wangen hinunter.


    "Durus ... es ist etwas schreckliches passiert.", die Wort stammelte sie nur hervor und schluchtze, "Mein Vater hat mich ... hat uns verlassen. Er ist ins Exil gegangen." Wieder liefen dicke Tränen, der Drang sich an seine Brust zu legen, war gross. Sie beherrschte sich aber so gerade noch.

  • Das Mädchene ergriff seine Hand. Tränen liefen ihr über die Wangen, sodass ihre Schminke ein wenig verlief. Und dann offenbarte sie es: Dolabella hatte sich aus dem Staub gemacht. Exil war hoffentlich nicht das richtige Wort - denn zu einem Gerichtsprozess war es hoffentlich nicht gekommen!


    "Warum? Was ist geschehen?"


    Zwar empfand der Tiberier es als nicht allzu schlimm, seinen Verwandten verloren zu haben - zu viele waren gekommen und gegangen - doch rührte ihn die Aufgewühltheit seiner Tochter doch sehr.

  • Mit verheulten Augen schaute sie ihren Vetter an. Zuckte mit den Schultern.


    "Ich weis es nicht. Ich weis es wirklich nicht. Jedenfalls ist er weg und ich bin hier. Wie soll es weitergehen?".


    Langsam fing sich Faustina etwas, was vor allem an Durus zu liegen schien, der mit seiner stolzen adligen Haltung ihr zum Vorbild wurde.
    Neben diesem wahren Römer, kam sie sich nun vor wie ein kleines Kind und das war sie nicht mehr.

  • Nun war es an Durus mit den Schultern zu zucken. Er hatte schon viele Tiberii kommen und gehen gesehen - aber letztlich gab es auch kein Rezept, wie man in einem solchen Falle vorgehen musste!


    "Ich weiß nicht - wie bisher auch! Natürlich darfst du hier bleiben und wenn du irgendetwas brauchst - komm einfach zu mir!"


    Die Sorge für die Familie gehörte schließlich zur wichtigsten Aufgabe eines Römers! Und wenn es sich dann auch noch um ein hilfloses junges Mädchen handelte, erst recht! Geradezu spontan trat er auf Faustina zu und wischte ihr mit einem aufmunternden Lächeln eine Träne aus dem Gesicht.


    "Abgesehen davon bin ich sicher, dass dein Vater bald wieder zurückkehren wird! Was soll er auch ohne dich?"


    Dies wiederum war eine wilde Spekulation - doch andererseits war sie natürlich auch ziemlich logisch, denn Dolabella war die Familie sicherlich - oder zumindest hoffentlich - genauso wichtig wie jedem Tiberier!

  • Eine einfache Geste, aber sie war von großen Nutzen. Es tröstete Faustina und gab ihr zugleich Mut ihr Leben langsam in die eigenen Hände zu nehmen. Soweit das die Sitten zuließen. Sicher war sich sie nun, das Durus ihr helfen würde. Das würde ihr eine wirklich große Hilfe sein.


    "Danke Durus. Danke für deine Wort und deine Unterstützung. Und was Vater angeht... er war schon öfter einfach mal weg und kam genauso plötzlich zurück. Daher will ich deinen Worten glauben schenken, das er wiederkommt. Mit deiner Hilfe werde ich das schon schaffen".


    Sie lächelte und versuchte nicht mehr zu heulen.


    "Wenn Du erlaubst, würde ich mich gerne in meine Gemächer zurückziehen."

  • Es blieb ihr nicht viel, als sie einfach nur zu halten, nicht ganz so fest, wie Faustina es bei ihr tat, doch genug, um ihr zu zeigen, dass sie für sie da war, ihr Halt geben wollte. Von den wenigen Wortfetzen, die ihre Herrin unter Tränen von sich gab, verstand sie immerhin, dass Dolabella weg war. Aber wie konnte das sein?


    Zu fragen, blieb ihr keine Gelegenheit mehr, ebensowenig, ihr die Tränen wegzuwischen, denn eine Stimme holte sie aus ihren Armen. Ein Verwandter? Der Herr des Hauses? Bisher hatte sie noch niemanden kennengelernt, aber es war wohl so.


    Wie es sich gehörte, zog sie sich soweit zurück, dass die beiden sich ungestört unterhalten konnten. Dabei hob sie ihr Bündel auf und schlich zur Tür. Dort wollte sie warten, bis Faustina wieder nach ihrer Anwesenheit verlangte.

  • Offensichtlich wollte Faustina alleine sein. Und natürlich akzeptierte Durus das. Also lächelte er sie nur aufmunternd an und blieb noch ein wenig sitzen, während das Mädchen mit ihrer Sklavin davonging.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!