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    „Vater, es ist jemand an der Türe.“
    Das blondbezopfte Mädchen blickte von seiner Schüssel auf, zur Türe, welche die bescheidene Behausung der Familie von der Strasse trennte. Sie aßen gerade zu Abend. Ein Talglicht brannte auf dem Tisch, und das Feuer im Herd glomm rot, verbreitete einen behaglichen Schein. Draussen heulte der Wind.
    Der Vater, ein ergrauter Hüne von einem Nordmann, schob sich ein Stück Speck in den Mund.
    „Sieh nach.“ befahl er kauend seiner Frau, einem jungen Ding, deren rundes Gesicht von aschblonden Flechten umrahmt wurde.
    „Ich glaube es war nur der Wind.“
    Trotzdem erhob sie sich, glättete ihren wollenen Kittel und ging zur Türe. Sie öffnete. Eine kalte Windböe wehte herein, ließ das Licht auf dem Tisch flackern. Dann verlöschen.
    Auf der Schwelle stand ein Fremder.


    „N' Abend Finn.“ grüßte Rutger, über die Frau hinwegsehend, den Hünen. Der runzelte die Stirn.
    “Kennen wir uns? Was willst du?“
    “Ja. Ist schon eine Weile her. Du hast damals noch für Syagrius gearbeitet.“
    “Das ist... lange her. Wie heißt du noch?“
    “Grímnir kannst du mich nennen.“
    “Joa... Komm rein.“ sprach der Thurse gleichmütig, die Frau öffnete die Türe weit und Rutger trat leichten Schrittes in das Haus. Welches eher eine Hütte war, mit einem zerzausten Strohdach. Es duckte sich in den Windschatten der alten Stadtmauer, nahe der Porta Trigemina. Hinter dem Circus. Keine gute Gegend. Aber es gab üblere, in diesem stinkenden Sumpf von Stadt. Die Frau schloß die Türe.
    Mit in den Gürtel gehakten Daumen begutachtete Rutger seine Umgebung. Die Wohnküche, niedrig und rauchgeschwärzt. Den Tisch, der nicht üppig, doch auch nicht armselig gedeckt war. Die Frau, deren Hände geschickt das Talglicht neu entzündeten. Das kleine Mädchen, das seinen Blick mit großen Augen erwiderte. Und Finn. Alt war der geworden. Silberne Strähnen durchzogen den Bart und das Haar, dazumal eine wirre Mähne, war grau, und nach Art der Römer kurz geschnitten.
    Hatte er selbst, Rutger, sich denn auch so sehr verändert?


    Oft, unendlich oft, hatte der Chatte sich diesen Augenblick vorgestellt. Ihn sich in allen roten Einzelheiten ausgemalt. Sich daran gelabt wie ein Verdurstender. Aber in seiner Vorstellung war es niemals so gewesen. So wie jetzt.




  • Argwohn stand auf der breiten, gefurchten Stirn des Hausherrn. Woher er den Fremden kennen sollte, er vermochte es nicht einzuordnen.
    „Was willst du?
    „Mit dir über die alten Zeiten reden...“
    Die Frau rückte ihm einen Stuhl an den Tisch. Er setzte sich. Ohne seine Lacerna abzulegen, ein weiter Überwurf, aus speckigem Leder. Die Frau schob ihm einen Teller zu, mit Brot und Speck. Schenkte einen Becher voll. Er rührte nichts davon an.
    „Du bist sesshaft geworden Finn.“
    „In Rom lebt es sich gut.“
    „Rom ist eine räudige Hure.“
    „Mag sein. Na und?“


    Bräsiger Gleichmut. Ein tumber Kollaborateur. Rutgers Kiefer spannten sich an. Der Thurse hatte die Hände auf dem Tisch verschränkt, die groben Pranken, mit den stark hervortretenden Fingerknöcheln. Sommerhitze. Bienensummen. Der sattblaue Himmel des Nordens. Ein Rasiermesser. Über den Lederstreifen gezogen. Vergebliches Aufbäumen. Pranken. Thursenpranken. Bohren sich eisern in seine Schultern. Das Messer, kalt an der Kopfhaut. Warme Rinnsale von Blut. Strähne um Strähne... seines langen Haares, Tiwaz geweiht, Sitz der Stärke.... die Sommerbrise trägt sie davon. Der Hass kam wie eine leuchtende Flamme über Rutger, vertrieb endlich die Lethargie. Der alte Hass, ihm willkommen wie ein vertrauter Freund.


    „Rom ist die Pest. Sag, Finn, was ist eigentlich aus Syagrius geworden?“
    „So'n verrückter Chatte hat ihn abgemurkst...“
    Die Augen weiteten sich, nur um ein weniges, als er verstand. Keiner bewegte sich. Im Herd knackte ein Scheit.
    „Odny. Una. Geht jetzt.“
    Die Frau nahm ihre Tochter an der Hand. Ein banger Blick. Sie gingen schnell hinaus.
    „Also...“ der alte Hüne klang nicht furchtsam, nur so, als wäre er diese Begegnung unendlich leid, als er zum drittenmal fragte: “...was willst du? Es ist lange her, und ich will ungern meine Stube mit deinem Blut beflecken. Ich biete dir ein Wergeld. Nimm es und verschwinde!“




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