Prima und Secunda im Gespräch

  • Ein Fehler, ein großer Fehler, den der Kaiser da gemacht hatte: Sich nicht persönlich seinen Truppen zu zeigen. Sie brauchten das. "Als er nach Rom kam, war ich noch nicht lange bei der Garde. Und doch war ich einer der Auserwählten, die ihn in die Stadt geleiten durften. Es war ein großartiger Tag. Die Sonne strahlte vom Himmel. Noch nie habe ich so blankgeputzte Rüstungen gesehen, geschweige denn getragen. Die Menschen jubelten. Diese Ehre war unglaublich. Später, viel später, durfte ich sogar im Palast direkt beim Kaiser Wache halten. Seine Krankheit wurde immer schlimmer. Er wurde immer mehr geschwächt. Ich habe damals mehrere Soldzahlungen zusammengekratzt, um für ihn ein größeres Opfer zu kaufen. Aber ich fürchte, es hat gar nichts gebracht. Jetzt sind schon wieder ein paar Jahre vergangen. Er ist schon so lange in Misenum, kaum jemand bekommt ihn zu Gesicht. Wenn ich daran denke, wie krank er damals schon war, so muß er mittlerweile ein Schatten seiner selbst sein." Bei dem Gedanken war Valerian ehrlich bedrückt. Er mochte seinen Namensvetter, auch wenn er kaum ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Stets war er ihm treu gewesen. War bereit, für ihn in den Tod zu gehen, wenn es sein mußte.

  • "Wer weiß, wie es ohne das Opfer aussähe," gab Licinus zurück. Das war so eine Sache mit den Opfern, halfen sie nicht, oder war ein gleichbleibender Zustand schon eine Wirkung? Umgekehrt, aber das fragte man nicht offen, nicht mal zu sich selbst: Half ein Opfer, oder wäre auch ohne Besserung eingetreten?
    "Wieso glaubst du, dass sich die Lage verschlechtert hat? Vielleicht, hoffentlich, geht es ihm nicht schlechter.
    Allerdings gebe ich dir Recht, wäre er auf dem Weg der Besserung, wüssten wir davon. Man würde es doch kaum geheim halten."

    In Licinus Augen wäre das eine fahrlässige Destabilisierung des Imperiums. Gefährlich. Sehr gefährlich.

  • "Ja, wer weiß." Valerian nahm noch einen Schluck aus dem Becher. Das waren so Fragen, die wohl niemand wirklich beantworten konnte. "Ich glaube es, weil ich die Entwicklung hier in Rom mitbekommen habe. Und weil er immer mehr abgeschottet wird. Warum sollte man das tun, wenn es ihm nicht immer schlechter geht? Und..." Er sprach nun noch leiser, kaum noch zu verstehen für Licinus. [SIZE=7]"Manchmal denke ich, da hilft jemand nach. Mit Gift oder so. Er überlebt nur so lange, weil er als Soldat eigentlich ein sehr starker Mann ist. Aber natürlich kann ich das nicht beweisen. Es ist nur so... merkwürdig, daß jemand so viele Jahre so schwer krank ist und doch weiterlebt. Aber immer schwächer wird. Glaube mir, die Geier kreisen schon."[/SIZE] Womit er nicht die Vögel meinte.

  • In der Tat bekam Licinus nun Probleme den Quintilier zu verstehen. Er war sich auch nicht sicher, ob er das noch wollte. Das Gespräch zog sich immer weiter in Bahnen, in denen ein Mann höllisch aufpassen musste, was man sagte, wenn man nicht bald in einem tiefen schwarzen Loch landen wollte.


    [SIZE=7]"Meinst du wirklich, dass es so schlimm steht."[/SIZE] fragte er. Das war doch unverfänglich, oder?

  • Valerian nickte ernst. "Ich sage es ungern, aber ja." War nun die Frage, was der Kollege von der I. mit diesen Informationen anfing. Hoffentlich war er kein Speichellecker des Vesculariers. Denn dann hatte Valerian nun völlig verloren. Aber wer nicht wagte, der konnte nicht gewinnen. "Ich fürchte, wir sitzen alle auf einem echt heißen Vulkan. Jeden Moment kann er hochgehen."



  • [SIZE=7]"Ich werde aufpassen"[/SIZE], antwortete Licinus nochmals. Irgendwo hieß das auch, dass jetzt aufpasste was er sagte.
    [SIZE=7]"Ich bete jedoch, dass du dich irrst und er nicht hochgehen wird.
    Falls doch können wir uns wohl gegenseitig nur Glück wünschen, fürchte ich."[/SIZE]

    Selbstverständlich würden sie beide wohl bedeutend mehr tun, im schlimmsten Falle würden sie ihre jeweiligen Männer von ganze vorne in den Kampf führen. Vielleicht miteinander, wenn die Rheinlegionen und die Italischen Einheiten auf der selben Seite stehen. Vielleicht jedoch auch gegeneinander. Eine grauenerregende Vorstellung.


    Aber sie hatten schon viel zu lange geflüstert, fand Licinus, meist ging es in einer Kneipe lauter her. Erst Recht unter Soldaten. Auch hatten sie ihr Essen vergessen, dass schon seit einer Weile nicht mehr berührt vor ihnen lag.
    Licinus machte nun einen zaghaften Ansatz, wieder so etwas wie Normalität zu spielen und tunkte wieder ein Stück Hühnchen in die Tunke.
    "Was bekommt man in Germania eigentlich so vorgesetzt?"
    Sicher, der puls würde der gleiche sein, aber centurionen konnten es sich ja leisten ab und an Auswärts zu Essen.

  • Valerian nickte ernst. Mehr konnten sie wohl kaum besprechen. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber Valerian würde sich diesen Kontakt zur Prima merken. Für den Fall der Fälle. "Puls natürlich", beantwortete er die Frage seines Kollegen lachend. "Wenn man das nötige Kleingeld hat, gibt es allerdings auch ausgezeichneten Schinken und köstlichen Met. Ansonsten bekommt man dort nahezu alles, was es hier auch gibt. Nur teurer, wenn es eingeführt werden muß. Aber viele Früchte werden dort inzwischen auch angebaut. Die Germanen haben uns nicht wenig zu verdanken, was Nahrungsmittel angeht." Er brach sich ein Stück Brot ab und tunkte es ebenfalls ein. "Germanien ist gar nicht so übel. Nur der Winter ist echt unangenehm. Und wie läuft es da oben in Mantua? Ist doch recht sumpfig dort, oder?" Er erinnerte sich an einen Marsch nach Mantua. Viele Jahre war das her. Einen Gefangenen hatten sie dort abgeholt. Allerdings waren sie strikt der Straße gefolgt, noch dazu im Eilmarsch. Da hatte er andere Sorgen gehabt, als die Gegend zu begucken.




  • Licinus stimmte in das kurze Auflachen mit ein. “Natürlich!“
    “Ich denke, den Schinken würde ich gerne probieren, Met ist aber eher nicht so mein Fall.“ Zwar hatte er ihn erst ein einziges Mal probiert, nämlich auf der Einführungsfeier des duccischen tribunus, aber er hatte ihn als recht süß kennen gelernt. Etwas saureres war eher sein Fall, etwas, das belebte. Oder natürlich ein richtig süffiger Wein, wenn man nach einem harten Tag abschalten wollte. Oder sich betrinken, wenn es unbedingt sein musste.
    “Das klingt in der Tat weniger exotisch, als das was man an Geschichten hört.“ Diese kamen dann aber auch meistens von „Experten“, die das Gebiet südlich der Alpen nie verlassen hatten, aber dennoch ganz genau Bescheid wussten. In der Theorie wusste Licinus das auch, aber wie bei den allermeisten Römern hatten sich gewisse Stereotypen in seinem Gedächtnis eingebrannt.
    Aber übel hieß vermutlich bitter kalt, zumindest das schien also zu stimmen.
    “Sumpfig, ja, allerdings. Vor allem im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, sollte man die Gegend abseits der Felder und der Hauptwege meiden. Oft sind auch die Bohlenwege so überschwemmt, dass man eine Biegung nicht rechtzeitig erkennt und man stecken bleibt oder gar versinkt.
    Dafür ist es im Frühsommer sehr schön, wenn die Obstwiesen der Landgüter in Blüte stehen und die Feste gefeiert werden.“
    Diese waren dann natürlich dort besonders prachtvoll, wenn es viele Blüten gab.

  • "Das Bier, das sie haben, schmeckt furchtbar. Der Met ist sehr süß und steigt schnell zu Kopfe, aber er ist einfach lecker. Exotisch? Nein. Aber trotzdem auch anders als hier. Die Wälder sind riesig und dicht und dunkel. Aber auch beeindruckend. Diese unglaublich alten, riesigen Bäume! So etwas findest Du hier in Italia nicht. Alles ist dort sehr grün, selbst im Sommer. Es regnet dort einfach mehr als hier. Und im Winter, diese Schneemassen! Ich meine, hier schneit es ja auch schon mal ein bißchen. Aber dort liegt der Schnee auch schon mal gleich ein bis zwei Meter hoch! Das ist ein Anblick, sage ich Dir!" Nur das Durchmarschieren, das war nicht so angenehm. Aber gut, ein bißchen Verlust gab es ja immer. "Das mit den Festen im Frühsommer klingt sehr gut. Ich muß mal mit meinem Legaten sprechen, ob der mir nicht einen dringenden Auftrag nach Matua geben kann, wenn gerade die Zeit dieser Feste ist." Er lachte und hob den Becher.




  • "Zwei Meter?" antwortete Licinus nahezu entsetzt. Bisher hatte er das immer als Übertreibung abgestempelt, aber sein Gegenüber war centurio, also war seinem Augenmaß zu trauen.
    "Das möchte ich nicht freischippen müssen." Und prompt erinnerte er sich an den Anfang ihrer Unterhaltung und die Vor- und Nachteile, die ein centurio gegenüber einem probatus hatte. Nun, hier war ein eindeutiger Vorteil.
    "Ja, es ist immer eine wirklich schöne Zeit." reflektierte er.
    "Nun, falls du einen Auftrag bekommst und mit einem Nebenzimmer in einer habitatio kein Problem hast, dann bist du willkommen.
    Im Ernst, solltest du mal auf Durchreise sein, dann komm gerne vorbei."

    Erst nachdem er gesprochen hatte fiel ihm wieder ein, dass sein Kollege verheiratet war. Nun, da würde sich sicher auch eine Lösung finden, wo man die Frau unterbringen konnte. Ein problem nach dem anderen, wie mal gehört hatte.

  • "Bis zu zwei Meter", lachte Valerian bevor er seinen Becher noch einmal ansetzte, um zu trinken. "Es soll Gegenden geben, wo sogar noch mehr von dem Zeug runterkommt. Zum Glück nicht auf einmal, sondern nach und nach. Aber das Schippen ist kein Vergnügen, das kannst Du mir glauben. Ich habe ja in Germanien angefangen mit meiner Laufbahn." Und so war er natürlich auch in den Genuß derartiger Arbeiten gekommen. "Vielen Dank für die Einladung. Ich werde gerne darauf zurückkommen, wenn es mich mal nach Mantua verschlägt. Natürlich gilt das Gleiche für Dich, solltest Du mal nach Germanien kommen. Wobei ich zugeben muß, daß die Wahrscheinlichkeit noch geringer ist. Auf jeden Fall finde ich es sehr nett, Dich kennengelernt zu haben."






  • "Was? Noch mehr? Du willst mich wohl auf die Schippe nehmen," wo der Quintilier doch schon vom Schippen sprach. Und Licinus konnte sich solche Mengen Schnees nicht mal ansatzweise vorstellen.


    "Danke gleichfalls. Aber ich glaube auch nicht, dass es wahrscheinlich ist, dass es mich mal so weit nach Norden verschlägt. Außer auf kaiserlichen Befehl. Oder wenn Cara sich doch entscheidet in Moguntiacum zu bleiben und zu heiraten. Was freilich noch unwahrscheinlicher ist.", lachte er.
    Licinus würde ja erst am folgenden Tag erfahren, dass die junge Frau zu genau diesem Zweck von Centho in den Norden geschickt worden war. Und er wusste auch noch nicht, dass es nie zu einer Hochzeit Caras kommen würde.

  • Lachend schüttelte den Kopf. "Reise hin, wenn Du mir nicht glaubst, und überzeuge Dich selbst. Was den Befehl angeht, so etwas kommt schneller als Du denkst. Du brauchst nur dem Praefectus Urbi ein wenig auf die Füße zu steigen, schon bist Du versetzt ans andere Ende der Welt." Er zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck aus seinem Becher. "Cara? Dein Mädchen?", fragte er neugierig. "Meine Frau wartet in Mogontiacum auf mich. Ich hoffe, ich komme rechtzeitig zurück, um bei der Geburt meines Kindes dabei sein zu können."

  • Licinus wollte nicht nachfragen, dass schien ihm nicht geboten.
    "Nun, ich werde mir sicher Mühe geben, DAS zu vermeiden, sei dir versichert."


    "Mein Mädchen?!" Licinus war zuerst mal verwirrt, sie hatten doch vorhin bereits von seiner Verdanten gesprochen, die im Nordne unterwegs war, um ihre Mutter zu besuchen.
    "Nein, ich meinte Iulia Cara, du erinnerst dich?" die letzten Worte sprach er mit einer Art gutmütigem Spott in der Stimme.


    Langsam war das Exxen verzehrt und der Becher leerte sich. Außerdem wollte Licinus langsam aufbrechen um im Haus seiner Verwandten zu übernachten. Diese wussten natürlich nichts von ihrem Glück, er plante sie zu überraschen, daher begann er nun die Verabschiedung:
    "Nun, Quintilius Valerian, ich denke, ich muss langsam mal aufbrechen.
    Es war schön die kennen zu lernen und ich hoffe, wir werden uns irgendwann einmal wieder sehen."

    Mit diesen Worten reichte er ihm die Hand.

  • Lachend schüttelte Valerian den Kopf. „Bitte verzeih, der Wein... Natürlich haben wir darüber gesprochen.“ Der leichte Spott in der Stimme des anderen nahm er nicht übel. So etwas konnte jedem passieren und umgekehrt hätte er sicher auch ein wenig gespottet.


    Die leeren Teller und Becher zeugten davon, wie lange sie hier schon saßen. „Ja, natürlich. Auch für mich wird es Zeit.“ Er nahm die Hand des anderen und drückte sie herzlich. „Wir werden uns gewiß eines Tages wieder treffen. Ich wünsche Dir eine gute Reise nach Mantua.“



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