Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn - durchs nicht allzu wilde Gallien

  • Auf der Durchreise nach Germanien


    Rom zu verlassen, war schon ganz schön hart gewesen! Hätte ich nie gedacht, dass mir das mal so schwer fallen würde, dieses Dreckskaff zu verlassen. Ich hatte mir die letzten Tage fast die Augen ausgeheult, weil ich nur an Aretas denken konnte und an das Kind, dass in mir heranwuchs. Was sollte nur aus uns werden, wenn er hier bleiben musste und ich nach Germanien musste? Ausgerechnet Germanien! Scheiße Mann, wie konnte Sermo mir nur so was antun?


    Sermo und ich waren nicht die einzigen, die nach Germanien wollten. Auch dieser Valerian, Sermos was- weiß- ich-Verwandter, reiste mit uns. Und dann noch jede Menge Leute, die ich noch nie vorher gesehen hatte. Sermo kannte einige von denen. Was die bloß alle nach Germanien trieb? So toll war´s da doch auch wieder nicht! Wenigstens ersparten wir uns ´nen Ritt über die Alpen. Um die Jahreszeit war das eh nicht zu machen.
    Stattdessen ging´s nach Ostia. Dort bestiegen wir ein Handelsschiff, dass immer in Küstennähe nach Norden schipperte. Es war wirklich kein Vergnügen. Im Winter war das Meer rau.


    Drei oder vier Tage später hatten wir Gallien erreicht. Gallien! Ich hätt mir echt nicht träumen lassen, dass ich Gallien noch mal sehen würde. Aber richtig freuen konnte ich mich auch nicht. Aretas ging mir einfach nicht aus dem Sinn. Ob er auch an sein Kind und an mich dachte? Er liebte mich doch, oder? Mist, ich machte mich schon selbst verrückt, weil mir so blöde Sachen durch den Kopf gingen.


    Zu Pferd und auf Reisewagen ging es dann weiter. Auf der Via Agrippa, immer in Richtung Norden. Die meiste Zeit hatte ich auf dem Wagen gesessen und zugesehen, wie die Landschaft an mir vorüberzog. Die Straße zog sich durch das Tal des Rhodanus nach Lugdunum im Norden hin.
    Irgendwann hatte ich aufgehört, die Tage zu zählen, die wir unterwegs waren. Es war eh zwecklos. Rom und somit auch Aretas wurden jeden Tag mehr unerreichbarer.
    Aber dann, eines Tages kam mir die Gegend, die wir durchreisten, ziemlich bekannt vor. Lugdunum hatten wir schon vor zwei Tagen hinter uns gelassen. Die bewaldeten Berge im Westen, die Felder in der Ebene davor und dann die Stadt, an der wir vorbei kamen, kannte ich. Mein Herz machte Sprünge, als ich meine Heimatstadt von Ferne wiedersah. Wie gern hätte ich hier halt gemacht! Es juckte mich in den Fingern, einfach vom Wagen zu springen, um durch die Gassen von Augustodunum zu streifen. Einen kurzen Augenblick lang konnte ich sogar einen Blick auf das Stadttor werfen. Und ich erkannte auch den Turm des Janustempels wieder. Aber der Waen rollte daran vorbei.
    Ich fragte mich, ob der alte Iustus noch am Leben war. Er war der einzige, der meinem Bruder und mir ab und zu geholfen hatten. Ich würde es wahrscheinlich nie erfahren, denn schon verschwand die Stadt hinter uns.
    Plötzlich fühlteich mich so leer. Alles in meinem Leben war schief gegangen. Alles! Ich zog meine Beine an mich heran und umschlang sie mit meinen Armen. Mein Gesicht vergrub ich dazwischen. Während der Wagen weiter nordwärts polterte, rannen mir leise meine Tränen die Wangen runter und wurden vom Stoff der Tunika aufgesogen…

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