Der Tiberier stand nachdenklich am Pier von Ravenna. Die Reise von Rom hierher war relativ zügig gegangen, nachdem der Winter nun endlich zu einem Ende gekommen war, waren die Straßen auch wieder einigermaßen befahrbar gewesen - trotzdem hatte es ihn in seinem Reisewagen natürlich ziemlich durchgeschüttelt. Doch nachdem er nun eine Nacht in der Lagunenstadt an der Adria genächtigt hatte, fühlte er sich absolut bereit für die Überfahrt nach Achaia. Lukios, der an seiner Seite stand, wirkte dagegen weniger begeistert.
"Willst du es dir sicher nicht noch einmal überlegen, Domine? Das Meer sieht doch recht stürmisch aus, findest du nicht?"
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Durus das Meer, das seiner Meinung nach ungewöhnlich ruhig aussah.
"Lukios, ich wusste nicht, dass du so ein Feigling bist!"
"Denk doch an dein Bein, Domine! Am Ende brichst du es dir bei einem Sturm noch einmal - und dann ist kein erfahrener Arzt zur Hand wie in Baiae!"
"Ach, Unsinn! Ich habe Neptun ein Opfer dargebracht - er wird für Ruhe sorgen! Und jetzt komm!"
Ohne sich auf seinen Sekretär zu stützen humpelte Durus an seinem Elfenbeinstock auf das Schiff zu, das sie aufnehmen würde. In wenigen Stunden würden sie auf dem hohen Meer sein und gen Osten segeln. Und in einigen Tagen würde er schließlich vor Veturius Cicurinus stehen. Wenn alles klappte, würde ihn dann auch wieder sein guter alter Jakobus begleiten - aber der würde ihm auch nicht dabei helfen, den Legaten von Syria davon zu überzeugen, den legitimen Kaiser zu verraten und seine Legionen anschließend auf die Seite von Hochverrätern zu ziehen. Wenn die Götter gegen ihn waren, würde Cicurinus ihn sofort festnehmen und zu einem Prozess nach Rom schicken, wo Salinator ihn mit größtem Vergnügen persönlich in kleine Scheiben schneiden würde, um sie streunenden Hunden zum Fraß vorzuwerfen - doch wie sollte sein Vorhaben überhaupt glücken können, wenn die Götter gegen sie waren? Und es bestand doch eine gewisse Chance, dass der Veturier seine Vorteile in einem Machtwechsel erkannte und mitmachte.
Der Aufstieg über die Planke war ein wenig anstrengend, doch dann begrüßte der Magister Navis den Tiberier auch schon mit einem festen Handschlag. Dann begab Durus sich auf seinen Platz in der kleinen Kajüte, während die Seeleute die Taue lösten und das Schiff langsam aufs offene Meer hinaustrieb.