[Sacellum] Heiligtum des Merkur

  • SACELLVM MERCVRII MOGONTIACI


    [Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Pseudodoppelantentempel-Plan-bjs.png]


    Das Heiligtum des Mercur ist im Vicus Salutaris gelegen, der kleinen Häuseransammlung, die sich im Laufe der Zeit um den Portus Militaris gebildet hat. Die konsekrierte Kultstätte ist Anlaufpunkt für viele durchreisende Händler und stellt auch den Hauptbezugspunkt des örtlichen Mercur-Kultes dar, dessen Leitung der mogontinischen Händler- und Handwerkervereine unterliegt.


    Das Heiligtum hat die Form eines Pseudoantentempels, wobei es aufgrund seiner Größe allein schon nicht als Tempel bezeichnet werden kann, sondern mit dem Status als Sacellum vorlieb nehmen muss.


    In einer schmuckvoll ausgestatteten Nische hat hier das fein gearbeitete bronzene Götterabbild des Mercurius seinen Platz. Der geflügelte Helm und die Flügelschuhe weisen ihn eindeutig als den Götterboten aus. Hinzu kommen als Symbole der Kaufleute und des Handels der Geldbeutel und der Caduceus, der Mercurstab. Vor dem Götterabbild findet der Hilfesuchende einen Opferaltar mit Kohlebecken, während sich Opfergaben durchreisender Händler zu beiden Seiten der Mercurstatue häufen.

  • Es waren wenige Wochen nach seiner Reise vergangen, die Sermo mitsamt Hausrat und Gefolge nach Mogontiacum geführt hatte. Seit er sich in der Casa Quintilia eingerichtet hatte, war seine Zeit knapp bemessen gewesen, was nicht zuletzt der unfassbaren Arbeitsschwemme anzukreiden war, die ihn ob der Provinzreform erfasst hatte. Jetzt endlich war es ihm gelungen den Weg zum Heiligtum des Mercurius einzuschlagen. Um ihn zu besänftigen, da er so lange mit einem Dankesopfer für die geglückte Reise auf sich hatte warten lassen, und um für weiterhin von Erfolg geprägten Reisen zu bitten, wollte der Quintilius am heutigen Tag die Aufmerksamkeit des Gottes erheischen. So schlängelte sich eine magere Prozession, bestehend aus je zwei Tibicines und Fidicines, eines weißen Ziegenbocks, und drei Opferhelfern sowie zwei Liktoren, in Sermos Gefolge über die Via Praetoria durch die frühlinghafte Aprilsonne*. Unter neugierigen Blicken erreichten sie bald das Heiligtum, das Sermo - den Vorsteher der Kultstätte freundlich begrüßend - zu betreten wagte, wobei er von einem Opferhelfer begleitet wurde. Er hatte dafür sorgen lassen, dass er das Sacellum an diesem Tag für die Zeit des Opfers für sich allein hatte - der Platz würde ohnehin nicht für mehr als vier oder fünf Opfernde gleichzeitig ausreichen - und hatte sich bereits im Vorfeld bei dem Mann erkenntlich gezeigt.


    Der Straßenlärm brach abrupt ab, als Sermo die Kultstätte betrat. Es war mangels Fensteröffnungen relativ düster. Dennoch stach Sermo die Figur sofort beim Eintreten ins Auge, der heute seine ganze Aufmerksamkeit gebührte. Das Abbild des Mercurius war zwar nicht das beeindruckenste, das er je zu Augen bekommen hatte. Allerdings war es zugegebenermaßen mit viel Geschick gearbeitet worden und stellte somit eine höchst angemessene Ehrerbietung für den Götterboten dar. Einen Augenblick lang verharrte Sermo in stiller Betrachtung des in Rauchschwaden gerahmten Bildnisses, bevor er seinen Geist sammelte und sein Vorhaben umzusetzen begann.


    "Möge dieses Wasser alles Unreine von mir waschen, meine Glieder und Gedanken reinigen. So sei es," murmelte er bei der rituellen Waschung, die er am entsprechenden Becken vollzog. Sermo trocknete seine Arme und sein Gesicht mit einem dargereichten Tuch und wandte sich dann dem Götterbild zu. Wie zuvor angewiesen gab der Opferdiener - der nebenbei ein gemieteter junger Tempelsklave war, der in dieserlei Dingen bereits überdurchschnittliche Erfahrung hatte - eine Handvoll Weihrauch in die Kohlebecken, woraufhin er zurücktrat und dem Opferherrn Gelegenheit zur Anrufung gab. Würdevoll bedeckte Sermo sein Haupt mit den entsprechenden Falten seiner Toga. Mit erhobenen Armen, die Handinnenflächen gen Decke gerichtet, begann er dann sein Gebet.


    "Göttlicher Mercurius, Schutzherr der Reisenden, der die Verwirrten auf den rechten Weg zurückführt. Edler Bote der Götter, mit Wohlwollen betrachte mich, der ich als ehrerbietiger Gast dein Heim aufsuche. Komm in Windeseile auf geflügelten Schuhen und nimm an die Gaben, die ich dir bringe dar." Auf Sermos Wink hin trat der Junge nun mit einer Schale weißen Weines heran. Sermo nahm sie und gab den Wein dann in die Opferschale auf dem Altar. Dann nahm er einen flachen Korb mit weiteren Opfergaben entgegen. Aus diesem holte er ein Bündel lukanischer Würste und ein dunkelbraun gebackenes Fladenbrot hervor, das mit Honig gesüßt worden war. Er legte alles auf den Altar, woraufhin er wieder die Arme ausbreitete und fortfuhr.


    "Mercurius, der du die Straßen und Wege deine Machtsphären nennst. Oh göttliches Wesen, das die Geschicke der Reisenden lenkst und über rechte Ankunft oder Unglück bestimmst. Nimm dar was ich dir bringe. Siehe, dort sind weißer Wein und würzige Würste und süßes Brot, die ich dir und nur dir allein widme, deinen Namen in Ehre zu halten." Die obligatorische Rechtsdrehung zog einen Schlussstrich unter diesen ersten Teil des Opfers. Nun wurde das Opfertier, der weiße Ziegenbock, gebracht, das auf dem Vorplatz des Sacellums bei einem weiteren Opferaltar platziert wurde. Der Quintilius verließ gemäßigten Schrittes das Heiligtum und wurde sogleich vom Klang der Flöten und Lauten empfangen, die sein Tun begleiteten. Man reichte Sermo das Messer und das "Favete lingius!" kündete vom gewichtigsten Teil, der nun beginnen sollte. Sermo zog den symbolischen Strich über den Rücken des Tieres und wandte sich dann wiederum mit erhobenen Händen an Mercurius, die Stimme und den Blick gen Himmel erhoben.


    "Mercurius, Sohn des Jupiter und der Nymphe Maia. Vater des Pan, des Daphnis, des Hermaphroditos, des Abderos und des Autolykos. Ich, Iullus Quintilius Sermo, Sohn des Marcus Quintilius Drusus und der Lavinia Callista, rufe dich an in Fügsamkeit und Demut! Dir weihe ich diesen Bock zum huldvollen Dank für die geglückte Einkehr in diese nördlichen Gefilde und zum Ausdruck meines Flehens, mir und den Meinen auch auf kommenden Wegen Schutz und Schirm zu gewähren und mir eine sichere Heimkehr in die Urbs Aeterna zu ermöglichen. Gewähre mir diese Bitte und lass mir deine Gunst zukommen und ich will dir üppig danken in Wort und Tat!" Erneut brachte eine Drehung nach rechts das Gebet zum Ende. Nun war der Zeitpunkt gekommen, der das Ende des kurzen Lebens des Ziegenbocks markieren würde. Auf Rat des Aedituus hatte Sermo sich dazu entschieden, das Opfer selbst zu vollführen. Heutzutage wollten sich insbesondere die Reichen nicht mehr mit Opferblut besudeln und es schien in Mode zu kommen, die wirklich ehrerbietige Opferhandlung von Helfern durchführen zu lassen. Sein Vater jedoch hatte ihn traditionell und nach den Sitten ihrer Vorväter erzogen und so nahm Sermo das Messer selbst an sich und wandte sich dem Bock zu.


    Geschickt war der Kopf des Tieres gepackt, das jämmerlich zu Quäken begann, bevor ein schneller Schnitt seine Kehle öffnete und den roten Lebenssaft in raschen Stößen entweichen ließ. Die quintilische Toga färbte sich fleckenweise dunkelrot, als einer der Opferhelfer das restliche Blut in einer Schale aufzufangen sich anschickte. Mit jedem Hervorquellen der Flüssigkeit trat auch der Lebensgeist des Bockes aus und bald lag das Tier gänzlich bewegungslos am Boden. Der Opferhelfer öffnete den Bauch des Kadavers und bot Sermo nun also Gelegenheit, die Innereien zu schauen. Hoffentlich machte er das nun richtig, denn viel Übung hatte er noch nicht in der Eingeweideschau sammeln können, waren seine Opfer bisher doch nicht sehr häufig blutiger Art gewesen. Dennoch tat er sein Bestes und stellte sich so geschickt wie ihm nur irgend möglich an, den Willen des Mercurius zu deuten. Einzig die Flöten- und Lautenklänge erfüllten hierbei die Luft, während die Umstehenden in gespannter Erwartung den Atem anhielten.



    *Zeitebenen sind bekanntlich unglaublich flexibel.

  • Etwas spät, als Götterbote und Gott der Händler hatte man ja immer zu tun, schlenderte Mercurius durch die Hallen und beobachtete wohlwollend wieviel Mühe sich der kleine Mensch gab.
    Also war er ebenso wohlwollend und nahm das Opfer großzügig an. Ein kleiner Windhauch, das Geräusch klimpernder Münzen und natürlich die Stellung der Eingeweide (auch sehr wohlwollend) sollten dem Mann klar machen, daß er das Opfer angenommen hatte. Und wenn er Zeit fand ihn auch weiter auf seinen Reisen beschützen würde

  • Es dauerte einen Augenblick, der Sermo wie eine gefühlte Ewigkeit vorkommen wollte, bis er sämtliche Innereien des Ziegenbocks auf mangelbehaftete Stellen untersucht hatte. Entgegen seiner heimlichen Befürchtung wurde er jedoch keines Makels ersichtig. Vielmehr umwehte ihn bald ein Lüftchen, dass ihm einen Schauer über den Rücken fegte, und ihm war, als klimperte in der Ferne eine Handvoll Metall. Gewiss entsprang dieser Eindruck von den vielzähligen Geschäftemachern, die sich im Schatten des Merkurtempels nur allzugern aufhielten. Gutgelaunt warf Sermo einen letzten Blick auf die Innereien, woraufhin sie ihm umso voller und saftiger erschienen und so rief er mit kräftiger Stimme das gespannt erwartete "Litatio!" aus.
    Es folgte der übliche Ritus, in dem die wichtigsten Organe des Opfertieres auf dem Opferaltar den Flammen preis gegeben wurden. So geschah es, während das Fleisch der Ziege der Küche des dem Sacellum benachbarten Kaufmannsvereins überantwortet würde, wo es gewinnbringend in einer Garküche Verwendung finden mochte.
    Sermo blieb derweil reglos vor dem Altar stehen, um das dahinscheiden der Eingeweide in göttliche Sphären bis zum Ende zu beobachten. Sobald der letzte blutige Zipfel verraucht war, ließ er sich eine Wasserschale reichen, wusch sich die blutigen Hände und verließ das Heiligtum, um sich auf den Heimweg zu machen. Ein unbestimmtes Gefühl der Sicherheit und der Zuversicht ob zukünftiger Reisen begleitete ihn dabei. Ob nun eingebildet oder aufgrund göttlicher Fürsorge begründet, sei dahingestellt.

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