Atrium | MTD et Kephalos

  • Tatsächlich saß der Tiberier sogar noch auf seinem Stuhl im Atrium, von dem aus er seine Klienten jeden Morgen empfing. Als er Stesichoros mit einem Griechen - zumindest deutete der Bart dies an - erschien, ersparte er sich direkt das Aufstehen und begrüßte Kephalos, als dieser angekommen war.


    "Salve, Architektos. Was hast du zu berichten?"


    Wie erfreulich, dass sein ebenfalls noch anwesender Nomenclator sich die Person gemerkt hatte...

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    Mit seinem Gehilfen im Schlepp betrat Kephalos wieder das Atrium wie vor gar nicht so langer Zeit und wurde auch schon vom Hausherrn begrüßt.
    “Chaire, Tiberius. Wie du gewünscht hast, habe ich einen Bericht über den allgemeinen Zustand des Tempels angefertigt.“
    Er gab seinem Gesellen ein Zeichen, und der ging vor und überreichte dem Tiberier die Schriftrolle. Eigentlich verwendete Kephalos wie alle lieber Wachs, aber das er nicht gewusst hatte, ob der Tiberier es noch an anderer Stelle vorlegen würde, und er nicht wollte, dass es verändert wurde, hatte er sich doch für den teureren Papyrus entschieden.



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    (Gutachten)


    über den Zustand des Templum Martis Ultoris und des Vorplatzes auf dem Forum Augustum
    aus den Begehungen vom ANTE DIEM VI ID IUN DCCCLXI A.U.C. (8.6.2011/108 n.Chr.) bis PRIDIE ID IUN DCCCLXI A.U.C. (12.6.2011/108 n.Chr.)


    Es zeigte sich folgendes Schadensbild:


    Auf dem Vorplatz fehlt dem zweiten Pferd von rechts der Statue des Augustus das rechte Ohr.
    Eine marmorne Bodenplatte zwei passus von der Statue entfernt in Richtung Templum ist gesprungen. Ebenso auf der zweiten Steigung die vierte Treppenplatte auf der südlichen Seite.
    Die Halteringe für die größeren Opfertiere zeigen starke Rostbildungen. Ihr Austausch mitsamt Bodenplatten ist nicht zwingend notwendig, aber angeraten.


    Im Bereich der Tempelküche zeigte sich nach genauer Messung eine Absenkung des Bodens zur Mitte hin um etwa zwei palmae. Eine Auffüllung des Bodens ist dringend notwendig. Um einen Hohlraum unterhalb des Gebäudes auszuschließen wird ein vorausgehender Aushub von mindestens einem Passus empfohlen, ehe eine Auffüllung mit verfestigter Erde und Kies erfolgen muss.


    Im Bereich des Daches müssen zahlreiche Schindeln ausgetauscht werden. Desweiteren sind zwei der die Dachkonstruktion tragenden Balken mit grünem Schimmel überzogen und müssen dringend ausgetauscht werden.


    Die rückwärtige Wand des Tempels weist auf der Außenseite einige Auswaschungen im Mörtel auf, die aufgefüllt und glatt gespachtelt werden müssen.



    Im Übrigen ist die Bausubstanz gut. Sämtliche Wände sind lot- und fluchtrecht und weisen eine stabile Statik auf, ebenso sämtliche Säulen und Statuen.


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    Architektos


    Kephalos gab dem Mann einen Moment, sich das Geschriebene anzuschauen, ehe er zu erzählen anfing.
    “Der Zustand des Tempels an sich ist ein erfreulich guter. Das meiste sind ein paar kleinere Schönheitsfehler, die einfach behoben werden können und innerhalb weniger Tage zu richten sind bei schönem Wetter. Nur zwei Dinge sind aufgefallen, die einen erheblicheren Reparaturaufwand benötigen.
    Zum einen sind zwei Dachbalken leider von Schimmel befallen und müssen ausgetauscht werden. Dazu wird man geeignetes Holz heranschaffen müssen und selbstverständlich das Dach neu eindecken, was eine Woche ohne Regen benötigen wird.
    Das andere ist eine Absenkung des Bodens im hinteren Tempelbereich, die ich großflächiger zu beheben empfehle, um mögliche Risiken auszuschließen.“

  • Der Tiberier nahm das Gutachten entgegen und überflog es, während er gleichzeitig auf die Erklärung hörte. Es gab scheinbar schlimmere Schäden, als Durus erwartet hatte - allerdings schienen die meisten Mängel kein großes Problem waren.


    "Nun, was glaubst du, werden diese Abstellungen kosten - und wie lange würde so etwas dauern?"


    fragte er.

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    Das nun war der zweite Teil dessen, was Kephalos vorbereitet hatte. Immerhin hatte der Pontifex auch gleich bei Erteilung des Auftrages darauf hingewiesen, dass er einen Kostenvoranschlag zu sehen wünschte. Von daher schickte er seinen Gehilfen noch einmal mit einem Wink nach vorne, diesmal aber mit den deutlich billigeren Wachstafeln. Das hier war nur eine Kostenschätzung, da konnte der Tiberier verändern, was er wollte, solange sie sich auf eine angemessene Endsumme einigten. Die Zusammenstellung hingegen war ohne Belang.



    KOSTENSCHÄTZUNG


    Baubeschreibung: (stichwortartig)
    Austausch der defekten Bodenplatte auf dem Augustusforum. Austausch der Treppenstufe. Austausch der Bodenplatte vor dem Tempel mit eingelassenen Eisenringen für die großen Opfertiere.


    Anfertigen eines Pferdeohres für die Statue des Augustus durch einen Steinmetz. Anbringen des Ohres durch Befestigen mithilfe von Gips. Eventuelle Überstände vorsichtig abfeilen.


    Auffüllen des Mörtels auf der rückseitigen Tempelwand in die ausgewaschenen Fugen. Glatt verspachteln. (Zum Aushärten wird sonniges Wetter benötigt.)


    Aufrichten eines Krans. Abdecken des Daches. Entfernen zweier verschimmelter Dachbalken bei gleichzeitiger Abstützung der Dachkonstruktion mittels einem Stützbalken in der Dachmitte. Ersetzen der Dachbalken durch zwei geeignete Balken abgelagerten Holzes entsprechender Länge. Einpassen in die vorhandene Dachkonstruktion, Befestigung mittels Holzzapfen.
    Abtransport der alten Balken.
    Neu Eindecken des Daches unter Verwendung noch tauglicher alter Dachziegel. Ersetzen der Restziegel.
    Abbau des Krans.
    (Für die Dauer dieser Reparatur wird mindestens 1 Woche sonniges Wetter veranschlagt)


    Ausräumen der Tempelküche. Aufstemmen des Bodens im beschädigten Bereich. Abtransport der nicht zerbrochenen Bodenplatten. Abstützung der Wände durch 2 über Kreuz gelegte Balken entsprechender Länge vom oberen Drittel der zu stützenden Wand zum gegenüberliegenden Sockel.
    Aushub des abgesagten Bereichs bis zur Tiefe von 1 passus. Untersuchung auf Hohlräume oder Erdspalten.
    Verdichten des Aushubs mit Kies und Tonerde. Auffüllen des Loches und Verdichten der Masse. Ruhen des Bodens von 1 Woche, anschließendes erneutes Planieren und ggf. weitere Auffüllung, bis der Boden ebenmäßig ist.
    Entfernen der Stützbalken. Wieder anbringen der Bodenfliesen.


    Kostenschätzung, aufgeteilt nach Gewerken:



    Mögliche Einsparungen können erfolgen, indem auf verschiedene Bauschritte verzichtet wird. Als optional gelten der Austausch der Bodenplatten aus Carrara-Marmor auf Platz und Tempelstufe, ebenso den Austausch der Platte mit Eisenring für Halterung der Opfertiere; oder die Verlegung auf ein günstigeres Grundmaterial.


    “Ich habe mir erlaubt, für die ehrenwerte Pontifices schon eine Kostenschätzung anzufertigen. Aus dieser kannst du die erwarteten Kosten ablesen. Die Dauer der Maßnahme hängt davon ab, wieviel davon durchgeführt wird. Die meisten Arbeiten sind unabhängig voneinander und können parallel durchgeführt werden. Vor allem die Steinmetzarbeiten dürften nur einen Tag lang in Anspruch nehmen, was die Arbeiten direkt am Tempel angeht. Die Dacharbeiten werden aber mindestens eine Woche in Anspruch nehmen und können auch erst beginnen, wenn passendes Bauholz gefunden ist.“ Bäume dieser Größenordnung, dazu noch abgelagertes Holz, das nicht gleich wieder Schimmel ansetzen würde, weil es noch nicht durchgetrocknet war, war heiß begehrt. Natürlich baute Kephalos darauf, dass so ein Prestigeobjekt eher beliefert werden würde als eine private Baustelle, und dass auch die Pontifices ihre Beziehungen spielen lassen konnten. Nichts desto trotz war Bauholz immer knapp, und alles, was lang genug war, um als Dachbalken herzuhalten, war auch lang genug, um sich im Gerüst eines Schiffes wiederzufinden. Und daher war das Holz sehr teuer.
    “Die Arbeiten in der Tempelküche werden insgesamt zwei bis drei Wochen benötigen, wobei eine Woche Ruhephase für den Boden dabei eingerechnet ist, damit dieser sich vernünftig senken kann. In dieser Zeit müsste man das Kochen der geopferten Tiere auf außerhalb dieser Räumlichkeiten verlegen. Ansonsten sollte der Tempelbetrieb nur während des direkten Austausches der Dachbalken gestört sein, was innerhalb weniger Tage erledigt sein muss.“

  • Der Tiberier nahm die Tafeln entgegen und überflog sie kurz, während er zugleich mit halbem Ohr zuhörte, was der Architekt erklärte. Scheinbar waren die Kosten beiweiten nicht so hoch wie befürchtet - wobei Durus natürlich davon ausging, dass alles durchaus noch teurer werden konnte.


    "Sehr gut, das klingt sehr vernünftig. Ich denke, wir werden gern alle Arbeiten möglichst zeitnah ausführen, zumal auch eine Gefahr für die Besucher des Tempels bestehen könnte."


    erwiderte er schließlich.


    "Sind die Schätzungen eher großzügig oder eher knapp? Beziehungsweise würden würden noch weitere Kosten für den durchführenden Architekten oder ähnliches hinzukommen?"


    Diese Dinge würden die Pontifices bei der Vertragsvergabe möglicherweise ebenfalls interessieren...

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    “Die Schätzungen beruhen auf meinen Erfahrungswerten aus Alexandria, wobei der hiesige Preis für geeignetes Holz abweichen kann. Für den Marmor habe ich das anderthalbfache des üblichen Preises für die benötigte Menge als Schätzwert hergenommen. Verzeih mir, Tiberius, aber ich hatte bislang noch nicht die Ehre, mit solch hochwertigem Material zu bauen, wie dem weißen Marmor aus Carrara, aus dem der Tempel erbaut wurde.
    Sofern sich die Materialpreise also nicht erheblich von meinen Schätzungen unterscheiden, sollte die Endsumme weniger als zehn Prozent von meiner Schätzung abweichen. Und Löhne für Tagelöhner sind bereits im Gewerk Delta berücksichtigt. Von daher erwarte ich keine größeren Kosten abgesehen von denen für das Ausgangsmaterial.“
    Reine Arbeitskraft wurde ja bekanntlich nicht bezahlt, sondern nur das Produkt eben jener.

  • "Hervorragend."


    Die Sache wurde tatsächlich nicht teuer - da konnte Durus das Collegium sicherlich überzeugen, dass man alles in einem durchführte.


    "Wie viel hatten wir vereinbart?"


    Er sah fragend zu Lukios, der ohne zu zögern die Summe nannte:


    "Zweihunderfünfzig Sesterzen plus Spesen."


    Nun sah der Tiberier wieder zu Kephalos, da er keine Ahnung hatte, auf was sich derartige Spesen bei einem Architekten beliefen.


    "Wie viel möchtest du?"

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    Eigentlich hatte sich Kephalos ein wenig mehr erhofft. Die meisten Bauherren überschütteten einen mit Fragen, die teilweise so absurd waren, dass man gar nicht wusste, wie man darauf antworten sollte, und teilweise dann wieder so sachspezifisch, dass man selber ins Grübeln geriet und aufpassen musste, was man sagte. Aber der Tiberier hatte scheinbar nur eine: Wieviel kostete es?
    “Die vereinbarten 250 Sesterzen, plus 25 für das Aufstellen des Krans, und noch einmal 25, wenn ich ihn wieder abbauen muss.“
    Kephalos machte eine kleine Pause, um die Summe wirken zu lassen. An und für sich sollte es bei der Größe des Auftrages und der Person des Auftraggebers kein Problem sein, diese Summe zu zahlen.
    “Sollte mir der Auftrag zugesprochen werden, werden diese Kosten natürlich von der Endsumme der Renovierungskosten abgezogen.“ Wenn der Kran schon stand, würde Kephalos dafür nicht zweimal abkassieren, soviel verstand sich von selbst.

  • "Nun, damit wir es nicht vergessen, werde ich dir die Kosten direkt erstatten."


    meinte Durus und sah zu Lukios. Dieser verschwand im Schatten des Atrium, trat an eine massive Holztruhe, holte einen Schlüssel hervor und öffnete sie. Kurz darauf kam er mit einem kleinen Säckchen Münzen zurück, aus dem er 275 Sesterzen in verschiedenen Münzen zählte. Bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass darunter auch einiges altes Geld mit dem Profil des göttlichen Augustus war - aus Zeiten, als der Zinkanteil noch höher gewesen war.


    "Ich denke, du kannst den Kran vorerst stehen lassen - sollte das Collegium entscheiden, den Auftrag einem anderen Architekten zu geben, wird er ihn dir sicherlich abkaufen oder du kannst ihn immer noch abbauen."


    Tatsächlich hatte der alte Tiberier keine Ahnung, ob es üblich war, dass jeder seinen Kran behielt oder ob man ihn von Fall zu Fall aufbaute und anschließend entsorgte.


    "Ich nehme an, dass du anbietest, diese Arbeiten zu dem Preis im Gutachten auszuführen."

  • [Blockierte Grafik: http://img708.imageshack.us/img708/5728/kephalos2.jpg]


    Natürlich wäre es Kephalos am liebsten gewesen, er hätte sofort den Auftrag erhalten. Aber die Mühlen des Collegium Pontificium mahlten halt auch nicht mit göttlicher Geschwindigkeit, sondern mit allzu menschlicher.
    Also nahm er die Nachricht mit der Bezahlung mit einem Nicken hin und übte sich in stoischer Ruhe. Auch die Nachricht, dass das Collegium den Auftrag an jemand anderen vergeben könnte, nahm er möglichst gelassen auf. Abkaufen würde ein anderer Architekt den Kran wohl kaum. Kein Architekt der Welt brauchte mehr als einen Kran, und da diese aus viel stabilem Holz bestanden, waren sie entsprechend teuer. Was auch hieß, dass Kephalos seine Gesellen scheuchen würde, damit jeder in einer anderen Nacht bei dem Ding Wache hielt, damit nichts davon geklaut wurde. Brennholz war immer noch eine gefragte Ware.
    Und so nahm er das Geld an, zog nur einmal ganz kurz die Augenbrauen hoch, als er die Münzen sah. Griechische Drachmen zeigten häufig andere Konterfeis, und wenn Kephalos derart alte Münzen zu Gesicht bekam, waren es meistens die hellenistischen Pendants der römischen Münzen. Allerdings war das alles kein Grund, Einwände zu erheben, schon gar nicht, wenn man kein Druckmittel als Verhandlungsmasse besaß. Und erst recht nicht, wenn man von Zinkanteilen in alten römischen Münzen sowieso keine Ahnung hatte.


    “Selbstverständlich, Pontifex. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass ich die vorgeschlagene Lösung für die Bodenabsenkung bereits einmal durchgeführt habe – mit Erfolg.“ Ein bisschen Werbung in eigener Sache war auch bei aller Sachlichkeit sicherlich erlaubt. Immerhin hatte er hier in Rom sonst nichts vorzuweisen, während die Pontifices sicher schon die ein oder andere Baumaßnahme mit anderen Architekten im Laufe der Zeit durchgeführt hatten.

  • "Das werden wir berücksichtigen."


    antwortete Durus, obwohl er keine Ahnung hatte, wie kompliziert oder unkompliziert so etwas war - Lukios würde hoffentlich ein wenig dazu recherchieren...


    "Dann danke ich dir noch einmal für deine Dienste. Wir werden uns wieder bei dir melden."

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