Als Sermo und sein Sklave Issa endlich ihre Destination erreichten, waren bereits ganze vier Wochen vergangen. Nachdem sie Neptuns Zorn ganz knapp entgangen waren, hatten sie erst einmal vergeblich ein Schiff mit direktem Ziel Alexandria gesucht. Also musste Sermo einen Umweg über Carthago in Kauf nehmen, was ihn schließlich zwei weitere Tage Verzögerung kostete, denn dort mussten sie für Issas vermaledeite Knochenbrüche erneut einen Medicus aufsuchen, der Nachuntersuchungen anstellte und weitere teure Salben verschrieb. Hinzu kamen weitere Unwetter, weshalb die meisten Schissbuxen, die sich Kapitän eines Schiffes schimpften, nicht sonderlich bereitwillig auslaufen wollten. Letztendlich hatte sich ein wagemutiger Mann gefunden, der einen durchaus zahlungswillige Eques Imperii und seinen kaputten Sklaven befördern würde und so stachen sie - Sermo erleichtert über den Weitergang der Reise und Issa wieder einmal heillos brechend und röchelnd - in See. Ihr Ziel lautete: Alexandria.
Als der Pharos in Sicht kam, konnte Sermo sein Staunen nicht verbergen. Es war zwar später Vormittag, dennoch ging ein weit sichtbares Strahlen von dem Leuchtturm aus, das jedem Seefahrer Wegweiser zu diesem Weltwunder war. Issa keuchte beeindruckt neben seinem Herrn und selbst die Seeleute kamen allesamt an Deck, um diesen Anblick nicht zu verpassen. Der Quintilius malte sich aus, wie großartig der Pharos wohl bei Nacht aussehen musste. Der Wind pfiff ihnen kräftig um die Ohren und die Wellen brachen sich geräuschvoll an den Ufern der Insel und den Kaimauern, als das Schiff in den Hafen einlief. Möwen kreisten schwarmweise über den Köpfen der Mannschaft und veranstalteten dabei einen ohrenbetäubenden Begrüßungslärm, der nicht sonderlich einladend daherkam.
Wesentlich angenehmer war der Anblick, der sich den Männern bot, als sie die gefährlichen Riffe in der Hafeneinfahrt umschifften und langsam den Stellplätzen entgegenschipperten. Der Pharos ragte nun höchst imposant in den Himmel, so dass sie ihre Köpfe in den Nacken legen mussten, um seine Spitze begaffen zu können. Auch die hünenhaften Regentenstatuen, die ptolemäische Königspaare, deren Namen Sermo freilich nicht kannte, sich hatten errichten lassen, begrüßten die Reisenden mit ihrem bemerkenswerten Aussehen.
Schließlich fand das Schiff sich im Hafenbecken selbst wieder, im Kibotos - "Kasten" - genannten Quadrat, das erstaunlich gigantisch war. Selbst der ostiensische Hafen war ein Witz gegen dieses Wunderwerk der Hafentechnik, wie Sermo fand. Der Kibotos wimmelte von Schiffen aller Arten und es wirkte auf Sermo wie ein riesiges unkontrollierbares Monstrum, das hier vor seinen Augen lag. Überall flitzten kleine Fischerboote neben den vielzähligen Lotsenschiffen an den Handels- und Getreideschiffen vorbei. Während Sermo und Issa weiter gebannt das Getümmel begafften, wurde ihr eigenes Schiff bereits von einem Lotsen an einen freien Stellplatz geleitet.
Als sie dann von Bord gehen wollten, kam das nächste große Staunen. Sermo war natürlich nicht auf das Einreiseprozedere vorbereitet gewesen. Soldaten betraten das Schiff und kontrollierten die Warenladung, dann wurden sämtliche Gastpassagiere - was in diesem Fall nur Sermo und Issa waren - mit zur Hafenkommandantur genommen. Dort wurden ihre Personalien aufgenommen, was aber schnell vonstatten ging, als Sermo angab, Ritter zu sein und quasi nur seinen Sklaven mit sich zu führen. So standen sie bald wieder 'auf freiem Fuß' auf der Straße und waren überwältigt vom Lebenspuls Alexandrias.
Es war beinahe wie Rom. Überall waren Bettler, Scharlatane, Tagelöhner, Huren, Lausbuben, Soldaten, ehrliche Arbeiter, Kaufleute, Schundmarketender und lauter anderes Volk, das in sämtlichen Sermo bekannten und unbekannten Sprachen des Imperium Romanum durcheinander plärrten. Es war beinahe ohrenbetäubender als das Gekreisch der Möwen und fast wünschten sich die frisch Angekommenen zurück auf das Schiff, von dem sie gerade erst heruntergestiegen waren.
Es dauerte seine Zeit, bis sie sich aus dem Gedränge am Megas Limen herausgekämpft hatten und sich im Gedränge der Agora wiederfanden.
"Scheiße, Issa. Wir sind hier völlig falsch. Siehst du eine Sänftenvermietung?!"
Eine solche war bald gefunden und der Quintilius fand sich in einem halbwegs bequemen Gefährt wieder, das von zwei kräftigen dunkelhäutigen Männern hochgehoben wurde.
"Zum...wie heißt das östliche Stadttor?" fragte der Passagier seine Träger auf griechisch, die daraufhin das Ziel erkannten und losmarschierten. Griechisch war in diesem Teil der Welt quasi Landessprache, also die Koiné, die im Osten des Reiches häufiger als Latein gesprochen wurde.
"Porta Solis," merkte Issa an, der sich mit einer Krücke zwecks des immer noch leicht mitgenommenen Fußes durch das Gewühl quälen musste und darüber nicht sonderlich glücklich war...