Wieder einmal war Durus recht nervös - er tat etwas, dessen er sich nicht ganz sicher war. Einerseits wusste er, dass dies der risikoloseste Weg war, dass so am wenigsten Menschen zu Schaden kommen würden. Aber dennoch - es war heimtückisch und mit Betrug verbunden. Diese Dinge verabscheute ein aufrechter Römer üblicherweise. Iunius Brutus hatte Tarquinius Superbus gewaltsam aus der Stadt gejagt, sein Nachfahre hatte Caesar erdolcht und auch die Praetorianer hatten Caligula und Nero ebenfalls offen getötet. Zwar erzählte man, dass der göttliche Augustus selbst einem Giftmord zum Opfer gefallen war, doch war die intrigante Livia war nun nicht gerade das strahlendste Bild der Virtus. Glücklicherweise wurde Rom heute allerdings von einem seiner zahllosen Winterregenfälle heimgesucht, sodass man die Schweißperlen auf der Stirn des Tiberiers hoffentlich als Regentropfen deutete.
Und letztlich musste es so sein - auch ehrenwerte Männer wie die Flavii und Vinicii hatten den Plan gutgeheißen. Außerdem war bereits alles geregelt: Unter der Toga des Alten verbarg sich - zusammengerollt und gesiegelt - ein gefälschtes Testament. Es war nicht sehr schwierig gewesen, einen Originalbrief des Kaisers aufzutreiben, ebenso eine Probe des kaiserlichen Siegels. Und den komplizierten Teil der Fälschung hatte Stertinius Laevus übernommen: Mit beängstigender Behändigkeit hatte er nach wenigen Schriftübungen einen Text aufgesetzt, dessen Schriftführung der ungelenken Soldatenklaue des Kaisers zum Verwechseln ähnlich sah. Und ebenso hatte er gewusst, auf welche Weise das Siegel am leichtesten abzulösen und auf das neue Schreiben aufzubringen war, womit eine täuschend echt wirkende, günstige Version des letzten Willens von Valerianus entstanden war.
Somit blieb es nun nur noch übrig, die Testamente auszutauschen. Und dafür hatte Durus bereits vor einiger Zeit eine Inspektion des Atrium Vestae angeordnet.
Dementsprechend standen die Vestalinnen nun bereit, dem Stellvertreters ihres spirituellen Vaters Rede und Antwort zu stehen. Der Tiberier ließ sich aus dem Mantel helfen, der ihm und seiner Toga Praetexta vor dem strömenden Regen Schutz geboten hatte, dann wandte er sich an die Vestalis Maxima.
"Salve, Pomponia. Wie ich sehe, hast du dich gut vorbereitet."
Die strahlend weißen Gewänder der Leibsklavinnen, die in der zweiten Reihe standen, deuteten zumindest an, dass man alle neu eingekleidet hatte.