Es waren einige Monate vergangen, in denen sich Arvinia komplett der Öffentlichkeit - den Spielen, den wichtigen politischen cenae ihres Cousins, den Treffen befreundeter oder bekannter Frauen und sogar den Festtagen - verborgen hielt. Noch nicht einmal Cubiculum hatte sie aus anderen Gründen als Hygiene, Hunger und Durst verlassen.
Ihre Familie? Sie hatte das akzeptiert, zumindest diejenigen, die sie kannten oder besser noch: die sie noch kannte. Es war viel passiert und man konnte zweifelsohne behaupten, dass sie einige neue Mitglieder unter dem Dach dieser Villa nicht einmal kannte.
Arvinia hatte kein leichtes Los gezogen. Erst wurde sie von dem Mann enttäuscht, dem einst ihr kindliches Herz gehörte. Voller verblümter Gedanken hielt sie an der Liebe zu diesem Aurelius Orestes fest, beflügelt durch das Glück und die Überzeugung Iuno selbst hätte sie mit ihm zusammen geführt. Ihre mädchenhafte Welt zerbrach, als sich Orestes von ihr abgewandt hatte und sich davon zu erholen, war weder leicht für sie, noch verflog die Zeit im Eilflug.
Als junge Frau fasste sie neue Kraft, hatte aber viel von ihrer Warmherzigkeit und ihrer Fröhlichkeit verloren. Sie fügte sich ihrem Schicksal und bot sich ihrem geliebten Cousin Manius als Option an, ein weiteres ehrbares Haus mit dem ihren zu verbinden.
Es sollte der Klient ihres Cousins sein, Claudius Lepidus. Ein erfolgreicher Mann, der obendrein sogar noch recht ansehnlich war, stimmte sie zufrieden, es hätte sie viel schlimmer treffen können. Das sich dieser Gedanke später bewahrheitete, hätte sie nie im Leben Gedacht. Es verlief im Sande, es kam keine Hochzeit zu stande.
Oh, wie sich die Gesellschaft Roms über sie lustig machen musste. Der Tratsch und Klatsch war nicht zu bändigen, er ist nahezu unbesiegbar. Wer seine Weste beflecken ließ, hatte kaum den Hauch einer Chance, sie wieder reinzuwaschen. Politiker oder Heerführer vielleicht, sie konnten durch Taten sprechen. Doch durch was sollte Arvinia, eine mittlerweile gar nicht mehr so junge Frau im Alter von 22, sprechen?
Sie entging der Schmach und zog sich auf ihr Cubiculum zurück, aber nicht, um die Wunden durch die Zeit heilen zu lassen. Viel mehr, um in Selbstmitleid und Melancholie zu versinken.
Heute war der erste Tag nach ganzen vier Monaten, an dem sie ihr Cubiculum für längere Zeit verlassen hatte und in den Garten ging. Es hatte sich nicht viel verändert. Ein paar Blumen und Sträucher waren ausgetauscht, ein paar neue Gesichter und er den Sklaven konnte sie festmachen, aber die steinerne Bank, auf der sie gerne gesessen hatte, hatte sich nicht vom Fleck bewegt, sie setzte sich. Mit ihren Handflächen strich sie über die Oberfläche und schloss ihre Augen. Es war wie früher, nur ein paar Risse zierten die Bank. Würde es ebenso außerhalb dieser Mauern so sein?
Arvinia reckte ihr Gesicht zur Sonne. Ein sonniger, aber dennoch kalter Tag im Winter Roms. Winter? Es war schon Winter? Sie hatte sich viel zu lang in ihrem Cubiculum versteckt. Ob sie es bereute, weil sie eine Frau von Stand, Stolz und Schönheit war? Nein.. sie brauchte diese Zeit.. ob sie ihr gut tat? Eine Frage, die sie selbst nicht beantworten konnte.
Ihr Wesen würde sich verändert haben, verbissener, stolzerfüllter, gehässiger würde sie sein. Konnte man ihr das verübeln? Was war bloß aus dem einst jungen, warmherzigen und strahlendem Mädchen geworden, dass sie früher jeden Tag im Spiegel sehen konnte. Ein Spiegelbild, was nach all den Jahren vollends verblasst war.
Sie hielt ihre Augen geschlossen und lauschte dem Wind. Bis auf ein paar Sklaven, die den Garten pflegten und die Wege am Innenhof kehrten, hörte sie gar nichts. Kein Vogel, keiner redete, nur der Wind tanzte in ihrem lockigen Haar.
Es schien keiner zu Hause zu sein..