http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/12.jpg Sie waren lange unterwegs gewesen, viel zu lange für Scipios Geschmack. Anfangs ging alles recht zügig. Sie hatten die Beute schnell fortgebracht, gut getarnt und in kleinen Gruppen. Die Trottel, die sie in den ersten Tagen verfolgt hatten, waren ihnen nicht auf die Schliche gekommen. Immerhin hatten sie das Geld gut getarnt auf ihren Karren, derer zwei über die gut gepflasterte Militärstraße holperten. In der ersten Woche ihrer Flucht waren die Gauner nicht einmal sonderlich weit unterwegs gewesen. Sie hatten schnell zwischenstation auf der Villa Rustica eines guten Freundes ihres Anführers gemacht, wo sie die Beute versteckt und wie normale Bauern gearbeitet hatten. Niemand hatte Verdacht geschöpft. So hatten sie eine ganze Woche lang ausgeharrt, bis sie es nicht mehr erwarten konnten, wieder loszuziehen.
Insgesamt waren sie vier Männer. Da waren Silus, Paulinus und er selbst, Scipio. Sie waren die Arbeitstiere, wenn man so wollte. Sie hatten den Einbruch durchgeführt und auch die meiste Last zu schleppen gehabt beim Entwenden der Beute. Und dann war da Philonicus, der Kopf der Bande. Er hatte sie angeheuert und dachte für sie alle mit, denn er war ein viel klügerer Mann als sie alle drei zusammen. Das wusste Scipio. Er betrachtete ihren Anführer heimlich, während die Ochsenkarren über die Straße dahinrumpelten. Er saß zusammen mit Philonicus auf dem Kutschbock des ersten Wagens, hinter ihnen polterten Silus und Paulinus über die Straße. Sie waren jetzt irgendwo kurz vor der Grenze nach Gallia Lugdunensis. Vor ihnen war bereits der Rhodanus erkennbar. Der Wind pfiff mittlerweile eisig über die Landschaft und kündete vom harten germanischen Winter. Sie hatten ewig gebraucht, um die Provinz zu durchqueren, hatten in Augusta Raurica einen beinahe anderthalbwöchigen Stopp gemacht. Philonicus hatte hier und dort Dinge zu erledigen gehabt, vielleicht musste er gleich Gläubiger mit der frischen Beute auszahlen? Scipio wusste es nicht. Was er wusste war, dass sein Anteil nicht angerührt worden war, so viel war sicher.
Sie kamen dem Fluss näher und nun kam auch langsam eine Brücke in Sicht, die ihr Ziel war. Nur wenige Stunden, dann würden sie die Provinzgrenze überschreiten. Wie erwartet gab es an der Brücke auch eine Kontrollstation, wo sich bereits ein paar Männer bereitmachten, als die Karren in Sichtweite kamen. Scipio war zuversichtlich. Sie hatten schon viele Kontrollpunkte passiert, waren sogar häufig durchsucht worden. Doch jedesmal waren sie mit der gleichen Masche davongekommen. Es war der reine Wahnsinn, wie einfach die Beneficarii auszutricksen waren. Ein Wunder eigentlich, dass nicht viel mehr Leute stehlend und raubend auf den Straßen unterwegs waren. Oder waren die einfach alle zu blöd?
http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/16.jpg Optio Cnaeus Munatius Verax hatte seine kleine Truppe bereits aufgescheucht, als die Ochsenkarren langsam auf die Straßensperre zugetrottet kamen. Ein Schlagbaum versperrte den Weg und so hielten die schwerfälligen Tiere ganz von sich aus an, als sie ihn erreicht hatten. "Salvete Fremde," grüßte Verax die Kutscher. "Ich bin Optio Cnaeus Munatius Verax. Mir untersteht dieser Kontrollposten."
"Sei mir gegrüßt Optio," adressierte Philonicus den Mann. "Es zieht ganz gut heute, was?" Er versuchte ein bisschen Konversation zu betreiben, vielleicht lenkte das ja ab.
"Ist windiger geworden, allerdings. Und kälter." Der Optio ging nicht besonders ausgiebig darauf ein, sondern ging lieber zügig zum üblichen Ablauf der Kontrolle über. "Wo kommt ihr her, was habt ihr geladen und wo wollt ihr hin?" fragte er daher in befehlsgewohntem Ton und gab zwei seiner Männer einen Wink, woraufhin diese sich bereits zum zweiten Karren hin bewegten.
"Getreide, Optio. Wir kommen von einer Villa Rustica östlich von Augusta Raurica und wollen nach Cabillonum." Philonicus zwinkerte dem Optio zu, als er verschwörerisch hinzufügte: "Ich hab' da einen Abnehmer, der mir einen guten Preis bezahlt. Ist ja auch gutes Getreide."
Verax gab sich unbeeindruckt. "In Ordnung. Wir schauen trotzdem mal rein." Das war das Zeichen, das seine Männer erwartet hatten. Optio Verax war immer noch auf der Hut. Vielleicht war er übervorsichtig, aber auch im Landesinneren, also weit ab vom Limes, kontrollierte er lieber gründlich, als hinterher einen auf den Deckel zu bekommen. Die Beneficarii, es waren jetzt insgesamt sechs an der Zahl, postierten sich rings um die Ochsenkarren und Philonicus brauchte nicht einmal ein Zeichen zu geben, so schnell war Scipio bereits vom Wagen gesprungen und nach hinten gegangen, um dort wieder aufzusteigen und einen Sack herunterzuwuchten.
"Aufmachen!" kommandierte einer der Milites, der zu Scipio herangetreten war. Er löste das Seil, das den Sack zusammenhielt und zeigte dem Beneficarius die Körner, die den Sack füllten. "Hm, ist gut." Damit gab sich der Optio zufrieden. Was sollte er hier auch Bauersleut bis auf die Unterkleiner durchsuchen? Am zweiten Wagen hatte Paulinus ebenfalls einen Getreidesack heruntergeholt und geöffnet.
"Hoch damit, lasst sie durch!" brüllte Optio Verax bereits den Männern zu, die am Schlagbaum standen. Der wurde geöffnet und Scipio wuchtete den Getreidesack wieder auf den Wagen hinauf und verstaute ihn ordentlich. Dann sprang er vorn wieder auf und setzte den Karren in Bewegung. Ein knapper Blick nach hinten zeigte ihm, dass Paulinus gerade dabei war, seinerseits den Getreidesack auf den Karren zurückzupacken. Ohne Sorge wandte Scipio sich wieder nach vorn und winkte den Beneficarii freundlich zum Abschied, während sich die Ochsen gemächlich in Gang setzten. "Wiedersehen, Freunde!" meinte er noch.
Dann geschah das Unglück...