Unruhig wie ein Tiger im Käfig betrat Sextus das Atrium des Hauses. Er war noch im Collegium Haruspicium gewesen, als die Nachricht hereinkam, dass die Versammlung aufzulösen sei und der Notstand über die Stadt verhängt worden war. Während seine Mitharuspices empört aufgesprungen waren, auf den sakrosanten Zustand dieser Versammlung und die Bedeutung für die Res Publica hinwiesen und ihrem Ärger über diesen gewaltsamen Einbruch in ihre heiligen Riten lautstark Luft machten, war der Aurelier ganz still geworden. Natürlich schlug er in Gedanken sofort den Bogen zu dem Plan, den sein Patron geschmiedet hatte und der demnächst zur Ausführung kommen sollte. Allerdings hatte Sextus stark angenommen, zuvor von dem Tiberier noch informiert zu werden, so dass er ebenso wie alle anderen noch die nötigen Vorkehrungen zum politischen Umsturz treffen konnten. Und im Grunde gab es es nur zwei Möglichkeiten, warum dies nicht so eingetroffen war: Entweder die Abneigung seines Patrons gegen ihn ging tiefer als erwartet und dieser hatte absichtlich seinen Klienten im Ungewissen gelassen, um diesen in den Wirren des Umsturzes abzuschlagen und somit von der sonnigen Seite des Folgenden auszuschließen – oder aber es war nicht nach Plan gelaufen, sie waren aufgeflogen oder sonstwie hatte der Plan nicht funktioniert, Salinator war ihnen zuvor gekommen und Tiberius Durus hatte sie folglich nicht informieren können. Und so sehr Sextus von der Abneigung des Tiberiers gegen seine Person überzeugt war, so erschien ihm doch die zweite Möglichkeit als durchaus logischer.
“DU! Such die Amme. Sag ihr, sie soll ihre Sachen und die meines Sohnes packen. Nur das nötigste für eine Reise. Keine Truhen, nur Sackgepäck.“, wies er den ersten Sklaven harsch an.
Auf dem Weg nach Hause war es noch immanenter geworden. Überall waren Menschen unterwegs, versuchten, noch schnell Vorräte zu ergattern, noch schnell irgendwo hinzukommen, schnell den Cohortes Urbanae aus dem weg zu gehen. Hauptsache schnell. Angst lag über der Stadt schlimmer als der faulige Geruch der Million Einwohner und der Tibers im Hochsommer. Die Stadt erwartete Blut, und Sextus fürchtete, sie könnte Blut bekommen. Und noch mehr fürchtete er, dass es nicht das des Vesculariers sein würde.
“Und du, schaff meine Frau hierher, ich muss mit ihr reden“ folgte der nächste gebellte Befehl an den nächsten zusammenzuckenden Sklaven, der auch sofort abzischte.
Es waren sehr viele Truppen unterwegs gewesen. Und das beängstigendste daran waren vor allem, dass viele Schwarzröcke unterwegs waren. Eine Gruppe war direkt an ihm vorbei in Richtung des nächsten Stadttores geeilt. Unzweifelhaft, um darüber hinaus einem Auftrag nachzugehen. Dazu die immer wieder aufkeimenden Gerüchte vom Tod des Kaisers und der Machtergreifung des Vesculariers. Dinge, die nur zu wahr sein konnten.
Ein Sklave kam mit einem Tablett herbeigeeilt, auf dem ein Becher mit Wein stand. Unzweifelhaft die Mischung, die Sextus bevorzugte und üblicherweise trank. Mit einer harschen Bewegung schlug er so gegen das Tablett, dass dieses und der Silberkelch darauf scheppernd zu Boden fielen. Der rote Wein auf dem weißen Marmor erschien dem Haruspex wie ein unglücksverheißendes Omen. “Bring Posca. Weißen.“ Er musste einen klaren Kopf bewahren.