• Unruhig wie ein Tiger im Käfig betrat Sextus das Atrium des Hauses. Er war noch im Collegium Haruspicium gewesen, als die Nachricht hereinkam, dass die Versammlung aufzulösen sei und der Notstand über die Stadt verhängt worden war. Während seine Mitharuspices empört aufgesprungen waren, auf den sakrosanten Zustand dieser Versammlung und die Bedeutung für die Res Publica hinwiesen und ihrem Ärger über diesen gewaltsamen Einbruch in ihre heiligen Riten lautstark Luft machten, war der Aurelier ganz still geworden. Natürlich schlug er in Gedanken sofort den Bogen zu dem Plan, den sein Patron geschmiedet hatte und der demnächst zur Ausführung kommen sollte. Allerdings hatte Sextus stark angenommen, zuvor von dem Tiberier noch informiert zu werden, so dass er ebenso wie alle anderen noch die nötigen Vorkehrungen zum politischen Umsturz treffen konnten. Und im Grunde gab es es nur zwei Möglichkeiten, warum dies nicht so eingetroffen war: Entweder die Abneigung seines Patrons gegen ihn ging tiefer als erwartet und dieser hatte absichtlich seinen Klienten im Ungewissen gelassen, um diesen in den Wirren des Umsturzes abzuschlagen und somit von der sonnigen Seite des Folgenden auszuschließen – oder aber es war nicht nach Plan gelaufen, sie waren aufgeflogen oder sonstwie hatte der Plan nicht funktioniert, Salinator war ihnen zuvor gekommen und Tiberius Durus hatte sie folglich nicht informieren können. Und so sehr Sextus von der Abneigung des Tiberiers gegen seine Person überzeugt war, so erschien ihm doch die zweite Möglichkeit als durchaus logischer.


    “DU! Such die Amme. Sag ihr, sie soll ihre Sachen und die meines Sohnes packen. Nur das nötigste für eine Reise. Keine Truhen, nur Sackgepäck.“, wies er den ersten Sklaven harsch an.
    Auf dem Weg nach Hause war es noch immanenter geworden. Überall waren Menschen unterwegs, versuchten, noch schnell Vorräte zu ergattern, noch schnell irgendwo hinzukommen, schnell den Cohortes Urbanae aus dem weg zu gehen. Hauptsache schnell. Angst lag über der Stadt schlimmer als der faulige Geruch der Million Einwohner und der Tibers im Hochsommer. Die Stadt erwartete Blut, und Sextus fürchtete, sie könnte Blut bekommen. Und noch mehr fürchtete er, dass es nicht das des Vesculariers sein würde.


    “Und du, schaff meine Frau hierher, ich muss mit ihr reden“ folgte der nächste gebellte Befehl an den nächsten zusammenzuckenden Sklaven, der auch sofort abzischte.
    Es waren sehr viele Truppen unterwegs gewesen. Und das beängstigendste daran waren vor allem, dass viele Schwarzröcke unterwegs waren. Eine Gruppe war direkt an ihm vorbei in Richtung des nächsten Stadttores geeilt. Unzweifelhaft, um darüber hinaus einem Auftrag nachzugehen. Dazu die immer wieder aufkeimenden Gerüchte vom Tod des Kaisers und der Machtergreifung des Vesculariers. Dinge, die nur zu wahr sein konnten.


    Ein Sklave kam mit einem Tablett herbeigeeilt, auf dem ein Becher mit Wein stand. Unzweifelhaft die Mischung, die Sextus bevorzugte und üblicherweise trank. Mit einer harschen Bewegung schlug er so gegen das Tablett, dass dieses und der Silberkelch darauf scheppernd zu Boden fielen. Der rote Wein auf dem weißen Marmor erschien dem Haruspex wie ein unglücksverheißendes Omen. “Bring Posca. Weißen.“ Er musste einen klaren Kopf bewahren.

  • Nigrina war übel. Konnte das wirklich sein? War ihr in dieser Schwangerschaft tatsächlich mehr und länger übel als in der letzten – oder war das nur Einbildung? Sie konnte sich nicht so recht entscheiden, aber im Grunde war es auch egal. Es war nun mal so... und die Sklaven waren die Hauptleidtragenden.
    Wenigstens hatte Sextus sie diesmal nicht so bescheuert zur Rede stellen können wie bei der ersten Schwangerschaft, denn diesmal hatte sie nicht so lange gewartet, bis irgendwer hatte petzen können. Sie hatte ihm schon vor ein paar Wochen gesagt, dass sie wohl wieder ein Kind erwartete, gleich nachdem sie die Hebamme hatte kommen lassen und die ihr gesagt hatte, dass ihr Verdacht wohl richtig war. Und: für diesen Tag schien die Übelkeit auch vorbei zu sein. Oder wenigstens für den Moment. Und in diesen Wochen lebte Nigrina quasi nur von Tag zu Tag... oder von Moment zu übelkeitsfreiem Moment. Die, die sie hatte, musste sie genießen – ohne an den nächsten Moment, den nächsten Tag zu denken, weil ihr das nur komplett die Laune vermiesen würde.


    Entsprechend war sie gerade also recht gut gelaunt und genoss es, dass es ihr zur Abwechslung gut ging. Jeglicher Versuch der Sklaven, mit ihr zu sprechen, hatte sie abgeblockt. Sie wollte einfach nichts hören jetzt, nichts, was ihr die Stimmung verderben könnte, und Nigrina war gut darin auszuklammern, was sie nicht hören wollte. Vor allem wenn es von irgendwelchen Sklaven kam. Als allerdings dann einer wie ein aufgeschrecktes Huhn hereinplatzte und stammelnd – und bevor sie ihn zurecht weisen konnte – ausstieß, dass ihr Mann sie gleichsofortganzfurchtbardringend im Atrium sehen wollte, wurde sie dann doch ein wenig... nun ja. Wachsam. Ohne dem Sklaven zu antworten stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Atrium – wo Sextus tatsächlich auf sie wartete. Und... unruhig wirkte. Sie kannte ihren Mann. Irgendwas war ganz und gar nicht in Ordnung, nicht, wenn sie ihm anmerken konnte, dass er unruhig war. Zum ersten Mal schwante ihr, dass sie den Sklaven zuvor vielleicht doch hätte zuhören sollen... aber das ließ sich nicht ändern. Wichtig war nur, sich vor ihrem Mann nicht ahnungslos zu geben. Das rächte sich irgendwie immer, wenn der spitzbekam, dass sie nicht so gut informiert war wie sie vielleicht sein sollte. „Da bin ich“, sagte sie also schlicht und musterte ihn, aufmerksam, wachsam – und ebenfalls unruhig. Wie schon gesagt: wenn man ihrem Mann anmerken konnte, das etwas nicht in Ordnung war, dann musste schon irgendwas wirklich Wichtiges los sein... und deshalb wirkte seine Unruhe auf sie ziemlich ansteckend.

  • Der Posca kam, und kurz darauf seine Frau. Sextus nahm gerade noch einen Zug von der bitteren Flüssigkeit, um seine Gedanken etwas zu ordnen, als er ihre Stimme hörte. “Setz dich“, blickte er sie an und bemerkte erst danach den etwas angespannten Tonfall in seiner Stimme. Mit einem “Bitte.“ nahm er noch etwas Härte aus der Aufforderung und wies auf eine der gepolsterten Bänke am Impluvium. Allerdings vermochten die kurzen Worte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eigentlich keine Bitte, sondern eine dringliche Aufforderung war. Und er wusste, dass Nigrina das ihm auch anmerkte, und er hoffte einfach, dass sie die Urgenz der Situation erfasste und nun nicht einen ihrer kindlichen Anfälle voller gespielter Echauffierung hatte, den sie mal mehr und mal weniger gut unterdrückte. Diese Schwangerschaft machte sie wieder etwas unberechenbarer. Frauen wurden seltsam, je länger sie schwanger waren.


    Er nahm unterdessen noch einen weiteren Schluck und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Er hatte gehofft, solcherlei Gespräche nicht führen zu müssen in seiner Ehe. Er erklärte seine Gedankengänge nur ungern, klang es für ihn doch wie eine paraphrasierte Wiederholung einer Sache, die schon einem Beschluss unterlag. Noch weniger gern diskutierte er über selbige, und seine Frau hatte wie alle Frauen die Angewohnheit, auf Dinge zu antworten, die keine Frage beinhalteten oder die Abgabe einer Meinung erforderten. Und auch hierbei wollte er weder ihre Meinungen noch ihre Rückfragen, die zweifellos kommen würden, wenn er sie erst aufgeklärt hatte. Und dennoch war es unabdingbar.
    Nicht, weil er sich übermäßig um Nigrina Gedanken machte, um ihr Überleben oder ihre Zukunft. Nicht, weil er sie plötzlich in kindischer Agonie zu lieben angefangen hatte und den Gedanken an ihren Tod unerträglich gefunden hätte. Nicht einmal, weil ihre Ehe nach wie vor wichtig für ihn war, um seine Verbindung zu den Flaviern möglichst eng zu halten. All das waren Dinge, die er leichthin vernachlässigen hätte können. Selbst, dass sie die Mutter seines Sohnes war und mit dem Segen der Götter einen selben gleicher Bauart in sich trug. Man konnte ja noch mehr von der Sorte machen.
    Aber so moralisch flexibel Sextus auch war, so erkannte er doch die Verpflichtung an, die er bei Schließung dieser Ehe eingegangen war. Nigrina hatte zumindest verdient, zu erfahren, wofür sie vermutlich sterben würde. Sie hatte es sich durch viele kleine Dienste, die sie ihm erbracht hatte, verdient, zu wissen, warum sie auf Luxus und Annehmlichkeiten verzichten musste, so dass sie es verstehen konnte. Nicht mehr und nicht weniger. Für Sextus hatte das weder etwas mit Moral, noch mit Ehre und erst recht nichts mit Liebe zu tun, sondern war nur logische Konsequenz, um spätere Komplikationen von vornherein auszuräumen.


    “In der Stadt wurde der Notstand ausgerufen. Der Kaiser ist tot und der Vescularius versucht, die Kontrolle über die Stadt zu sichern.“ Das war schon einmal die erste Nachricht, die Nigrina zu verdauen hatte. Seine Frau war nicht blöde, sie wusste, was bei einem längeren Notstand passierte. Das, was immer passierte: Irgendjemand nutzte die Situation zu Plünderung, Mord und Gewalt. In diesem Fall am ehesten derjenige, der den Notstand verhängt hatte. Weshalb es das Haus mit Bewaffneten zu sichern galt und sich auf alles gefasst zu machen.
    Gerade, als er die Andeutung einer Frage in den Augen seiner Frau aufblitzen sah, fuhr er auch schon fort, wenngleich erst einmal nicht an sie gewandt. “Ihr da. Wenn ihr schon nicht so unauffällig wie Pflanzen seid, dann müsst ihr hier auch nicht festwurzeln. Raus hier und sichert das Haus, geht die Vorräte durch... der Maiordomus wird euch anweisen“, scheuchte er die Sklaven fort. Vom folgenden wussten sie so wenig wie Nigrina, und DAS wiederum war etwas, das er so beizubehalten gedachte. Um DEREN Überleben oder ihre Chancen oder seine Verpflichtungen ihnen gegenüber scherte sich Sextus nämlich nicht einmal ansatzweise. Der Gedanke allein war abstrus. Sollte der Praefectus Urbis sie ruhig alle foltern und töten, wenn es ihn glücklich machte. Nur erfahren würde er von ihnen nichts. Die Geldverschwendung, passenden Ersatz zu finden, war natürlich ärgerlich, aber sonst...?


    Nachdem die Sklaven also das weite gesucht hatten, fuhr er fort. “Da ist noch mehr“, fing er ominös an und wartete diesen dramatischen Moment lang, in dem Nigrina sich ihre eigenen Vorstellungen machen konnte und doch nicht darauf kommen würde. Wer konnte solches schon ahnen?
    “Ich habe die Amme angewiesen, Sachen zu packen für sich und Lucius. Ich werde sie noch heute Nacht mit ihm nach Tarquinia schicken zu der Familie meines früheren Lehrers. Dort ist er in Sicherheit und kann, wenn die Zeit kommt, die Ausbildung zum Haruspex beginnen.“ Was in mehreren Jahren soweit sein würde. Eine Tatsache, die wohl den Umfang dieser Flucht noch zu unterstreichen vermochte.
    “Es könnte sein, dass seine Abwesenheit von Rom für lange Zeit notwendig sein wird. Denn der Tod des Kaisers hat höchstwahrscheinlich seine Ursache im Handeln meines Patrons, dem Mann meiner Cousine Tiberius. Und dem deines Vetters Gracchus. Und meinem. Und Avianus, Ursus, Flavius Flaccus, die Vinicii...“ Und wenn sie nicht ganz auf den Kopf gefallen war, was Sextus bislang zu glauben nicht nötig hatte, sollte es jetzt 'klick' gemacht haben. “Auch wenn dieses anders geplant war. Mit deutlich mehr Kontrolle und wesentlich besserer Machtverteilung. Im Grunde hätte Vescularius nichts mitbekommen sollen, bis eine scharfe Klinge an seiner Kehle ihn von seiner Niederlage in Kenntnis gesetzt hätte. Ich weiß nicht, was schief gelaufen ist, aber dies ist die Situation. Weshalb ich auch wünsche, dass auch du die Stadt verlässt. Ich bin mir sicher, die Cilnii würden auch dir ihr Heim anbieten, wenn du dich Lucius anschließen möchtest.“ Soweit erst einmal die Nachrichten. Erst jetzt gab er ihr die Gelegenheit, zu irgendwas die wohl unvermeidlichen Rückfragen zu stellen.

  • Nigrina gefiel nicht, wie ihr Mann auf sie wirkte. Sein Tonfall gefiel ihr noch weniger... aber wo sie ihm sonst wenigstens einen scharfen Blick zugeworfen hätte, wirkte es für den Moment eher... noch beunruhigender. Sextus machte nie etwas ohne Grund. Nie. Auch nicht einen solchen Ton ihr gegenüber anschlagen. Natürlich gefiel ihr das deswegen keinen Deut besser, aber das Wissen darum, dass er nichts ohne Grund tat, oder jedenfalls ohne etwas, was er für einen Grund hielt, half ihr mittlerweile, sich zu beherrschen. Meistens.
    Sie kam also langsam näher, und dann geschah etwas, was ihre Unruhe noch steigerte: er fügte ein Bitte hinzu. Im Nachhinein. Das war... das klang so, als sei ihm diesmal der harte Ton tatsächlich einfach so passiert, und das war, angesichts eben jener nichts-ohne-Grund-Angewohnheit, nicht mehr einfach nur beunruhigend – es war alarmierend. „Was ist los?“ fragte sie, während sie sich setzte, aber ihr Mann ließ sich noch ein wenig Zeit, trank einen Schluck... bevor er dann schließlich das Wort ergriff. Und als Nigrina hörte, was er zu sagen hatte, da war sie... fassungslos. Notstand. Weil der Kaiser tot war. Das hieß Randale in den Straßen. Wütender Mob. Kein normales Leben mehr möglich, nicht auf absehbare Zeit. Fragen brannten ihr auf den Lippen, aber keine davon war wirklich vollständig, und so sprach sie keine davon aus. Sextus hätte ohnehin nicht positiv darauf reagiert, das hatte er noch nie, wenn sie ihn unterbrach, und im Moment... wenn sie einfach herum stotterte... Sextus allerdings schickte erst mal die Sklaven fort, und währenddessen atmete sie tief ein. In Ordnung. Kaiser tot. Notstand verhängt. Das war alles... das war kein Weltuntergang. Sie würden da irgendwie durch kommen, Sextus hatte sicher einen Plan, was sie als nächstes tun sollten. Sextus hatte immer einen Plan. Darauf hatte sie sich bisher noch stets verlassen können, darin war er ihrem Vater so herrlich ähnlich.


    Gerade als sie jedoch glaubte, dass er sie über seinen Plan für die nächsten Tage und Wochen in Kenntnis setzen wollte, um ihn anschließend – wie üblich ohne sie überhaupt erst zu fragen – in die Tat umzusetzen, hörte sie diese vier kleinen Worte, die in dieser Situation, mit der gerade erst verkündeten Neuigkeit, unglaublich bedrohlich klangen: da ist noch mehr. Und Nigrina wurde kalt. Mehr. Mehr? Mehr als: der Kaiser ist tot, der Notstand wurde ausgerufen, der Vescularius reißt die Kontrolle an sich? Das allein war doch schon übel genug, und ihr Mann kam mit noch mehr an? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Konnte es einfach nicht.
    Tat es auch nicht. Und jetzt war Nigrina... wenn sie zuvor fassungslos gewesen war, dann gab es wohl kein Wort, das hätte beschreiben, was sie jetzt empfand. Ihre Gedanken rasten, und trotzdem fühlte sich ihr Kopf seltsam... leer an, weil sie keinen einzigen davon zu fassen imstande war. Während Sextus sprach und noch für Momente danach war es schlichtweg zu viel, was er ihr da präsentierte. Und dabei fing es nach dieser unheilschwangeren Einleitung ja noch so harmlos an: nämlich in der Tat mit einem Plan. Ihren Sohn wollte er nach Tarquinia schicken. Wunderbar. Das war völlig zweitrangig, irgendwann wäre der Fratz sowieso fortgeschickt worden, und es war ja nur vernünftig, ihn in der augenblicklichen Lage aus Rom fortzuschaffen. Wenn Nigrina ehrlich war, war sie selbst auch nicht unbedingt scharf darauf, hier zu bleiben, aber das wiederum war Sextus' Entscheidung. So eigensinnig Nigrina sonst manchmal auch war – in wichtigen Dingen stand für sie überhaupt nicht zur Debatte, wer das Sagen hatte.
    Aber was dann kam, war kein Plan mehr. Das war ein Geständnis... der übelsten Sorte. Und Nigrina saß da und starrte ihren Mann erst mal nur mit offenem Mund an. Und einem Kopf, in dem es tobte. Verschwörung. Er sprach von einer Verschwörung. Um den Kaiser zu ermorden. In der er die Finger drin gehabt hatte. Und sein Patron. Und IHR Vetter! Und noch einer ihrer Verwandten, und zwei weitere von seinen... An diesem Punkt konnte Nigrina nicht mehr. Es ging nicht. Sie brachte es nicht fertig, ruhig sitzen zu bleiben und sich das alles in aller Seelenruhe anzuhören, und so stand sie auf, gar nicht mal hektisch, im Gegenteil sogar äußerlich recht ruhig, und ging ein paar Schritte. Als sie stehen blieb, leicht seitlich zu ihrem Mann, stützte sie eine Hand an der Hüfte ab, während sie die andere gegen ihre Stirn presste. „Du... hast...“ Sie waren verloren. Allesamt. Sie eingeschlossen. Nigrina machte sich nichts vor – sie war die Frau eines und die Verwandte zweier Verräter. Wenn das herauskam, war ihr Schicksal genauso besiegelt wie das der Männer, die ihre Finger da im Spiel gehabt hatten. Und sie hatte noch nicht einmal etwas davon gewusst!


    An dieser Stelle versuchte Nigrina, die Raserei hinter ihrer Stirn irgendwie zu stoppen. Ein wenig Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Was gar nicht so einfach war... nicht bei dieser Ungeheuerlichkeit, die sie gerade eben erfahren hatte. Den Kaiser ermorden! Den Vescularius, ja, aber warum um alles in der Welt den Kaiser, das war doch... das war... das... war... genial, begriff sie, als weitere Worte schließlich zu ihrem bewussten Verstehen durchsickerten. Genial, wenn es so funktioniert hätte, wie ihr Mann angedeutet hatte. Bessere Machtverteilung, und eine Klinge an der Kehle des Fettsacks. Sie hatten ihm die Schuld in die Schuhe schieben wollen, und das hätte sogar funktionieren können, der Vescularius hatte sich immerhin Feinde genug gemacht. Es hätte sie mit einem Schlag von einem kränkelnden Kaiser befreit und von einem Homo novus, der schon viel zu lange die Geschicke Roms in seiner Hand hielt. Götter... warum hatte das schief gehen müssen? Sie wandte sich zu Sextus um und sah ihn an. „Du... sagst mir also grade, dass ihr den Kaiser umgebracht habt. Du. Gracchus. Flaccus“, fasste sie zusammen. „Und noch ein paar. Das... Ist das bekannt? Tauchen hier bald die Praetorianer auf?“ Sie war immer noch fassungslos, hatte immer noch das Gefühl, irgendwie neben sich zu stehen. Hatte das Gefühl, dass immer noch Chaos in ihrem Kopf herrschte. Sie musste Schritt für Schritt vorgehen, musste irgendwie ihr Hirn wieder vernünftig zum Funktionieren bringen. Eins nach dem anderen. Er wollte sie auch wegschicken, aus Rom, was aber fast danach klang, als ließe er ihr die Wahl... jedenfalls die Wahl des Ortes. „Was wenn nicht? Welche Orte bieten sich noch an?“ Nigrina war sich ganz und gar nicht sicher, ob sie in Tarquinia bei der Familie seines alten Lehrers Unterschlupf finden wollte. „Und... was ist mit dir? Was wirst du tun?“ fragte sie schließlich.

  • Und da kam er, der fassungslose Augenblick, den Sextus schon mit einberechnet hatte. Wenngleich er weitaus ruhiger verlief, als er sich das ausgemalt hatte. Das hier war ja schon beinahe das Szenario des besten anzunehmenden Zustandes, im Gegensatz zum Szenario des schlechtesten Falls, in dem er einige der teuren Vasen in einem flavischen Wutanfall wieder zu Bruch hatte gehen sehen. So ruhig, wie Nigrina blieb, hatte er schon annähernd die Hoffnung, dass sie nun nach den Jahren ihrer Ehre letztendlich doch dazugelernt hatte. Wenn er sich an ihr anfängliches übertriebenes Gebaren erinnerte, war die Person, die jetzt vor ihm stand, beinahe eine gänzlich andere.
    Aber nur beinahe. Eine dumme Frage kam dann letztendlich doch über ihre Lippen. “Wenn das bekannt wäre, meine Liebe, würden wir jetzt nicht hier in aller Ruhe stehen und darüber reden“, stellte er nüchtern sachlich fest, ehe er sich mit einem leisen, wohlplatzierten Seufzen gegen die nächste Säule stützte und an seinem Posca nippte, als wäre es edler Falerner. Dass er dann ganz anders an die Sache herangegangen wäre, das verstand sich für ihn von selbst. Wenn die Chance bestünde, dass hier in den nächsten Stunden Prätorianer auftauchten, würde er sicher besseres zu tun wissen, als seine Frau davon höflich in Kenntnis zu setzen und in aller Ruhe darüber zu reden. Dann säße sie schon verfrachtet auf dem Weg nach sonstwohin und er auf dem Rücken eines von ihm so gehassten Pferdes. Sextus sah keinen Sinn darin, sich für eine Sache, die er von Anfang an als Wahnsinn betrachtet hatte, heldenhaft abschlachten zu lassen wie ein braves Schaf auf dem Stein des Mars.
    “Und nicht ich habe den Kaiser umgebracht. Oder Gracchus. Und schon gar nicht dein Vetter Flaccus.“ Bei letzterer Vorstellung entfuhr Sextus doch fast so etwas wie ein kleines, amüsiertes Lachen. Zwar schätzte er die Flavier sehr als politische Verbündete und achtete auch die Vorteile, die eine Ehe mit diesem altehrwürdigen Namen mit sich brachte, das Prestige und den Eindruck, den man damit schinden konnte. Doch hatte jede Situation mit eben jenen Flaviern, die er nun schon erlebt hatte, in dem Ergebnis gegipfelt, dass die ein gänzlich anderer Menschenschlag waren. Künstler! Etwas, das Sextus im Meer ersäufen würde. Aber dafür hielten sich die meisten von ihnen, und das mit Stolz. Was die Vorstellung eines kaltblütigen Mörders aus flavischen Riehen,d er sich selbst die Hände blutig machte – und zwar einem Gegner gegenüber und keinem niederen wesen wie einem Sklaven, der einem ohnehin ausgeliefert war – doch recht abstrus machte. “Nein, aber dein Vetter kannte jemand, der jemanden kannte, der mit jemandem verschwägert war, bei dem einer der Köche des Kaisers Schulden hatte, oder so ähnlich“, erklärte Sextus mit wegwerfender Handbewegung. “Es kann also sein, dass sie die Spur zu deinen Vettern zurückverfolgen.“ Und nicht zu ihm, wohlgemerkt. Ein Umstand, der ihn wieder daran erinnerte, wie froh er war, aufgrund des Wahnwitzes des ganzen Planes sich im Hintergrund gehalten zu haben. “Aber erst in ein paar Tagen. Und erst danach sind auch hier Prätorianer zu erwarten. Also haben wir heute Zeit, uns darüber zu unterhalten und die nötigen Schritte einzuleiten.“


    Dass Nigrina ihn herausforderte mit ihrer Frage, was geschehen würde, wenn sie nicht ginge, entlockte Sextus ein typisch wölfisches Lächeln, durch das er auch seinen Cognomen erhalten hatte. “Natürlich steht es dir auch frei, deine eigene Wahl bezüglich deines Aufenthaltsortes zu treffen. Hier in Rom zu bleiben ist denke ich aufgrund der gegebenen Konstellationen ausgeschlossen. Selbst, wenn du dich aufgrund der Ereignisse von mir scheiden lassen wolltest – wofür ich im Übrigen Verständnis hätte“, andersherum wäre eine solche Konstellation, wenn er sich dadurch von Vorwürfen reinwaschen könnte, ebenfalls ein guter Grund für eine Scheidung, gepaart mit einer neuen, politisch opportunen Ehe. “...befürchte ich, dass deine Verwandtschaft zu Gracchus und Flaccus zu negativ behaftet ist, um in der derzeitigen Situation auf das Wohlwollen des Vescularius zu hoffen. Ich hatte dir Tarquinia angeboten, da dir dort sämtliche Komfortmöglichkeiten in bereits kurzer Zeit zur Verfügung gestellt wären. Es ist eine heilige Stadt für die Etrusker, keine Legion, egal von wem geführt, wird dort so einfach durchmarschieren ohne den massiven Widerstand der Bevölkerung. Erst recht nicht die eines plebejischen Emporkömmlings ohne nennenswertes religiöses Engagement. Und so dämlich ist der Praefectus Urbi nicht, als dass er das nur wegen einer Frau und Cousine riskieren würde, dort seine Truppen aufzureiben.
    Allerdings trifft dies nicht auf die Besitzungen deiner Familie zu, da sich dort die männlichen Teile deiner Familie aufhalten könnten. Und die zu verfolgen, so er die Hinweise erhält, wird für ihn auf seinem Weg zum Thron nun einmal unerlässlich sein. Vor den Augen des Volkes muss er die Mörder seines Vorgängers richten. Gerade die Besitzungen deines Vaters in Ravenna würde ich meiden, da diese von hier aus fast auf direktem Weg nach Mantua liegen.“
    Er machte eine kleine Kunstpause, in der er den Posca in seinem Kelch leicht schwenkte. “Ich könnte dir die Gastfreundschaft meines Elternhauses anbieten, doch sind Seereisen im Winter gefährlich. Und ich kann dort nicht so sehr für deine Sicherheit garantieren wie in Tarquinia, da der Marius“ gemeint war Marius Turbo, der ehemalige Praefectus Praetorio und enger Freund Salinators – “in Dacia ist und ich nicht weiß, ob der sich bei dieser Nachricht eher nach Süden oder Westen wendet.“
    Ja, Sextus hatte sich die Wahl für Nigrinas Aufenthaltsort sehr genau überlegt. Nur wollte er, dass sie es für eine gute Idee, am besten ihre eigene Idee, hielt. Es könnte durchaus sein, dass sie dort für eine lange Zeit bleiben musste. Aber dort wäre sie in Sicherheit, da war er sich sicher. Es war abgeschieden genug, um strategisch nicht wichtig zu sein, und doch bedeutend genug, um den nötigen Komfort zu gewährleisten und die nötige Defensivkraft.


    “Und ich“, fuhr er fort, wobei seine Stimme noch ruhiger und leicht bedrohlicher wurde. “werde morgen in aller Ruhe in den Senat gehen und meine Einstandsrede als Senator halten. Anschließend werde ich ruhig der Diskussion folgen und nicht weiter auffallen, heimkommen und etwas essen. Und am Abend werde ich auch Rom verlassen und nach Mantua reiten.“ Und er hasste reiten. Er hasste es wirklich. “Wo ich zu Ursus aufschließen werde und alles daran setzen werde, dass wir uns nicht mit dieser jetzigen Situation abfinden werden.“ Er stellte den Kelch beiseite und kam auf Nigrina zu, fixierte sie mit ihrem Blick. “Denn ich verspreche, der Vescularius wird bezahlen. Ich verspreche, dass er für die Schmähungen, die er uns beiden hier in diesem Haus zugedacht hat, teurer bezahlen wird als ich für den Senatorenplatz. Ich verspreche, dass es ihm leid tun wird, die Rache der Aurelier und Flavier auf sich herabbeschworen zu haben.“ Bei Nigrina angekommen nahm er mit dem ihm ganz eigenen Charme ihre Hand und führte sie zu seinem Mund, küsste die Fingerspitzen. “Er und seine kleine Schlampe werden sterben, wenn ich mit ihnen fertig bin. Das versprech ich dir.“ Und Sextus gab so selten Versprechungen ab, dass er die paar, die er doch abgab, eigentlich zu halten gedachte.

  • Nigrina presste die Lippen aufeinander, als ihr Mann jetzt zur Abwechslung wieder er selbst wurde und es für nötig hielt, auf irgendwelche logischen oder sprachlichen Ungenauigkeiten bei ihr einzugehen. Natürlich war sie nicht davon ausgegangen, Gracchus oder sonst einer von ihnen wäre selbst mit dem Dolch in der Hand zum Kaiser marschiert, oder dass die Praetorianer jetztsofortgleich hier auftauchten, wie konnte er ihre Formulierung dahingehend nur wörtlich nehmen? Aber das tat er irgendwie jedes Mal, und Nigrina wusste nicht, ob er sie damit nur ärgern wollte oder tatsächlich nach wie vor glaubte, sie würde so was in so einer Situation wörtlich meinen. Wo über das eigentliche Gesprächsthema in ihr immer noch Fassungslosigkeit vorherrschte, so sehr, dass sie ihre Gedanken bei weitem noch nicht genug geordnet hatte um das wirklich in seiner ganzen Tragweite zu fassen, konnte sie sich durchaus über diese Kleinigkeit aufregen. Ganz wie gewöhnlich. Mehr noch: diese Kleinigkeit war ein, wenn auch nur winziges, Ventil für diese Fassungslosigkeit, unter der in ihr alles zu zittern und zu beben schien. Ihre Miene verfinsterte sich. Natürlich nicht ihr persönlich“, zischte sie zurück – als sie dann aber hörte, dass der Kontakt zum eigentlichen Mörder über ihre Familie zustande gekommen war, war sie erst mal wieder sprachlos. Wurde ja alles immer besser, immer schöner. Nigrina fuhr sich über den Mund und ging ein paar Schritte hin und her, während Sextus weiter sprach.
    „Nein, Rom ist keine Alternative“, murmelte sie abwesend, während ihre Gedanken erneut rasten, die verschiedenen Anwesen ihrer Familie durchgingen, die verschiedenen Orte, wo sie hin könnte. Rom war da definitiv nicht dabei. Sextus faselte derweil irgendwas von Scheidung, und Nigrina sah kurz zu ihm. Scheidung? Auch nein. Das war ungünstig, wo ihre eigene Familie so tief verstrickt war, tiefer als ihr Mann, wie es schien. Da war es vermutlich doch erst mal besser abzuwarten, was aus dieser ganzen Geschichte überhaupt werden würde. Andererseits, was sollte schon großartig daraus werden, wenn der Praefectus Urbi tatsächlich – wie Sextus anzunehmen schien – so oder so auf ihre Vetter kommen würde? Das war... zu vertrackt. Zu... zu ausweglos! Wie hatte das nur so schief gehen können, hatte da keiner der Kerle mit gerechnet? Keiner irgendwelche Vorkehrungen getroffen? War das zu schlecht geplant gewesen oder hatten die Götter ihre Finger im Spiel gehabt? Nigrina presste die Lippen aufeinander und hörte weiter zu, und so sehr ihr das missfiel, sie musste Sextus Recht geben. Die Landgüter ihrer Familie kamen nicht in Frage, keines davon, eben aus jenem Grund, den er anführte: der Vescularius würde dort nach ihren Verwandten suchen. Verdammt. Verdammtverdammtverdammt! Hieß das tatsächlich, dass Tarquinia als einziger Ort übrig blieb? Abgesehen von seinen Eltern, aber dahin wollte sie aus unterschiedlichsten Gründen nun wirklich nicht, und die Sorge wo sich der Marius hinwenden könnte rangierte bei ihr nur unter ferner liefen – angefangen damit, dass es seine Eltern waren und sie nicht die geringste Lust darauf hatte, die liebe Schwiegertochter zu spielen, bis hin zu dem Fakt, dass die Reise dahin viel zu lange dauerte für ihren Geschmack. Tarquinia war eindeutig das kleinere Übel. Aber sie verfluchte den Umstand, dass sie nicht einfach nach Ravenna zu ihrem Vater gehen konnte. „Tarquinia also“, stellte sie unzufrieden fest. Warum? Warum? Warum jetzt, warum so, warum sie?


    Ihr Kopf schien immer noch ein rasendes Gedankenchaos zu sein, in dem sie nur bestimmte Wege klar und vernünftig betrachten zu können schien – nämlich die, die für die jetzige Situation unabdingbar nötig waren. Alles andere... tobte wild durcheinander, aber immerhin, immerhin konnte sie das erst mal ignorieren, wenn sie sich konzentrierte. Sie sah wieder zu ihrem Mann, der nun ihre letzte Frage beantwortete. Und diesmal lief ihr beim Klang seiner Stimme ein Schauer über den Rücken, der intensiver wurde, je länger er sprach. Sie konnte nicht anders, als ihn weiterhin anzusehen, hatte das Gefühl, dass sein Blick den ihren gefangen nahm, ebenso wie seine Worte sie fesselten. Das war das, was sie hatte hören wollen. Dass er sich das nicht gefallen lassen würde. Dass er Rache üben würde für das, was hier gerade passierte, für das, wozu dieser Homo novus sie zwang. Und als er sein Versprechen mit einem Kuss auf ihre Fingerspitzen besiegelte, war es mal wieder um sie geschehen. Das war genau der Grund, warum sie diese Ehe als Glücksfall betrachtete, warum sie trotz all seiner Fehler und Macken und unendlich nervigen Angewohnheiten trotzdem gern an seiner Seite war, und nicht nur weil ihr Vater das so wollte – warum sie sich sogar angepasst hatte an ihn, an seine Wünsche und Erwartungen. Weil er ein Mann war, der es fertig brachte, ihr zu schwören Rache zu üben, blutige Rache, so wie er klang, während er sich gleichzeitig so charmant gab, als würde er ihr ein Kompliment machen. Götter, sie wollte ihn, am liebsten hier und jetzt. Sie überbrückte auch noch den letzten kleinen Abstand zwischen ihnen, presste ihren Körper an seinen, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte eine Hand an seine Wange und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund. „Lass ihn bluten. Und heb eine Trophäe auf“, murmelte sie an seinen Lippen.

  • In manchen Augenblicken war Sextus froh um seine Frau. Sie stimmte, wenngleich widerwillig, seiner Lösung zu und war damit ein Problem weniger, um welches er sich zu kümmern hatte. Aber diese Überzeugbarkeit war es nicht, die ihn in diesem Moment schon beinahe berauschte, nein. Eher ihr herrlicher Blutdurst und ihre Willigkeit angesichts der bevorstehenden Gefahr.
    Statt einer Antwort erhielt sie ein Knurren, als er ihren Po umfasste und leicht anhob, sie ohne weitere Worte gegen die nächste Säule drängte. Ihr Mund war seinen Lippen schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr genug, so dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten beißend und leckend sich einen Weg nach unten bahnte. Hinderlicher Stoff an den Schultern wurde einfach mit einer harschen Handbewegung entfernt. Das reißende Geräusch und die Laute seiner Frau, als er seinen Körper hart gegen sie drängte, das war es, was ihn in diesem Moment ausfüllte und den Göttern danken ließ, am Leben zu sein. Mit Entkleidungsfinessen hielt er sich nicht lange auf. Das kunstvolle Gewand seiner Frau wurde mit rauhen Händen grob auf Hüfthöhe geschoben, so dass ihre Beine ihn umschlingen konnten. Seine Toga wurde unachtsam über die Schulter zu Boden geworfen, die Tunika nur weit genug hochgeschoben, um sich zu nehmen, was sie ihm so willig anbot. Es war nicht zärtlich und liebevoll, voll gehauchter Schwüre und Versprechungen. Es war der animalische Akt, der Rausch des Blutes, die egoistischste Form von Hedonismus. Heiser, grob, besitzergreifend, besitzverschlingend.


    Erst, als sein Blut langsam wieder in Regionen zurückfloss, die artikuliertes Denken zuließen, küsste er Nigrina noch einmal weitaus zärtlicher. Und bemerkte erst einige Momente später durch ein dezentes Räuspern von Richtung Vestibulum, dass sie beide nicht mehr allein im Atrium waren.
    Ohne seine Frau wieder herunterzulassen, drehte er leicht den Kopf und sah nach dem Eindringling. “Meine Männer sind da, wie du es gewünscht hast, Aurelius“, grüßte da ein bärtiger Kerl mit grobschlächtigem Gesicht.
    “Gut, wartet im Vestibulum. Ihr brecht heute Nacht auf.“ Sextus wartete einen Moment lang, bis die Schritte auf dem Marmorboden verkündeten, dass der Mann gegangen war, und widmete sich solange noch dem weichen Hautstück zwischen Hals und Schulter seiner Frau, immer noch ohne sie abzusetzen. Götter, er würde sich auf der Suche nach einem adäquaten Ersatz für sie schwer tun. “Das war Tiberius Velanius Andronicus. Er schuldet mir ein paar Gefallen und wird dich und Lucius heute Nacht sicher aus Rom heraus begleiten und euch nach Tarquinia bringen. Er ist ein stinkender Arsch, aber er ist zuverlässig.“ Noch einmal biss er leicht in ihre Schulter und drängte sie gegen die Säule, fuhr knurrend über ihre makellose Haut, ehe er sie endlich herabließ. “Du solltest das nötigste packen. Truhen wirst du leider nicht mitnehmen können, aber ich werde euch genug Geld mitgeben, dass du dich bei den Cilnii standesgemäß einrichten kannst.“

  • Und von einem Moment auf den anderen war das Chaos in ihrem Kopf wie weggefegt. Da war nichts mehr von all den Gedanken und Fragen und Überlegungen. Es gab, für sie zumindest, kaum ein besseres Ventil für Frust, Ärger oder sonst etwas, was sie aufregte, als sich mit ihrem Mann zu vereinigen, auf genau die animalische Art, die jetzt aus ihnen herausbrach und für nichts mehr Raum ließ außer Leidenschaft. Das einzige was blieb war die Lust, das Feuer, das Sextus in ihr entfachte, der heiß lodernde Wunsch nach Rache und das noch heißer lodernde Begehren nach ihm. Ihr war völlig gleich, dass sie sich im Atrium befanden. In diesem Augenblick hätten sie sich sonst wo befinden können, und sie hätte sich trotzdem bereitwillig von ihm nehmen lassen. Ohne Rücksicht auf Verluste zerrte sie an seiner Kleidung, genügte doch auch ihr nicht das bisschen freie Haut, das sein Hals bot, umschlang ihn mit ihren Beinen, kaum dass er das möglich gemacht hatte, trieb ihn an, mit unartikulierten Geräuschen, Berührungen, Bewegungen. Und sie zerbarst in Flammen unter seinen Forderungen, seiner Rohheit, jedenfalls hatte sie das Gefühl, während sie alles gab und alles nahm.


    Sie hielt ihn immer noch umklammert, während sie langsam wieder zu Atem kam, genoss die fortdauernde Nähe, die abklingende Hitze, sogar den vagen Schmerz, der in Teilen ihres Körpers aufgeblüht war bei der groben Behandlung... was sie auch dann nicht bereit war aufzugeben, als ein Räuspern erklang und anzeigte, dass sie nicht mehr allein waren – und keineswegs irgendwelche Sklaven da waren, die es mit Sicherheit nicht gewagt hätten, sie jetzt zu stören. Die einzige Reaktion allerdings, die von Nigrina kam, war ein leichtes Drehen ihres Kopfes, der an Sextus' Schulter ruhte, so dass sie den Störenfried betrachten konnte. Bei der Gelegenheit fiel ihr auf, dass ihr Mann rote Abdrücke auf seiner Schulter hatte... oh. Musste sie ihn wohl im Eifer des Gefechts gebissen haben, ohne es überhaupt zu merken. Während ihr Blick immer noch auf dem Kerl haftete, seine Reaktion, seinen Blick in sich aufsog, senkte sie ihren Mund auf das Mal und liebkoste das Stück Haut mit Lippen und Zunge. Sie stellte fest, dass ihr der Gedanke beinahe gefiel, dass der Störenfried möglicherweise schon länger da gewesen war... und gesehen hatte, was er nicht bekommen würde. Erst als der Fremde ging und ihr Mann sich nun ihrer Haut widmete, ließ sie ab von ihm, lehnte ihren Kopf an die Säule und streckte ihren Hals.


    Was ihr Mann dann von sich gab, drang nur langsam in ihr Bewusstsein vor, aber als es das tat, war es durchaus dazu angetan, einen Teil dieser herrlich satten Zufriedenheit verfliegen zu lassen. Da war ja noch was. Tarquinia. Sie wollte nicht nach Tarquinia. Jetzt noch viel weniger, wo ihr gerade erst massiv vor Augen geführt worden war, auf was sie verzichten musste, wenn sie von Sextus getrennt wurde – und das womöglich für lange, lange Zeit. Sie wollte einfach nicht! Sie stöhnte leise auf, als Sextus sie ein letztes Mal gegen die Säule presste, lustvoll, aber auch ein wenig schmerzerfüllt, weil ihr Rücken protestierte gegen die neuerliche harte Behandlung. Als er sie dann hinunter ließ, blieb sie dennoch an ihn gelehnt weiter da stehen, ohne sich um ihre Blöße zu scheren, die durch das zerrissene Oberteil ihres Kleids zustande kam, das nur noch von dem schmalen Gürtel gehalten wurde. Mit jetzt wieder zärtlichen Fingern strich sie an einem Riss in seiner Tunika entlang, schob den Stoff beiseite und presste ihre Lippen auf die Haut darunter, knabberte daran. „Nimm mich mit. Nach Mantua.“ Ihre Stimme klang nicht nach einer Frage, obwohl es im Grunde eine war – selbst wenn er zuließ, dass sie ihre eigene Entscheidung über ihren Aufenthaltsort traf, hieß das noch lange nicht, dass er zuließ, dass sie ihn begleitete. Noch ein Kuss, dann sah sie auf zu ihm. „Mit Ursus als Teil eurer Verschwörung haben wir in Mantua die ganze Legio I um uns herum. Klingt für mich sicherer als Tarquinia... jedenfalls für mich.“ Der Fratz konnte gern zu den Cilnii geschickt werden. Irgendwann würde er sowieso dahin kommen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich irgendjemand für ein Kleinkind interessieren würde. Darüber hinaus... „Für Lucius wäre es auch sicherer. Wenn nur er nach Tarquinia gebracht wird, kann dein Lehrer mit etwas Glück ganz verschleiern, wem er Unterschlupf gewährt. Bin ich dabei, dürfte das schwer werden.“ Schon allein, weil sie gar nicht einsehen würde, sich für jemand anderen auszugeben als sie war. Und wem wollte sie schon etwas vormachen? Sie war eine Flavia. Sie stammte von Kaisern ab! Blut wie dieses ließ sich einfach nicht verleugnen! Und auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering sein mochte, dass der Vescularius sich auf den Weg nach Tarquinia machte, um sich zwei wertvolle Geiseln zu krallen, die er bei gleich zwei Familien als Druckmittel einsetzen konnte... ganz von der Hand zu weisen war es eben doch nicht, dass er das tat. Nein, je länger sie darüber nachdachte, desto besser fand sie eigentlich ihre Idee. Auch wenn die zunächst nur daraus geboren worden war, dass sie nicht nach Tarquinia wollte. „Und wenn es in Mantua zu gefährlich wird, steht mir der Weg nach Tarquinia oder an einen anderen Ort immer noch offen.“

  • Tja, in manchen Momenten war Sextus froh um seine Frau. Und in anderen wollte er sich selbst ohrfeigen, weil er sie gevögelt hatte, anstatt ihr einfach den Hals umzudrehen. Lupae waren soviel weniger anstrengend als Ehefrauen. Insbesondere hatten diese nicht solche idiotischen Ideen, die sie an einen herantrugen.
    “Bist du wahnsinnig?“, fuhr Sextus seine Frau wenig charmant an, als die ihm Mantua als gute Idee verkaufen wollte. “Mitkommen? Zu Pferd? Du kannst nicht reiten, schwanger erst recht nicht, und ich kann nicht die ganze Wegstrecke in einem holpernden Karren verbringen“, meinte er weiter, jetzt weniger gebellt als vielmehr belehrend, wie er es gern machte und wovon er wusste, dass seine Frau es nicht leiden mochte. Doch musste er ihr hier klar vor Augen führen, wie unmöglich ihr Vorschlag war. Bis vor 3 Minuten war die Welt noch in Ordnung gewesen, und jetzt wieder so etwas. Auf was für Ideen Frauen doch kamen?
    “Außerdem wird Mantua durch diese Sache zu einem Angriffsziel werden. Durch die Seuche liegt das Sozialleben brach, und es wird gänzlich sterben, wenn sich die Armeen erst auf den Weg machen. Ich habe nicht vor, da zu bleiben und zu warten, bis dieser Despot kommt und mich in Stücke hackt, und meinen naiven Vetter gleich mit. Glaub mir, du willst nicht in einer belagerten Stadt sein. Und sollte sich Vescularius mit einigen Legionen auf den Weg machen, steht nur noch ein einziger Weg offen: Über die zugeschneiten Alpes nach Norden nach Baetia und Germania. Kalt, nass, und weit von allem weg, was nur entfernt an einen standesgemäßen Lebenswandel erinnert.“
    Sextus hatte keine Ahnung, was Nigrina sich vorstellte. Ob sie sich überhaupt irgendwelche Gedanken machte, was es wirklich bedeutete, wenn Sextus zulassen würde, dass sie mitkam. Das war kein Ausflug in die heißen Thermen von Baiae, das war ein aufkommender Krieg, den sie noch dazu verlieren könnten, mit einer Stadt, die an Luxus derzeit nicht das geringste zu bieten hatte, mit einem weiten und vor allen Dingen unbequemen Weg und keiner Aussicht auf Änderung dieses Zustandes.
    “In Tarquina hast du alles, was dir ein angenehmes Leben ermöglicht. In Mantua wirst du alleine sitzen, vielleicht mit der Tiberia als Gesprächspartner, und darauf warten dürfen, wann die Stadtmauer abbrennt. Du bist schwanger, wenn ich dich daran erinnern darf. Ein Weg über die Alpen ist dir in deinem Zustand wohl kaum möglich. Und ich werde da auch keinen Weg finden, für diese Dummheit einen Weg zu finden, um es möglich zu machen.“


    Weiber!

  • Gerade eben noch war sie massiv an den Grund erinnert worden, warum sie nicht gern von ihrem Mann getrennt werden wollte. Jetzt wurde sie an den erinnert, warum sie sich in schöner Regelmäßigkeit geradezu wünschte, von ihm weg zu kommen. Warum es also eine hervorragende Idee war, mal von ihm eine Auszeit zu bekommen. Der Kerl war einfach unglaublich! Machte alles kaputt, die ganze schöne, zufriedene Stimmung in der sie gewesen war, hinweggefegt durch seine Worte und mehr noch seinen Tonfall. Ihre Miene verdüsterte sich zusehends, während sie abrupt von ihm abließ und sich zur Seite hin von der Säule und, was wichtiger war, von ihm ein paar Schritt entfernte. Hatte sie gerade noch nicht genug bekommen können von ihm, seiner Haut, seinem Duft, war seine unmittelbare Nähe, seine Berührung nun mehr, als sie ertragen konnte. Und wollte. „Natürlich bin ich das“, spottete sie, und ihre Stimme troff vor Ironie. „Kennst du die Gerüchte nicht? Wahnsinn liegt in meiner Familie.“


    Während Sextus nun dazu ansetzte, lang und breit zu erklären, warum Mantua keine gute Idee war, ohne auch nur im Ansatz auf die Punkte einzugehen, die sie als Vorteil genannt hatte, angelte sie nach den zerrissenen Überresten ihrer Tunika, um sie notdürftig zu verknoten, dass ihre Brust wieder halbwegs bedeckt war. Sie gab sich Mühe, dabei ruhig und gelassen zu wirken, und immerhin ruhig war sie, aber ihre Bewegungen waren zu abgehackt und verbissen, um darüber hinweg täuschen zu können, wie sehr es in ihr brodelte. In Gedanken bedachte sie ihren Mann mit den schillerndsten Flüchen, die ihr einfielen – während der weiter machte damit, sie wie ein Kind zu behandeln. Natürlich hatte sie nicht geglaubt, in Mantua wäre alles wunderbar, natürlich war ihr klar, dass es ungemütlich werden konnte. Vielleicht nicht ganz so extrem, wie er das darstellte, aber in keinem Fall bequem oder gar luxuriös. Sie wusste das! Nur: nach Tarquinia wollte sie trotzdem nicht. Zum einen wagte sie doch stark zu bezweifeln, dass sie in dem etruskischen Kaff tatsächlich das bekommen würde, was Sextus einen standesgemäßen Lebenswandel nannte. Vielleicht was er sich darunter vorstellte. Vielleicht. Aber ganz sicher nicht das, was sie sich darunter vorstellte. Immerhin war sie eine Flavia, und Flavier hatten doch noch mal andere Vorstellungen vom Leben als Aurelier, die seit wann genau erst patrizisch waren? Sextus benahm sich zwar wie ein erstklassiger Patrizier, aber irgendwo merkte man halt dann doch den Unterschied. Und was noch wichtiger war: in Tarquinia würde sie sich zu Tode langweilen. Davon war sie überzeugt. Dort würde es nichts, nichts, geben, was auch nur halbwegs interessant wäre. In Mantua hätte sie wenigstens eine Gleichgesinnte – vorausgesetzt die Tiberia war dort –, sie hätte außerdem ihren Mann in der Nähe, der durchaus ab und zu für Kurzweil sorgen konnte, der Legat, die Stabsoffiziere... freilich würde sie mit denen kaum etwas zu tun hatten, aber das ganze Gefühl war ein anderes. Und es gab Neuigkeiten. Nicht dass irgendeiner der Männer daran denken würde sie explizit aufzuklären, aber frau bekam immer etwas am Rande mit. Nur nicht dann, wenn sie irgendwohin verfrachtet wurde, wo es nichts mitzubekommen gab. Tarquinia, zum Beispiel. Interessierten die sich überhaupt für mehr als ihre etruskischen Traditionen? Auch etwas, was sie zu bezweifeln wagte. Und unabhängig von all diesen schlagkräftigen Argumenten, die aus ihrer Sicht gegen Tarquinia sprachen: es blieb noch der Grund, dass der Fratz dort sicherer sein würde, wenn sie nicht dabei war. War ihr zwar erst eingefallen, während sie versucht hatte Sextus zu überzeugen, aber seit ihr das eingefallen war, glaubte sie das tatsächlich. Würde Lucius allein dort hingebracht, könnten die Cilnii ihn erst mal komplett bei sich verstecken, und ihn irgendwann zunächst als Kind eines Verwandten ausgeben, bis die politische Lage so weit geklärt war, dass er wieder als Sextus' Sohn auftreten konnte.


    Also: nein. Sie wollte ganz sicher nicht nach Tarquinia. Aber nach Mantua würde ihr Mann sie nicht mitnehmen, das machte er gerade unmissverständlich deutlich. „Und du glaubst, ich wüsste das alles nicht, ja?“ fuhr sie ihm irgendwann dazwischen, aber Sextus sprach ungerührt weiter und beendete seine kleine Ansprache darüber, was sie alles warum nicht konnte. Himmel, was für ein arroganter Arsch er doch manchmal war! Vielleicht sollte sie wirklich froh sein, ihn zur Abwechslung mal los zu werden und sich nicht immer mit ihm herum schlagen zu müssen. Auch wenn ihr der Sex wirklich fehlen würde... aber nun ja, nicht mehr lange und sie würde ohnehin in die Phase der Schwangerschaft kommen, wo er sie nicht mehr anrühren würde. Also auch nichts, was eine große Rolle spielte. „Fein, du Aas“, schnauzte sie ihn wütend an. „Hättest dich nicht so sehr verausgaben müssen mit deiner Ansprache! Erhöhen wir das Risiko für den Kleinen, Tarquinia, ich komme... ich kann's kaum erwarten... Vollidiot...“ Und mit diesen Worten wandte sie sich fluchend ab, um das Atrium zu verlassen.

  • Es gab eine ganz einfache Regel, was Diskussionen anging, die immer und stets zutraf und die man als Quintessenz jeglicher Rednerausbildung betrachten konnte: Sobald das Gegenüber sich von Argumenten auf Beleidigungen verlagerte, hatte man gewonnen. Das wär nämlich ausschließlich dann der Fall, wenn die Gefühle die Oberhand über das rationale Denken übernommen hatten und die Argumente für die Überzeugung des anderen hatten sich dem Ende geneigt. Beleidigungen waren nichts, was einen dann kränken sollte oder durfte. Im Gegenteil, sie waren Beweis für die eigene Überlegenheit. Einen Menschen zu demütigen, der ohnehin untergeben und unterlegen war, war unrömisch und unnötig.
    Perfekte Logik.


    Und so nahm Sextus den Ausbruch seiner Frau auch mehr als Ggelassen hin. Ja, sie war wütend, aber das störte ihn nicht. Sie sollte tun, was er wollte, nicht wollen, was er wollte. Ob sie nach Tarquinia wollte oder nicht, ob sie es einsah oder nicht, ob er sie überzeugt hatte oder nicht, das war ihm vollkommen gleichgültig. Solange sie nur tat, was er ihr sagte. Und das machte sie. Mission erfüllt.
    Mehr als das sogar. Im Grunde genommen hätte es gar nicht besser sein können. Solange sie wütend auf ihn war, kam sie nicht auf die Idee, ihm hinterherzureisen und sich und Sextus' zweites Kind in ihr in ernsthafte und vermeidbare Gefahr zu bringen. Die Cilnii würden seinen Sohn gut behandeln und mit Nigrinas anfänglich schlechter Laune sicher balancieren können. Und wenn nicht, würde sich seine Frau eben in Tarquinia eine eigene Bleibe suchen, sollte sie tatsächlich so dumm sein, es sich mit ihren Gastgebern zu verscherzen. Allerdings hatte sie ihre Launen in Kreisen, in denen sie nicht der irrigen Meinung verhaftet war, etwas zu sagen zu haben, weitaus besser unter Kontrolle als zuhause. So oder so, sie wäre weit weg von den aufkommenden Vorboten des Krieges, wäre in Sicherheit und konnte ihr schönes Leben weiterführen.
    Es waren die kleinen Dinge, die im Endeffekt wichtig waren. Sextus machte sich nichts daraus, wenn sie ihn jetzt hasste. Er sah ihr gelassen hinterher, als sie sich aus dem Atrium entfernte, lehnte noch immer gemütlich an seiner Säule. Vielleicht, eines Tages, verstand sie, was er eigentlich für sie getan hatte. Vielleicht auch nicht. Selbst das war nicht wichtig, er war nicht abhängig von ihrer Anerkennung.


    Er würde Velanius noch etwas mehr Geld mitgeben, damit er seine launenhafte Frau auch sicher in Tarquinia absetzte. Neben dem üblichen Salär für Bestechung der Torwachen und Unterkunft auf dem Weg. Immerhin war auch Tarquinia mehrere Tagesreisen entfernt. Und seiner Frau würde er einen Wechsel ausstellen, um ihr wenigstens das Gefühl zu geben, ihren Luxus in Tarquinia beeinflussen zu können. Nigrina war, was so etwas anging, sehr kurzsichtig veranlagt und erkannte den Wert von Geld ohnehin nicht. Sie ließ sich von einer vermeintlich großen Summe blenden und war dann zufrieden, ohne wirklich seinen Wert zu erfassen. Eines der Dinge, die Sextus ihrem Vater doch vorwarf, die Tochter dahingehend zu sehr verhätschelt und verweichlicht zu haben. Aber gut, er konnte damit umgehen.
    Wichtiger war nun erst einmal, dass er auch seine Flucht vorbereiten konnte. Einen jungen Senator würde Salinator wohl eher vermissen als eine Frau und ein kleines Kind, da sollte er einen besseren Plan umsetzen. Bevor der Mann die Stadttore noch gänzlich schließen ließ.

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