Kein Aufschub mehr

  • Der schwere Geruch des heißen Wassers hing überall im Balneum. Wasser perlte an den Mosaikfliesen der Wände entlang, wo der Dampf an der kalten Oberfläche kondensierte. Eine Sklavin spielte leise Lyra im Hintergrund.
    Axilla ging das Geklimpere ein wenig auf die nerven, ebenso wie die andere Sklavin, die ihr hier im Bad helfen sollte, sich aber nicht sehr hilfreich anstellte. “Bist du sicher, Domina?“ fragte sie jetzt schon zum dritten Mal.
    “Ja!“ entgegnete Axilla nur noch gereizt. Sie war schon ein paar Tage gereizt. Ihr Bauch schien kurz vor der Explosion zu stehen, sie konnte sich nicht mehr richtig bewegen, andauernd musste sie pinkeln und seit zwei Tagen hatte sie immer wieder Schmerzen. Nun, nicht richtige Schmerzen. Sie blutete nicht und hatte sich auch nichts gebrochen. Aber es zog in ihrem Bauch, mal stärker, mal weniger stark. Aber es war etwas, das Axilla so nicht kannte, und das alles zusammen machte sie reizbar. Da war eine überfürsorgliche Sklavin nicht hilfreich.
    “Aber Herrin, es ist so rauh und zerkratzt deine Haut. Mit dem Schwamm...“
    “Der Schwamm ist was für Weicheier. Mein Vater hat in seinem ganzen Leben keinen Schwamm benutzt.“
    “Dein Vater war aber auch ein Mann, Domina.“
    “Jetzt hör auf zu widersprechen und mach!“, fuhr Axilla die Sklavin an. Im Moment kam gerade wieder eine neue Welle Schmerz, diesmal schlimmer. Axilla versuchte, es wegzuignorieren. Vor zwei Tagen, als es angefangen hatte, hatte sie Angst gehabt und die Hebamme gefragt. Aber diese hatte gemeint, dass das ganz normal wäre. 'Vorwehen' hatte sie gesagt und gemeint, dass das Kind in den nächsten Tagen oder Wochen kommen würde. Und Axilla hatte beschlossen, es einfach zu ignorieren, bis das Kind kommen würde. Und sie hatte beschlossen, dass es erst in ein paar Wochen passieren würde, weil momentan war es noch zu früh. Viel zu früh. Imperiosus sollte es ja glauben.
    Die Sklavin schaute also noch einmal fragend, fing dann aber endlich an, Axillas Beine mit warmem Wasser und dem Bimsstein abzureiben. Natürlich kratzte es. Natürlich war es nicht so zart wie ein fluffiger Schwamm. Aber Axilla genoss das leichte Ziehen und Kratzen des porösen Steins. Es fühlte sich ehrlich an. Hart und wirklich. Vertraut. Und es lenkte von dem wieder abflauenden Ziehen in Axillas Unterleib an.


    Die Sklavin wusch sie eine Weile, rieb sie abschließend mit unparfümiertem Öl ein. Das Ziehen kam noch zwei mal wieder, und zuletzt musste Axilla die Zähne zusammenbeißen, um sich nichts anmerken zu lassen. So schlimm war es noch nie gewesen, und sie musste sich sehr konzentrieren, nicht die ganze Zeit die Luft anzuhalten, um den Schmerz einfach zu unterdrücken. Aber sie wollte jetzt nicht weinerlich sein.
    “Herrin? Du hast ja kalten Schweiß...“ erschallte es schon wieder von der nervigen Sklavin, die sie noch einreiben wollte.
    “Nein, das... ist nur der Dampf“, presste Axilla zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Eine neue Wellte des Schmerzes bahnte sich schon wieder an und diesmal fühlte es sich so an, als würde ihr jemand mit zwei langen, rotglühenden Eisennägeln im Bauch herumwühlen.
    “Nein, Herrin, das ist Schweiß und... Herrin?“ Jetzt stand das dumme Ding auch noch auf und sah entsetzt an Axilla herunter, die noch immer auf der Marmorbank saß und versuchte, diesen Schmerz einfach wegzuignorieren. “Lioba! Geh schnell und hol die Hebamme!“ kreischte sie auf einmal los.
    Die Lyraspielerin hörte auch sofort auf mit ihrem Spiel und nach einem kurzen Blick auf Axilla wetzte sie auch schon nach draußen. Sie bekam das halblaute “Halt“ von Axilla wohl gar nicht mehr mit.
    Die Sklavin griff nach Axillas Arm und hielt sie so, als wolle sie Axilla aufhelfen. “Herrin, wir sollten in dein Cubiculum...“
    “Nein, ich will nicht“ wimmerte Axilla, und sie merkte auch, dass sie weinte. Sie wusste, was los war, aber sie wollte nicht. Sie wollte einfach nicht. Das verging schon wieder. War die letzten tage auch immer vergangen.
    “Herrin, deine Fruchtblase ist gerade geplatzt. Wenn du dein Kind nicht im Balneum bekommen willst, müssen wir wirklich gehen!“
    Jetzt weinte Axilla mehr. Es war noch zu früh! “Nein, das geht schon wieder weg. Ich... das geht wieder weg!“ Bettelnd sah sie zu der Sklavin und weigerte sich, sich auf die Beine ziehen zu lassen, um ins Cubiculum zu gehen. Sie wollte nicht, es war doch viel zu früh! Imperiosus würde es sicher merken. “Noch zwei oder drei Wochen, dann... bitte....“ Sie beugte sich nach vorne und hielt sich den schmerzenden Bauch. Und weinte noch mehr. Sie wollte jetzt nicht. Noch ein paar Wochen, und alles wäre gut. Oder wenigstens ein paar Tage. Ein bisschen Zeit mehr, die Imperiosus ihr dann glauben würde, dass sie nicht schon sechs Wochen, bevor sie mit ihm geschlafen hatte, schwanger geworden war.
    “Herrin! Dein Kind kommt... Herrin! Ach, verdammt“, hörte sie die Sklavin nur hilflos betteln, während sie da saß und vor lauter Verzweiflung weinte, während die Wehe abklang.

  • Axilla ließ sich nicht aus dem Balneum führen. Das zu tun wäre einem Eingeständnis gleichgekommen, dass sie diese Situation nicht länger unter Kontrolle hatte und nicht mit ihrem Willen die Geburt aufschieben könnte. Nun, konnte sie auch nicht, aber sie wollte es unbedingt können, und daran zu glauben schien die immer drückendere Panik von den empfindsamsten Teilen ihrer Seele abhalten zu können.
    Dennoch weinte Axilla, so sehr, dass sie bald schon von der Steinbank heruntergerutscht war und nun nackt in den Flüssigkeiten saß, die aus ihrem Unterleib beim Platzen der Fruchtblase herausgeschossen waren. Es stank, das roch sie auch durch den schweren Wasserdampf und die Badeessenzen hindurch, und es brachte sie noch mehr zum Weinen. So sollte das nicht sein! Sie sollte sicher und beschützt sein, an einem Ort, an dem sie sich wohlfühlte, und der Vater dieses Kindes sollte vor der Tür auf sein Kind warten. Sie sollte nicht in einem Balneum auf dem Mosaikfußboden sitzen, nackt und bebend, um einem Mann ein Kind unterzujubeln, das nicht das seine war.


    Eine neue Wehe kam, diesmal heftiger als alle davor, und Axilla schrie vor Schmerz laut auf und krümmte sich nach vorne. “Chiii..... huuuuuu“, wimmerte sie leise, und weinte dabei noch mehr heiße Tränen über die nassgeschwitzten Wangen. Welch erbärmliches Bild sie doch abgeben musste! Mit verklebten Haaren, schmutzig, mit dickem Babybauch und geschwollenen Knöcheln, die Augen rotgeweint. Axilla fühlte sich entsetzlich häßlich.
    Der Druck auf ihren Unterleib schien zuzunehmen, aber Axilla weigerte sich, ihren natürlichen Instinkten nachzugeben. Sie presste ihre Beine zusammen, hielt sich den Bauch, und versuchte selbst den Schmerz, den sie am liebsten hinausschreien wollte, in einem leisen Wimmern zu ersticken.“Chiii.....chi.... huuuuuu.“


    Axilla hatte keine Ahnung, wie lange sie so da saß, während die Schmerzen immer schlimmer wurden. Sehr lange konnte es wohl nicht sein, denn auch wenn sie die Welt gerne hätte aussperren wollen, ließ sie sich nicht aussperren.
    Auf einmal war die Hebamme da, neben ihr, und redete auf sie ein. Zwischen ihren eigenen Schmerzlauten verstand Axilla nur die Hälfte, aber den Tonfall, wie dumm sie doch wäre, hier wie ein bockiges Kind zu sitzen, den bekam sie mit. Und auch den Griff zwischen ihre Beine, als die Hebamme nachfühlte, wie weit der Geburtsvorgang vorangeschritten war.

  • Nach der Hebamme war ich sicher der Zweite gewesen, den man informiert hatte ... auch wenn ich auf dem Weg nach unten das Gefühl hatte das alle anderen bereits Vorbereitungen für die Geburt trafen. Der Ianitor selbst stand vor der Tür zum Balneum und erhob bereits beschwichtigend die Hände ...


    "Herr, ich weiß es sehnt dich nach dem Anblick deiner graziösen Frau doch vielleicht solltest du jetzt nicht dort hinein gehen!"


    Ich lächelte kurz und schüttelte leicht den Kopf ...


    "Ich hatte doch auch garnicht vor .."


    "Ich weiß Herr das ist nicht leicht, aber vertraut mir ich habe schon einige Geburten miterlebt und in der Regel gibt es erst danach etwas besonders schönes zu sehen!"


    "Das ist mir durchaus bewusst ich bin doch kein Kind mehr! Und außerdem wollte ich ohnehin garnicht reingehen!"


    Jetzt schien der alte Grieche verstanden zu haben, doch statt zufrieden drein zu blicken setzte er nun erstrecht seine Lehrermiene auf, die mir schon als Kind tierisch auf den Geist gegangen war ...


    "Ach? Dann hattest du nur vor von draussen reinzurufen, Herr? Findest du nicht das das etwas unpersöhnlich ist?"


    "Was? Aber du hast gerade noch selbst ..."


    "Ein "Ja Liebes das machst du schon wird recht feige wirken meinst du nicht Herr?"


    Die aufmüpfige Art wie er das "Herr" betonte lies mich schon wieder über Prügelstrafe nachdenken, nur leider hatte der alte so oft recht und das lies mich dann immer wieder davon abbringen ...


    "Ja ja ich geh ja schon rein ... gegen deinen Willen!"


    Nun nickte der Grieche zufrieden und trat überschwänglich zur Seite als wäre er ein Fels der ein Mauseloch versperren würde ... zumal ich ihn ohnehin gerade am liebsten selbst beiseite geschubst hätte ...


    Kaum das ich die Tür geöffnet hatte trat mir schon ein unangenehmer Geruch in die Nase und ich unterdrückte erfolgreich meinen Brechreiz, so wie ich es immer tat wenn dieser fette Senator in die Kanzlei kam der ganz offenkundig nicht viel von Wasser in jeglicher Form hielt ...


    "Axilla, Lie ... verdammter Grieche ... willst du nicht .."


    Schon sah ich die Tür auch wieder vor mir zufallen, für eine recht beleibte Frau war diese Hebamme nicht nur kräftig sondern auch verflucht schnell, ich höhrte noch etwas von "Ein Mann sollte seine Frau bla bla grummel grummel bla" dann war sie scheinbar wieder bei Axilla angelangt und redete beruhigend auf sie ein ...


    "Ich bin äh .. hier Axilla! Du schaffst das, ich werde hier auf euch warten!"


    Der Grieche sah mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Entäuschung an ...


    "Sie hat verdammt kräftige Hände gehabt!"


    "Natürlich, Herr. Sie ist ja auch eine erwachsene Frau!"

  • “Sie ist schon sehr weit geöffnet...“ hörte Axilla die Hebamme sagen. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, deutete es aber als ein schlechtes Zeichen für ihren Plan, die Geburt mit bloßer Willenskraft noch eine Weile hinauszuzögern. Sie wollte auch etwas einwenden und dazu sagen, aber zum einen wusste sie nicht, was, und zum anderen ging das, was ihr auf der Zunge gelegen hatte, in unartikuliertem Wimmern unter, als ihr Körper schon wieder von heftigsten Schmerzen geplagt wurde.


    Just da, als die Wehe abklang, kam Imperiosus herein. Oder so halb. Lange genug, als dass Axilla sich erschrecken konnte, und ihm ein “Alles in Ordnung. Das vergeht gleich wieder“ zurufen konnte, ehe die Hebamme ihn mit fachkundigem Griff auch gleich wieder nach draußen verfrachtete, ehe er so richtig hier gewesen war. Axilla sah den beiden hinterher, hielt sich so lange ruhig und aufrecht, um umso flehentlicher wieder weiterzuweinen, als Imperiosus den Raum verlassen hatte. Nein, nein, nein, nein, nein schrie sie nur in Gedanken, während sie auf den ruinierten Fußboden sah, auf ihre verschwitzte Haut. Sie sah bestimmt schrecklich aus, und Imperiosus hatte es gesehen. Bestimmt wusste er, was hier alle sagten. Bestimmt würde es nicht lange dauern, ehe er zu rechnen anfing, und darauf kam, dass dieses Kind zu früh zur Welt kam. Und dann war alles aus. Einfach alles.
    Axilla presste ihre Knie fest aneinander, zog sie ran, verkrampfte sich durch den Schmerz hindurch und klammerte sich an dieser unsinnigen Hoffnung fest, das alles doch noch irgendwie kontrollieren zu können. Sie musste es kontrollieren, wenn sie alles zum Guten wenden wollte. Irgendwie.


    Just da kam die Hebamme zurück und fuhr sie mit einem “Was machst du denn da?!“ lautstark an. Schon war sie wieder neben ihr, zog Axillas rangezogene Arme von ihrem Körper, versuchte, ihr die Beine leicht auseinander zu pressen oder kurz, Axilla auf die Geburt vorzubereiten. Aber sie wollte nicht. “Nein“, bettelte Axilla und versuchte, sich aus den festen Griffen zu winden, so gut es eben ging.
    Die Hebamme versuchte es nur sehr kurz mit gutem Zureden. Mit einem Mal packte sie Axillas beide Handgelenke, zog sie zu sich und schüttelte die Iunia so leicht, um sie aus ihrer Lethargie zu lösen. “Hör zu, du dummes Kind! Wenn du so weitermachst, wirst du sterben, und dein Kind auch! Willst du das?“
    Gedanken rasten durch Axillas Kopf. Durch tränentrübe Augen hindurch sah Axilla die Hebamme an, sah sie zum ersten Mal so richtig an, und all die Verzweiflung lag in ihrem Blick, die sie in den letzten Monaten so geflissentlich unterdrückt und begraben hatte. Sie wollte nicht, dass Valas Kind starb. Sie wollte nicht, dass ihr Kind starb. Sie selbst sagte sich, dass sie keine Angst vor dem Tod hatte – auch wenn sie schon durchaus am eigenen Leib erfahren hatte, dass es doch so war, hatte sie sich doch schon zwei Mal nicht umgebracht, obwohl die Ehre es von ihr verlangt hätte.


    Sie musste nicht einmal etwas sagen. Die Hebamme sah, wie der Wille in ihren Augen bröckelte und schließlich ganz brach, und nur noch Verzweiflung und Ergebenheit zurückließ. Es geschah wirklich, Axilla bekam ihr Kind. Sie konnte nichts dagegen tun, nur sterben. Und das war keine wirkliche Option.
    “Gut!“ raunte die Hebamme und fühlte noch einmal zwischen ihren Beinen, die Axilla jetzt zwar weinend, aber gehorsam öffnen ließ. “Du bist schon weit geöffnet. Wir sollten dich besser ins Bett bringen, damit du es bequemer hast. Kannst du aufstehen und laufen?“
    Axilla wusste es nicht. Sie versuchte es, sich aufzurichten, griff auch nach der Hand der Hebamme, die ihr aufhelfen wollte, aber ihre Oberschenkel zitterten so stark, dass sie es nicht auf schaffte. Gut, das macht nichts“, hörte sie die Hebamme sagen, und schon wenig später bellte die Frau Befehle. Sämtliche Sklavinnen, die noch hier waren, wurden eingespannt. Sie sollten Tücher holen, Kissen, Decken, Schalen. Eine sollte eine magische Frau herbeischaffen, und einen Einspruch, dass dies dem Hausherrn wohl nicht unbedingt gefallen würde, wurde beiseite gewischt. Und ob das Axilla gefiel, wurde ebensowenig gefragt.


    Die Decken, Kissen, Schälchen und Schalen kamen schließlich weit schneller als die Maga, die erst nach einer weiteren Stunde eintraf. Inzwischen hatte Axilla sich schon an einer Wand soweit eingerichtet – oder besser: war eingerichtet worden – dass sie die immer schneller kommenden Wehen nicht ganz so erbärmlich über sich ergehen lassen musste. Im Rücken hatte sie einige Kissen – und eine Sklavin, die ihr kräftig den unteren Rückenbereich rieb. Das nahm ein wenig Druck von ihrem Unterleib, wenn gerade keine Wehe da war. Sie saß nicht mehr auf dem nackten Boden, sondern gleich auf drei guten Wolldecken, die hinterher wohl alle ruiniert wären. Aber so war es nicht mehr so hart unter ihr. Die Füße angewinkelt keuchte sie, machte all die lächerlichen Übungen, die ihr so nutzlos erschienen waren, aber wohl doch ein ganz klein wenig zumindest halfen.
    Schließlich kam auch die Mage herein, ein altes Weib mit wirren Haaren und einem langen Stock, an dem Tierknochen hingen. Axilla konnte den Schädel einer Katze ausmachen und hatte instinktiv Angst vor dem Weib. Sie fing auch gleich an, ihre Zauber zu singen.
    “Ich rufe Iuno Licina herbei. Iuno Licina, Herrin der Mütter, Iuno Licina, Schützerin der Kinder, Iuno Licina, Helferin der Geburt.
    Ich rufe Diana herbei. Diana, die Dreiwegsgöttin, Diana, die Geburtshelferin, Diana, Helferin der Geburt.
    Ich rufe Proserpina herbei. Proserpina, die Frühjahrsgöttin, Proserpina, die Barmherzige, Proserpina, Helferin der Geburt.
    Ich rufe Isis herbei. Isis, die Mutter, Isis, die Heilerin, Isis, Helferin der Geburt.
    Ich rufe Candelifera herbei. Candelifera, die das Licht bringt, Candelfera, die die bösen Geister abwehrt, Candelifera, Helferin der Geburt.
    Ich rufe Egeria herbei. Egeria, die den Fluss des Lebens bringt, Egeria, die Schmerzmindernde, Egeria, Helferin der Geburt....“

    Kerzen wurden von der Hexe angezündet und teilweise Kräuter und Weihrauch verbrannt. Sie rief noch mehr Göttinnen herbei mit ihrem Singsang, und Axilla dachte sich, dass es hier im Balneum wohl verteufelt voll werden würde, wenn all die Göttinnen jetzt tatsächlich herkommen und zuschauen würden.


    Weiter Wehen kamen, noch schneller und heftiger, und irgendwann schrie Axilla nur noch wimmernd ihren Schmerz hinaus, lauter als das beständig weitergehende Singen der magischen Frau. Und fing ganz automatisch an, zu pressen. Auch wenn die Hebamme sie teilweise mit einem “noch nicht, noch nicht!“ davon abhalten wollte. Aber da gab es nichts aufzuhalten. Axilla hatte das Gefühl, zu zerreißen.
    “Hnnnnngggg“ presste sie nur, wieder, und wieder. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte. Sie hatte Zeitgefühl verloren, bemerkte lediglich, dass die Maga schon zum dritten mal in ihrer unglaublich langen Liste an Schutzgöttern und Geistern bei Intercidonia angekommen war. Und presste. Wieder. Und wieder. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem sie sicher war, dass sie sterben würde, weil sie keine Kraft mehr hatte. Und dennoch presste sie, ließ sich den Schweiß vom Körper waschen, sich die Hand halten, den Rücken stützen.
    Irgendwann meinte die Hebamme “Der Kopf ist da“, und dann, mit einem weiteren Pressen, war der Druck auf einmal weg. Der Schmerz war weg. Oder immer noch da, aber nicht mehr so fürchterlich.


    Und dann war da was anderes. Durch das Stimmengewirr der Sklavinnen, die alle wie aufgeregte Hühner auf einmal lebhaft wurden, durch den Singsang der Hexe hindurch, war da ein ganz leises Weinen, von Lungen, zu klein für einen lauten Schrei, einem Körper, zu schwach für ein hehres Brüllen. Und doch fesselte es Axilla auf eine Art, die sie nicht beschreiben konnte.
    Ein noch verklebtes und blutverschmiertes etwas wurde ihr auf den Bauch gelegt, und sie sah es, seine Gestalt, die winzigen Hände, der irgendwie verformt wirkende, leicht lilane Kopf, die zusammengekniffenen, winzigen Augen, die bebende Brust, die zitternden Beinchen, der winzige Mund, der leicht weinte, und doch ruhiger wurde, als er so auf Axillas geschundenem Körper lag, der ihren Herzschlag hörte. Axilla weinte, und wusste dieses Mal absolut nicht, warum. Sie berührte das Kind, ganz vorsichtig, hatte Angst, etwas kaputt zu machen. Es war so klein. So zerbrechlich. So wunderschön.
    “Du hast einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, Iunia.“
    Axilla begriff nicht wirklich, was die Hebamme ihr sagte. Sie hörte nur Junge, und sie wusste, dass sie ihn liebte. Da war keine Frage, kein Zweifel. Kein Bedauern. Noch nicht einmal Angst für einen Moment. Da war ihr Sohn. Und sie liebte ihn.
    “Er...“ Axilla wollte etwas sagen, aber wusste nicht was.
    Die Hebamme nahm das Kind wieder auf, und Axilla wollte protestieren, hob auch die Hand dem Kind hinterher, war aber zu schwach, etwas zu tun. Vor allem, da eine Sklavin sie mit einem 'Sssssh, Herrin. Ruh dich aus' zurückdrängte in die Kissen.
    Das Kind wurde gewaschen und in eine weiche Decke gewickelt, während die Hebamme Axilla bei der Nachgeburt noch half. Diese war wesentlich schneller und einfacher vorüber als die eigentliche Geburt. Schließlich durfte sie ihr Kind doch noch einmal sehen, als es ihr einmal an die Brust gelegt wurde. “Atticus...“, nannte sie es beim Namen. Eigentlich durfte sie das jetzt noch nicht, bekam es seinen Namen doch erst nach 9 Tagen. Vorhin gehörte es den zahlreichen Göttinnen, die die Maga vorhin so fleißig angerufen hatte. Aber Imperiosus hatte es ihr versprochen, dass ihr erster Sohn diesen Cognomen erhalten würde, nach Axillas Vater. Und es wäre ihr auch egal gewesen, wenn es anders wäre. Das war ihr Atticus. Und mit diesem Wissen dämmerte sie auch in einen ohnmachtähnlichen Schlaf hinüber.

  • Zuerst hatte ich einfach nur neben dem alten Griechen gestanden und gewartet, konnte ja nicht so lang dauern ... immerhin hatte sie ja Hilfe. Ich überlegte was ich sagen würde wenn sie fertig war mit .. äh dem Kind bekommen? Naja fertig eben, überlegte was es wohl anschließend zu essen geben würde, orderte dann aber schon fünf Minuten später ein wenig Obst und einen Becher Wein. Wartete und überlegte bis plötzlich eine der Sklavinnen an mich herantrat und mich mit einem verwirrten Gesicht ansah ...


    "Herr? Bist du nicht nervös? Weißt du denn schon was es sein wird, alle sind schon so neugierig!"


    Ich sah aus meinem Tagtraum auf und musterte kurz die Sklavin bevor ich in die Runde blickte und lauter fragende Blicke spürte ... scheinbar waren alle schon ganz aufgeregt nur ich nicht. Aber warum sollte ich mich auch sorgen, es war ein Pompeier der hier auf die Welt kam ... oder eben eine Pompeia ... dann sollte ich besser nicht auf eine spätere militärische Karriere anspielen, vielleicht eine Heirat? Nein noch nicht Axilla würde das sicher nicht gefallen ... und was wenn es doch ein Junge war er aber das Militär nicht mögen würde? Vielleicht ein zukünftiger Bürokrat oder Politiker ... vielleicht auch ein Priester .. oder mögen es die Götter verhindern ein Philosoph!?!?!? Oh mein Gott es gab so viele Variablen ... ich setzte mich und bettete mein Gesicht in meine Hände. Was wenn es krank war? Ob Axilla das verkraften würde? Was wenn etwas schief ging? Was wenn es Zwillinge wurden? Oh Bona Dea ich war überhaupt nicht vorbereitet!


    Ich erhob mich und konnte leise, durch die schwere Holztür gedämpft, Axillas Wehklagen höhren ... sie hatte all die Schmerzen, leistete quasi die ganze Arbeit bei dieser Sache .. irgendwas musste ich doch auch tun können. Ich ging auf und ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und den Kopf gesenkt ...


    "Ich wollte euch nicht beuruhigen Herr, bitte verzeiht mi.."


    Eine harsche Handbewegung lies die Sklavin schweigen, jetzt war mein Verstand gefragt ... "komm schon Imperiosus du verwaltest beinahe im Alleingang ein ganzes Imperium, da kann das ja wohl nicht schwer sein!" ... Ich blieb stehen, natürlich die Lösung war ganz einfach .. nein! alles nur Wunschdenken ... Ich setzte meinen Weg fort auf der Mission den ausgezeichneten Fussbodenbelag weiter abzunutzen ...


    Ich hatte gerade die Planung für Falleventualität 132 abgeschlossen als Axillas bisher lautester Schrei mich aufblicken lies, scheinbar näherte sich die Prozedur dem Ende denn die Sklavinnen und Sklaven namen bereits ihre Positionen ein. Hierbei war ich ein Fisch an Land, keine Präzedenzfälle keine Protokollanweisung und kein Handbuch ... ich war quasi im Begriff eine völlig eigenständige Erfahrung zu machen und es grauste mich davor ... mittlerweile war es völlig ruhig und man konnte beinahe jedes Wort oder eben beinahe jeden Schrei von innen höhren ... nunja nicht wirklich völlig ruhig, der alte Grieche atmete wie ein alter Gaul nach einer Tagesreise im Galopp und das obwohl er nur einigermaßen aufrecht stehen musste ...


    "Setz dich!"


    Sofort nutzte der Grieche seine Chance und nahm auf dem nächstbesten Sitzmöbelstück Platz, nun konnte ich wenigstens die leise weinende Kinderstimme höhren, die sein Mundgeruch verpessteter Atem zuvor womöglich übertönt hatte ... Kinderstimme? Noch während ich mir dessen erst richtig bewusst wurde applaudierte die Sklavenschaft schon zur gelungenen Geburt und ich konnte nichtmehr anders als die Tür aufzureißen und selbst einen Blick auf mein erstgeborenes Kind zu werfen. Die Hebamme kam mir brabelnd entgegen doch diesmal war ich es der sie mit Leichtigkeit zur Seite stieß, der folgende Blick in ihre Richtung würde auch klar gemacht haben was ihr blühte würde sie sich nochmal zwischen mich und meinen .. Sohn stellen. Ein Sohn ich konnte meine enorme Freude kaum mehr unter Kontrolle halten ich wollte springen und tanzen und am besten alles zur gleichen Zeit doch als die Sklavin mir schließlich das kleine "Etwas" reichte war ich so ruhig und kontrolliert als stünde ich wachsamen Auges hinter einem meiner Notarii. Der Junge in meinen Armen war mein Sohn, immernoch konnte ich es kaum glauben, ich wand mich zu Axilla um und schenkte ihr ein breites Lächeln ...


    "Ein Sohn Axilla, ein Sohn .. und sieh nur wie kräftig er ist! Er wird eines Tages großes vollbringen!"


    Ich gab den Jungen an eine bereits wartende Sklavin und setzte mich zu Axilla um ihr einen zärtlichen Kuss zuzuhauchen, ich saß in irgendwas nassem und es roch nicht gut aber das war mir egal ...


    "Er ist genauso schön wie seine Mutter! Die Frauen werden ihm Scharenweise hinterherlaufen, unserem Atticus."


    Um die Sitten zu waren hatte ich den Namen nur leise ausgesprochen, ich war den Göttern ohnehin zu Dank verpflichtet, die meisten Geburten die so viel früher stattfanden endeten meist weniger glimpflich, ich beschloß gleich Morgen den Tempeln einen Besuch abzustatten, vielleicht sogar zusammen mit meiner Frau!??

  • Sie musste kurz schon weggedämmert sein, denn Axilla bekam nicht mit, wie Imperiosus hereinkam, und auch nicht, dass er ihren Sohn auf den Arm nahm. Eine kleine Gnade, die die Götter ihr da schenkten, wäre sie in diesem Moment wohl am ehesten vor Angst gestorben oder hätte sich durch einen panischen Ausruf verraten. So aber öffnete sie nur müde die Augen, als er Axillas Sohn bereits auf den Armen hatte. Es dauerte einen Moment, ehe sie genug erschrocken war, um von der in ihr Hirn sickernden Erkenntnis wieder wach zu werden und zu ihrem Mann zu sehen. Er hatte Atticus auf dem Arm! Aber... sie hatte ihn ihm ja gar nicht übergeben können. Und trotzdem, vor all diesen Sklaven – auch wenn deren Wort als Zeugen wohl nicht zählte – hatte er das Kind aufgenommen. Angenommen. Als seines.


    Bis Imperiosus schließlich neben ihr kniete und ihr einen Kuss auf die noch völlig nassgeschwitzte Haut hauchte, konnte sie sich nicht rühren und nichts sagen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte Schuldgefühle, weil Imperiosus es ehrlich zu glauben schien, sich ehrlich zu freuen schien. Aber auf der anderen Seite war sie so entsetzlich erleichtert. Ihr Sohn würde leben! Er würde nicht auf einer Müllhalde von streundenden Hunden zerrissen werden, oder von einem vorbeikommenden Dieb mitgenommen werden, um als Kind an ein Lupanar verkauft zu werden. Er würde hier bleiben, bei ihr, und wäre in Sicherheit!
    Und als Imperiosus ihr auch schließlich den Namen zuflüsterte, ganz leise, da konnte Axilla nicht mehr an sich halten. Sie weinte, vor lauter Erleichterung schluchzte sie und griff schwach nach Imperiosus, zog sich in eine zittrige Umarmung, und war einfach glücklich für ihren Sohn. Imperiosus wäre sicherlich ein guter Vater, ganz bestimmt. Und er war Ritter, womit ihrem Sohn eine Karriere beim Militär offenstand. Alles, was Axilla wollte. ““Ich liebe dich“ flüsterte Axilla zurück und meinte es sogar ehrlich, wenngleich nicht in dem Sinne, in dem diese Phrase üblicherweise gebraucht wurde. Sie war nicht verliebt in Imperiosus, sie brachte ihm nicht diese Art tiefe Gefühle entgegen, die sie für alle Zeiten an seiner Seite halten würden und sie nie an anderes denken lassen würden. Aber sie liebte, dass er da war. Sie liebte, dass er ihren Sohn beschützen würde – wenn auch unwissentlich, dass es nicht der seine war. Sie liebte die Sicherheit. Sie liebte dieses glückliche Gefühl, das sie jetzt hatte. Sie liebte ihren Sohn, über alles liebte sie ihren Sohn, und sie liebte die Vorstellung, dass Imperiosus ihn auch lieben konnte. Und in diesem Moment hier auf dem Boden des Balneums waren ihr diese feinen Unterschiede zwischen dem, was sie sagte und dem, was sie meinte, viel zu egal, als dass sie sich darum Gedanken gemacht hätte.


    Allerdings dauerte der Moment nicht ewig, und Axilla hätte auch nicht die Kraft gehabt, ihn ewig dauern zu lassen. Sie war so erschöpft wie noch nie in ihrem Leben. Und das konnte man ihr auch ansehen und anmerken.
    “Du solltest deine Frau in ihr Bett bringen lassen, Pompeius. Die Geburt war sehr anstrengend, und sie muss schlafen. Ich werde morgen wieder nach ihr sehen“, mischte sich auch nach diesem Moment des Einklangs die Hebamme sehr bestimmt wieder ein. Immerhin konnte man Axilla kaum hier im Balneum liegen lassen.

  • Ich genoss den Moment mit Axilla und für einen Augenblick schien es mir als wären da nur ich und Axilla .. und das wohl wunderschönste kleine Etwas das ich jeh zu Gesicht bekommen hatte, mein erster Sohn ...


    Doch als die Hebamme sich erneut an uns wendete konnte selbst ich ihr nichtmehr wiedersprechen, Axilla war die Anstrengung anzusehen und ich war der Letzte der ihr Leben aufs Spiel setzten wollte also lies ich die Sklaven und die Hebamme gewähren als sie meine wunderschöne Frau in ihr Cubiculum brachten ...


    Ich selbst blieb noch einen Moment sitzen, gerade war mir wiedereinmal bewusst geworden wie anders mein Leben verlaufen war als ich es ursprünglich geplant hatte ... die Hochzeit und nun auch gleich ein Sohn ... früher hatte ich nie verstanden wie mein Vater sich für eine Familie hatte entscheiden können, hatte sie ihn doch öfter den letzten Nerv gekostet oder einfach nur bei seiner Arbeit behindert ... doch jetzt da ich selbst am Anfang einer Familie stand konnte ich ihn gut verstehen.

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