Aegyptus wird zur Festung

  • Nachdem sie die Auxiliarkohorten am Campus abgeholt und instruiert hatten, begann ein Marsch, der die Kolonne von Nikopolis zunächst einmal entlang der Küste des Mare Nostrum führte. Die Turma I der Legion bildete die Vorhut, bei der auch der Tribunus Angusticlavius Iullus Quintilius Sermo ritt. Darauf folgten gestaffelt die beiden Auxiliarkohorten und die beiden Centurien der zweiten Kohorte. Dazwischen befand sich der Tross mit Werkzeug und anderen Materialien, in dem die vielzähligen Immunes mitmarschierten. Die Nachhut bildete schließlich die zweite Turma.


    Sermo unterhielt sich auf dem Weg mit dem Decurio der ersten Turma. Sie plauderten in höflichem Ton über die bisherige Dienstzeit des Offiziers, ob er Familie im Lagervicus hatte, wie Sermo überhaupt nach Aegyptus gekommen war und solcherlei Dinge. Irgendwann schwiegen sie eine Weile, weil ihnen nichts Nennenswertes mehr einfiel.


    Decurio Tiberius Cadius Tlepolemus brach schließlich das schweigen: "Erlaube mir noch einmal die Nachfrage, Tribunus. Wo genau liegt unser erster Zielort?"
    Sermo wollte es ihm gerne erläutern: "Wir peilen Saïs an. In der nähe der Polis soll das erste größere Castellum errichtet werden. Dort wird die...Cohors II Cornelia Aegyptorum Lager beziehen. Und dann peilen wir einfach die allgemeine Richtung Nordosten an und suchen uns in der Nähe der Küste einen schönen Flecken für das zweite große Castellum, das dann die Cohors III Annaea Aegyptorum bezieht. Dazwischen, und vor allem auch noch westlich von Alexandria, werden wir aber auch noch ein paar vorgeschobene Aussichtstürme etablieren. Falls da mal etwas Bedrohliches über's Meer kommen sollte, dann will ich es früh genug wissen."
    Der Decurio nickte. "Bleibt zu hoffen, dass es gar nicht erst so weit kommt."
    "Richtig", stimmte Sermo zu. "Wie dem auch sei. Die Legionen bleiben in Nikopolis. Ich schätze, es macht wohl am meisten Sinn, Alexandria direkt zu beschützen. Alle anderen Poleis erscheinen mir von vornherein gar nicht eroberungswert, wenn man die Provinzherrschaft zügig an sich reißen will. Was aber nicht heißt, dass die Legionsreiterei untätig im Legionslager verbleiben wird. Ihr Jungs werdet als Meldereiter zwischen den Auxiliarcastellen und Nikopolis sein. Irgendwer muss ja die Nachrichten von den Wachtürmen zügig in unsere Kommandozentrale bringen."
    Sermo lächelte. Decurio Cadius lächelte zurück. So ritten sie einige Zeit weiter.


    "Drecksmücken", fluchte der Tribunus dann irgendwann, als er sich zum hundertsten Mal eins der summenden Plagegeister auf der Haut kaputtschlug. Während sie richtung Osten zogen, überquerten die Soldaten etliche Bachläufe oder Nebenarme des Nils, an deren Ufern im Dickicht die Blutsauger in Schwärmen lauerten.
    "Absolut", pflichtete der Decurio grollend bei. "Aber da sind wir wohl nicht allein." Dabei wandte er sich um und adressierte seine Männer: "Nicht wahr, Equites?" Wobei er darauf spekulierte, dass die Männer nicht wirklich mitbekommen hatten, was die beiden Offiziere miteinander besprochen hatten.

  • Wie wo was? Was wollte der Decurio von seinen Männer? Auch egal, gewohnt zu antworten schallerte es ein "Jawohl Decurio" durch das halbe Delta. Die Pferde waren es lästig, die ganzen Mücken nervten nicht nur die Menschen und so manches Pferd schlug wild mit dem Schwanz um sich und traf dabei auch den ein oder anderen Eques der daneben herreitete.
    "Mistviecher, da war mir die trockene Wüste lieber, oder zumindest Nikopolis."
    Dort war es zwar auch nicht richtig trocken, aber auch nicht gerade so extrem schwül wie es im direkten Delta war. Und das tolle daran war, sie durften das ganze Delta durchreiten, Sumpflandschaften von ausgetrockneten Nilarmen, Flussüberquerungen dazu sengende Sonne und extrem hohe Luftfeuchtigkeit.


    Es war eine wahre Freude, mehr konnte man dazu nicht sagen. Die Marschkolonne umfasste etwa 2,5km an Länge, dazu ein tolles, wolkenfreies Wetter. Jeder Auxiliar, jeder Legionär oder Eques schwitzte sein ganzes Körperwasser aus nur um diese unerträgliche Schwüle nur noch unangenehmer zu machen. Es war lästig aber notwendig doch in diesen Momenten wünschte sich Thyrsus wieder zurück nach Germanien. Lieber würde er diesen Griechen ertragen als solch ein Wetter, aber er hatte Hoffnung dass er sich daran gewöhnen würde. Dem Tribun schien es weniger auszumachen, aber es konnte auch gut sein dass er dies nur gut verbergen konnte. Er wirkte frisch, fröhlich und vor allem voller Tatendrang.

  • Der Tross erreichte langsam aber stetig sein Ziel und auch wenn die Schwüle, die Hitze und vor allem die Mücken jedem zur Last wurden, so ging es weiter. Die neuen Auxiliare machten sich bezahlt, denn sie waren dieses Klima und alle Nebeneffekte bereits gewöhnt, sie meckerten weitaus weniger als die Römer und schienen auch regelrecht glücklich mit allem zu sein. Hatte denen niemand gesagt dass sie eventuell schneller tot waren als sie dachten?


    Selbst der Tribun schien, je näher das Ziel kam, guter Launer zu sein und Thyrsus würde schwören er hätte ihn einen Gassenhauer aus Rom pfeifen gehört. Plötzlich aber kam da wieder eine Melodie auf und langsam und leise begann wieder einmal die Turma Prima zu singen...erst leise dann lauter und lauter.


    "Ein schwerer Kampf steht uns bevor
    doch fürchten wir uns nicht
    Wir reiten schnell und lachen nur
    dem Feind ins Angesicht
    Wir stehen zusammen, tausend Mann,
    Brüder im Metall!
    Und kämpfen für das heilge Ziel
    des feigen Feindes Fall!


    Die Schlacht sie tobt wie nie zuvor
    Und nun der Männerchor!


    Wir sind Verteidiger des römischen Reiches
    Krieger in Stahl, Holz und Gold
    TOD - den feigen Feinden!
    Eure Niederlage ist unser Sold
    Verteidiger des römischen Reiches
    Mit lachendem Herzen ziehn wir in die Schlacht
    Tod - den feigen Feinden!
    Denn wer mit uns kämpft, der hat die Macht


    Wir werden siegen oder sterben, das wahre Heldentum
    Wir bringen unserm Feind Verderben und marschieren in den Ruhm
    Die Schlacht, sie macht die Nacht zum Tag, erhellt im Feuerschein
    Die Brüder kämpfen unverzagt - der Sieg wird unser sein!


    Die Schlacht sie tobt wie nie zuvor
    Und nun der Männerchor


    Wir sind Verteidiger des römischen Reiches
    Krieger in Stahl, Holz und Gold
    Tod - den feigen Feinden!
    Eure Niederlage ist unser Sold
    Verteidiger des römischen Reiches
    Mit lachendem Herzen ziehn wir in die Schlacht
    Tod - den feigen Feinden
    Denn wer mit uns kämpft, der hat die Macht


    Oh mächt'ge Götter Jupiter, Mars - ich bin Euer Sohn
    Mein Leben liegt in Eurer Hand, ich knie vor Eurem Thron
    Verteidiger des Glaubens bin ich, unsrer Religion
    Des römischen Reiches Siegeszug - das ist meine Mission
    So blicke ich zu Euch empor
    Und lausche dem Männerchor


    Wir sind Verteidiger des römischen Reiches
    Krieger in Stahl, Holz und Gold
    Tod - den feigen Feinden
    Eure Niederlage ist unser Sold
    Verteidiger des römischen Reiches
    Mit lachendem Herzen ziehn wir in die Schlacht
    Tod - den feigen Feinden
    Denn wer gegen uns kämpft, stirbt noch vor Einbruch der Nacht!"


    Ob der Tribun das Lied kannte? Ob sonst jemand hier das Lied kannte? Thyrsus wusste es nicht, aber anscheinend war es zumindest manch anderen geläufig, denn auch ein paar der älteren Milites aus den mitmarschierenden Centurien sangen mit, soweit man das auf die Entfernung hören konnte.

  • Sermo und der Decurio grinsten sich gegenseitig an, als die Equites zu singen begannen. Schnell stimmten auch die Legionäre ein und sogar die Hilfstruppen konnte bald den Kehrvers mitsingen. Dieser lästige Marsch wurde bald recht fröhlich.
    "...Tod - den feigen Feinden
    Denn wer gegen uns kämpft, stirbt noch vor Einbruch der Nacht!"

    sang auch Sermo und war auf einmal sehr stolz, dem Exercitus Romanus und im speziellen der Legio XXII anzugehören.


    Bald wurde ein weiteres schönes Marschlied angestimmt.
    "Von Britannias rauhen Küsten
    bis Aegyptus' großem Strom
    ziehen wir mit Mut zu Felde
    für den Kaiser, Ruhm und Rom..."


    "Unser Alltag ist das Training
    und die Siege unser Lohn
    und wir tragen stolz den Namen
    einer römischen Legion!"


    "Wenn der freche Feind die Klingen wetzt,
    sprießt die Saat der Rebellion,
    doch wir merzen dieses Unkraut aus
    wir, die römische Legion!"


    So erreichte die Kolonne bald Saïs, wo sie aber nicht halt machten, sondern sich der Küste zuwandten und einen halbwegs trockenen Flecken suchten. Der war bald gefunden. Es handelte sich um ein Stück Land zwischen zwei Nilarmen, das zur Westseite hin über eine Furt erreichbar war.
    "Sarcinas et arma deponite!" befahl Sermo schließlich. Dann wurde Order gegeben, ein Standlager zu errichten. Dabei gab er den Offizieren in einer kurzen Besprechung die nötigen Befehle. "Meine Herren, die Hilfstruppen werden getrennt lagern. Lasst die Cohors II ein ordentlich Standlager errichten. Die Cohors III soll nur Zelte aufschlagen, denn morgen wird weitermarschiert. Die werden noch früh genug ihr eigenes Castellum zimmern. Abite!"
    Und so begann die Arbeit. Es wurden Bäume gefällt, Gräben ausgehoben und Baracken gezimmert. Die Arbeit würde einige Tage dauern. Bis für alle Männer der Cohors II feste Baracken bereitstünden, würden sie eben noch in Zelten nächtigen. Sermo betrachtete die Milites zufrieden. Er würde den Göttern opfern, dass es gar nicht erst so weit käme, dass die Hilfstruppen ausrücken mussten.

  • Auch das zweite Lied war Thyrsus bekannt und so konnte er schnell mitsingen. der Marsch wurde so erträglicher, die Stimmung sehr heiter und man könnte fast meinen der Gesang würde die Mücken vertreiben. Ob es auch bei Feinden hilfreich wäre?


    Kurz darauf wurde bereits Halt gemacht und nun began der durchaus lästige Aufbau eines Lagers. Auch für die Eques hieß es schuften, denn die Pferde musste versorgt werden und geeignete Unterkünfte geschaffen werden. Keine leichte Aufgabe in der schwülen Hitze des Nildeltas.

  • Das Marschlager der zweiten Kohorte wurde am folgenden Tag wieder abgebrochen. Die Offiziere der griechischen Poleis waren eingetroffen und übernahmen das Kommando der Hilfstruppen, wie es vereinbart gewesen war. Während ihre Kameraden also das befestigte Standlager errichteten, marschierten die Auxiliares der Cohors III weiter, um sich einen Standort für ihr eigenes Castellum zu suchen. Sermo hatte schon eine ungefähre Vorstellung, da er sich zuvor Karten der Umgebung angesehen hatte. Aber schließlich war dann die persönliche Besichtigung der Gegend ausschlaggebend. Der Marsch dauerte seine Zeit und oft wurde halt gemacht, damit das Gebiet vernünftig in Augenschein genommen werden konnte.


    Letztlich fand sich aber ein geeigneter Standort und zum späten Nachmittag des nächsten Tages hin wurde mit dem Ausheben der ersten Gräben begonnen. Auch hier leisteten die Auxiliare einiges an Arbeit, schlugen Holz und schaufelten Erdreich en masse, um sich ordentlich zu verschanzen. Am Folgetag leiß Sermo bereits die Orte für die Vorposten an der Küste festlegen, wo am nächsten Tag hölzerne Wachtürme angelegt werden sollten. Sie waren hier nun an der fast nördlichsten Küstenlinie Ägyptens (noch ein Stückchen weiter nördlich gelegen war die Spitze einer Halbinsel weiter östlich, deren Namen Sermo aber nicht kannte), von wo aus Sermo sich eine gute Kontrolle des östlichen Nildeltas versprach.


    Gerade einmal eine halbe Woche also, nachdem die Hilfstruppen Nikopolis verlassen hatten, war der Bau iherer Standlager in vollem Gange und die Küstenaufklärung sichergestellt. Sermo gönnte sich also einen Abend geruhsamer Entspannung, als er sich von seinem Leibsklaven Cleon eine ordentliche Mahlzeit kredenzen ließ und sich dazu sogar ein wenig Wein gönnte. Kurze Zeit später hatte Cleon sogar noch eine ganze besondere Überraschung für seinen Dominus parat. Der Sklave hatte doch tatsächlich eine Fischertochter aus einem nahegelegenen Örtchen ins Lager gebracht, die sich dem Quintilius daraufhin bereitwillig anbot - gegen ein läppisches Entgelt versteht sich. Sermo jedenfalls hatte seinen Spaß mit der dunkelhäutigen Ägypterin mit vollen Hüften und die Kleine hatte genug Geld verdient, um sich zwei, drei Tage lang problemlos über Wasser halten zu können.
    Als Sermo sich mit seiner Gespielin ausreichend vergnügt hatte, fiel er einfach nur noch müde auf sein Feldbett. Dabei lag er noch einige Zeit wach und ließ sich die Geschehnisse der letzten Tage durch den Kopf gehen. Dann wiederum musste er an die kommenden Wochen und Monate denken. Hoffentlich hielt Vescularius sie hier in Aegyptus für nicht bedrohlich genug oder hatte an anderen Fronten zu kämpfen. Sermo hatte nicht wirklich Lust, ernsthaft in einen Bürgerkrieg verwickelt zu werden. Letztlich fiel er dann doch in einen traumlosen Schlaf, der ihm ein bisschen Ruhe brachte in diesen brisanten Zeiten...

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!