Fremd und doch Zuhause

  • Vom impulsiven Temperament ihres Vaters besaß Romana kaum etwas. Nur ihr Name erinnerte sie tagtäglich an Faustus Petronius Romanus, ihren geliebten Vater. Selten bekam sie ihn lange zu Gesicht, konnte sich jedoch immer noch gut an sein braunes Haar erinnern, vor allem wenn sie in den Spiegel sah um ihre Lockenpracht zu bändigen. Einzig ihre Augen ähnelten die ihrer Mutter, waren genau so klar und wasserblau. Auch besaß sie das sanfte Wesen jener Frau, die sie unter Schmerzen gebar und aus der Familie der Decimer abstammte, die damals, genau wie ihre Familie in Hispania angesiedelt waren. Ihrer Meinung nach, lebten heute dort nur noch Wenige, die etwas von ihren Wurzeln und ihre tote Mutter erzählen könnten. Was in ihren Augen wohl auch der Grund war, weshalb sie vom Cousin ihres Vaters, Marcus Petronius Crispus, die Erlaubnis bekam, nach Rom zu reisen.
    Wohl wissend, dass die Reise für so ein zartes Persönchen anstrengend sein würde, bekam sie nicht nur seinen einachsigen Reisewagen, sondern auch eine ältere erfahrene Sklavin an ihre Seite gestellt, ob ihrer Gesundheit und Erklärungen zu Benehmen und Tischmanieren.
    Obwohl Romana gut erzogen war, verbarg sie in Gesprächen des Öfteren weder ihre Naivität noch ihre vorlaute Geschwätzigkeit. Ihr von Kreativität geprägtes Wesen sprudelte dann über und sie war kaum zu bremsen.
    Sie gestaltete sehr gerne schöne Dinge selbst oder zeichnete sie als Vorgaben zur Herstellung von Töpferwaren oder Schmuckgegenständen. Ein paar besonders schöne Stücke trug sie als Schmuck am Oberarm, um den Hals und als Fibeln zum Halten ihrer ockerfarbenen Reisetunika, die sich von einem passenden Gürtel gehalten, um ihren schmalen Körper drapierte.
    Durch die Nervosität ihrer Begleiterung angesteckt, sah sie seit kurzer Zeit ständig aus dem Fenster. Der Kutscher hatte ihnen durch Zurufen signalisiert, dass sie kurz vor den Toren Roms zum Halten kommen würden. Es sähe so aus, als würden Kontrollen durchgeführt werden und sie möchten doch das passende Dokument bereit halten, sollte man sie aufhalten wollen.

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    Nuha


    Hektisch begann Nuha in der kleinen Truhe zu kramen, die zwischen ihr und Romana stand und verschiedene Pergamentrollen enthielt. Ihr Herr hatte ihr aufgetragen, auf die Kleine Obacht zu geben, als handele es sich um ihr eigenes Kind. Auch wenn sie kinderlos war, schlug in ihrer Brust das Herz einer Mutter. Sie durfte sich bereits um das Wohl des Cousins von Crispus kümmern, wenn dieser sich in dessen Haus aufhielt. Damals war er ein Heißsporn und sie liebte ihn, wie ihren eigenen Sohn. Wenn sie Romana mit ihren, durch das Alter leicht getrübten Augen ansah, erkannte sie ihn hinter den weichen Gesichtszügen der jungen Frau. Auch erinnerte sie sich daran, dass er Träume in sich trug, die der seiner Tochter sehr ähnelten, wenn er sie auch nicht offen aussprach und lieber hinter seinem impulsiven Temperament verbarg.
    Die Hand über die der jungen Frau schiebend, lächelte sie etwas müde und beruhigte sie mit leisen Worten, dass alles seine Richtigkeit habe, die Pergamentrolle in der Truhe sei.

  • Als das Gefährt dann plötzlich zum Stillstand kam, die großen Räder sich in den Untergrund gruben, war ein leises Fluchen vom Kutschbock zu vernehmen. Stimmengewirr drang an das Ohr von Romana, ließen ihre Hellblauen verängstigt größer erscheinen. Der Blick zu ihrer Begleiterin sprach Bände und der Griff nach deren Hand war fest und verkrampft. Die Götter stehen uns bei. Worte, die von der Braunhaarigen zur Beruhigung bei jeder Gelegenheit ausgesprochen wurden, wenn sie sich hilflos vorkam und sie dabei auf der Suche nach weiteren Erklärungen war. In der Hoffnung, Nuha sei in der Lage dazu, kreuzte sie ihren Blick von einem Auge zum anderen wechselnd, deutete mit der freien Hand auf die Truhe. Willst du nicht aussteigen?
    Die Stimmen von Draußen wurden inzwischen immer lauter und näherten sich dem Verschlag. Gleich! Das Pochen im Brustkorb der jungen Frau nahm immer stärker zu, ließ den Atem stocken und ihre Reaktionen sichtlich fahriger erscheinen. Mach schon! Drängten ihre Worte die Ältere. Mach schon! Gib ihnen was sie wollen! Gleich werden sie hier sein! Die Männerstimmen waren nun so laut, dass im Inneren jedes Wort zu verstehen war und ihr durch das Gehörte und den barschen Ton, kalte Schauer über ihren Rücken zu laufen begannen.

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    Nuha
    Vom Drängen Romanas angesteckt, nahm sie die offenbar wichtige Schriftrolle aus der kleinen Truhe. Gerade, als sie den Deckel wieder geschlossen hatte und sich anschickte, den Wagenschlag zu öffnen, gab er nach. Ein helmbedeckter Kopf schob sich herein gefolgt von einer derben großen Hand, deren unmißverständliche Geste mit den Fingern Nuha als Aufforderung sah. Jawohl Herr!
    Nicht ängstlich wirkend, jedoch auch ohne erkennbaren Widerstand, übergab sie das Begleitschreiben. Dabei behielt sie sich vor, die Sicht auf ihren Schützling im Wageninneren mit ihrem Körper zu verwehren.

  • Verborgen hinter dem Rücken von Nuha, blinzelte Romana über deren Schulter. Durch das plötzliche Schließen des Wagenschlages durchgerüttelt, stieß sie in dem Moment mit der Stirn gegen deren Hinterkopf. Autsch! Sich die schmerzhafte Stelle reibend, ließ sie sich dann doch vor Erleichterung seufzend in die Polster fallen. Wir sollten Minerva zum Dank ein Opfer bringen und dafür dem Kutscher Bescheid geben, er soll uns zum Tempel bringen.
    Keiner anderen Gottheit war die Braunhaarige so zugetan, wie der Göttin mit der Eule. Jetzt, nachdem das Gefährt wieder Fahrt aufnahm und der Weg nach Rom für sie frei gegeben wurde, war es ein Muss für sie, ihr zu huldigen. Nuha, was hältst du von meinem Vorschlag? Im Gesicht der Älteren forschend, lächelte sie diese unwiderstehlich an. Dabei war sie sich der Wirkung dieses Ausdruckes durchaus bewusst und selbst wenn die Bitte ein nein bedurft hätte, würde sie ein ja hören.

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    Nuha


    Ein leises Seufzen der Älteren, vor allem durch das unwiderstehliche Lächeln ausgelöst, war zu hören und wurde mit einem sachten Nicken bestätigt. Wir werden Minerva huldigen. Nuha hatte bereits vor Reiseantritt alle Vorbereitungen getroffen und mit dem Kutscher besprochen, wie und wo er zu halten hat. Jetzt sah sie entspannt ihren Schützling an und ordnete ihr sorgsam die Tunika. Du solltest daran denken, du musst die Schuhe ablegen, bevor wir den Tempel betreten. Nicht ermahnend war ihr Ton, eher leicht besorgt klingend. War es doch in den Tempeln recht kühl und sie hatte Sorge, dass ihr Schützling sich erkälten könnte.

  • Als der zweirädrige Reisewagen erneut anhielt, weiteten sich die Hellblauen von Romana und der Griff ging abermals in Richtung Nuha. Was bedeutet das nun wieder? Die Frage leise flüsternd, als könnte sie jemand hören und den Schlag öffnen, hielt sie die Hand der Älteren gedrückt.
    Als ihre Begleitung beruhigend über ihre Finger strich und sie mit Worten besänftige, dass sie wahrscheinlich den Tempel erreicht hätten, entspannte sich deren Haltung wieder. Ihre Augen begannen zu leuchten und es war nicht zu übersehen, dass sie es kaum erwarten konnte, auszusteigen.
    Von Nuha wurde sie allerdings weiterhin in ihrem Tun gebremst, hielt diese doch die Hand der Jüngeren fest umschlungen und verharrte wartend, bis der Kutscher die Tür öffnete und somit den Blick auf die Tempelstufen frei gab.
    Ungeachtet des Alters drängte sie leicht von hinten schiebend, forderte mit Aufregung in der Stimme. Beeile dich doch! Wie lange soll ich es noch aushalten?

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