Eine Octavia auf dem Weg nach Rom

  • Der Reisewagen rumpelte und pumpelte die aus großen Steinen bestehende Straße entlang. Wie hie es so schön. Alle Wege führen nach Rom - und so auch mein Weg, der mich von Pisae nach Rom, zu meinem Vater, führte.
    Ich fühlte mich nur noch zerschlagen und hatte das Gefühl, mein ganzer Körper würde aus blauen und grünen Flecken bestehen.
    Ich schloß meine Augen und lehnte mich in die Sitze zurück, nur um fast sofort wieder aufzustöhnen, als wir durch ein Schlagloch fuhren.
    Wie froh wäre ich, wenn diese Tortur endlich Enden würde.
    Meine Gedanken schweiften ab - wie es wohl wäre ein Vogel zu sein?


    Ja, was wäre wenn ich ein Vogel wäre. Ich könnte hoch am Himmel fliegen - leicht und schwerelos dahingleiten. Über den Wolken die Freiheit geniessen, den Göttern nahe sein.
    Würde mein Blick nach unten schweifen, würde ich ein Land erkennen in Form eines Stiefels - umringt von azurblauem Wasser, daliegend wie ein Kleinod.
    Im Norden die Massiven Alpen - ein Albtraum sie zu überwinden. Im Süden - endlose Sandstrände, aber auch Olivenhaine und Weinhänge, die zum Verweilen einladen.


    Da ich jedoch kein Vogel war - erblickte mein Auge den Staub der Handelskarawanen, die neben Gütern wie Wein, Fisch und Olivenöl auch Sklaven mit sich führten. Stationen an denen das Pferd ausgetauscht wurde und man sich in der Garküche eine Kleinigkeit zu essen besorgen konnte.
    Zwischendurch waren die Kreuze aufgestellt, an denen Verbrecher für ihre Übeltaten zu büßen hatten.


    Wie viele Tage wir schon in der Kutsche verbrachten, konnte ich nicht sagen. Doch jeder Tag länger schien mir einer zuviel. Ich wollte endlich die pulsierende Stadt Rom erleben. Den Tiber sehen, indem Romulus und Remus ertränkt werden sollten und dann von dem Gott Tiberinus errettet worden sind, um Rom die schönste und mächtigste Stadt der Welt zu erbauen.

  • [Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/120617/zv9xa4nu.png] Lamia - Sklavin


    Die Räder ratterten und die Kutsche schaukelte auf der Straße wie ein Schiff in der Brandung. Und ich fühlte mich genauso übel wie als wenn ich auf einem Schiff wäre.
    Wieso hatte meine Domina nicht ein solches bestiegen? Das fragte ich mich zum unzähligsten Male.
    Um sie und mich abzuklenken, griff ich nach einer Papyrusrolle und begann vorzulesen.


    Und was, als ein Buchstabe der fleißigen Hand erblickt worden ist,
    ist auch sogleich von deinen Augen meine Schrift erkannt worden,
    oder wüsstest du nicht, wenn du nicht den Namen der Verfasserin: Sappho gelesen hättest,
    woher dieses kleine Werk auf den Weg geschickt wird?
    Vielleicht fragst du auch, weshalb mein Gedicht im wechselen Versmaß ist, obwohl ich doch eher fürs lyrische Versmaß geeignet bin.
    Meine Liebe muss beklagt werden: ein weinerliches Lied der Klage, Nicht irgendeine Leier passt nicht zu meinen Tränen.
    Ich brenne, wie der fruchtbare Acker, wenn die Ernte entbrannt ist, und wenn der Südwind ungebändigt das Feuer schürt.
    Weitentfernte typhoische Gefilde des Aetnas, Phaon, besuchst du.
    Mich hält eine Glut, nicht kleiner als das Feuer des Ätnas.
    Und nicht mir kommen, die ich mit gestimmten Saiten Lieder dichten will – notwendig ist ein freies Gemüt für Lieder, und keine Mädchen von Phyrra und
    Methymnia, auch nicht die ganze Schar von Lesbierinnen hilft mir.
    Nichtsnutzig Anactorie, nichtsnutzig mir die weiße Cydro.
    Und nicht wie vorher ist meinen Augen Atthis willkommen und die hundert anderen, die ich nicht ohne Vorwurf liebte.
    Schändlicher, du hast als einziger das, was vorher viele hatten.
    In dir ist eine Schönheit, du hast ein Alter, geeignet für Spiele . oh die Schönheit ist hinterhältig für meine Augen!
    Nimm Leier und den Köcher – du wirst zweifelsohne Apoll.
    Deinem Kopf mögen Hörner wachsen – du wirst Bacchus.
    Phoebus liebte Daphnis, und die Knossische liebte Bacchus und weder jene noch die andere kannte die lyrischen Weisen.
    Aber mir diktieren die Pegasischen Freundinnen schmeichelnde Lieder.
    Schon wird auf der ganzen Welt mein Name genannt.
    Und Alcaeus, mit dem ich Heimat und Leier verbinden, hat nicht mehr Lob, auch wenn er erhabener singt.
    Wenn mir die beschwerliche Natur keine Schönheit zugestanden hat, wäge ab mit der Begabung die Frevel meines Aussehens.
    Ich bin zwar klein, aber ich habe einen Name, der alle Länder anfüllt. Ich trage selbst das Maß des Namens.
    *


    Sim-Off:

    *Ovid - Sappho an Phaon - von hier

  • Wir fuhren los, sobald Sol seinen Wagen vorspannte und am Himmelszelt seine Bahnen zog, bis Luna erschien und ihren Bruder ablöste.
    Je näher wir Rom kamen, desto besser wurden die Straßen und auch waren mehr Leute unterwegs, die meisten zu Fuß. Ich war froh, die Annehmlichkeiten einer Kutsche zu besitzen und in den Stationen, die wir bisher angefahren waren entsprechend als Tochter eines Senators behandelt worden zu sein.


    Immer wieder fragte ich mich, ob mein Vater die Nachricht meines Erscheinens erhalten hatte und ob er erfreut darüber war.
    Ich freute mich schon sehr darauf meinen Pappili wiederzusehen und in die Arme zu schliessen - etwas, das viel zu selten geschehen war, da er die Straßen nach Pisae mied. (Was vermutlich an meiner Mutter lag.)

  • Die Tore Roms kamen immer näher. Ich hieß die Kutsche anhalten und gab Lamia zu verstehen, das ich auszusteigen wünschte, um einen Blick auf die glorreiche Stadt zu werfen.
    Zu meinen Füßen wuchsen Teppiche von gelben und violetten Blumen. Der Duft von Thymian, Rosmarin und Lavendel strich mit dem Wind, der auch die goldroten Prunkfalter mit sich trug, über die Hügel hinauf bis an meine Nase. Tief zog ich den Wohlgeruch ein.
    Die Sonne stand groß und golden am Himmel und ließ den träg dahin fließenden Tiber wie unzählige Diamanten erleuchten.
    Noch erfreute ich mich an diesem würzigen Bukett, doch wußte ich auch, was mich erwartete je näher ich dem Tiber und der Stadt Rom kam.
    Ich wußte schon jetzt, das ich um Orte in Flußnähe einen großen Bogen machen würde und auch um die Gerber.


    Nachdem ich dieses wunderbare Bild einige Zeit genossen hatte, verspürte ich eine innere Unruhe und den immer unbändigeren Wunsch Rom und meinen Vater zu erreichen.
    So fuhr ich den Kutscher an, die beiden Gäule anzutreiben, damit wir schnellstmöglich die Tore passieren würden.


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    Folgte man der Via Aurelia von Pisa nach Rom kam man an Populonia, Vetulonia, Orbetello, die Landschaft von Maremma, Aqua Tauri und Pygri vorbei ehe man durch das Porta Flumentana die Straßen von Rom betrat.
    Oder in meinem Fall mit der Kutsche einfuhr, nachdem wir den Tiber überquert hatten.
    Kaum hat man das gewirr der Straßen eingetaucht -nachdem ich der Stadtwache mitteilte wer ich bin und was mein begehr ist - erblickt man Massen von Menschen und die dazugehörigen Abfälle welche vermischt mit Schmutzwasser in den Abwässerkanälen rinnen.
    Dick schwarzumränderte Zettel an den Häusermauern beklagen den Tod eines Mitbürgers, und auf der Steinbank im Torweg sitzen alte Männer, vertieft in Spiele und Gespräche. Dazwischen lungern kleinere Händler herum, welche sich keinen Stand auf den Marktplätzen leisten können, oder wollen, da ihre Ware nicht unbedingt ihr besitz ist.


    Ich sog Neugierig alles auf, was ich erblickte. War diese Stadt doch der Nabel der Welt und Pisae nur eine kleine Stadt, wo jeder jeden kannte mit einem Hafen an der Mündung des Arno.
    Ich verspürte ein glückseeliges Kribbeln im Bauch, als wir der Casa Ocatvia immer näher kamen und ich sie ausmachen konnte.
    Obwohl ich gespannt und aufgeregt war, meinen Vater endlich wieder zu erblicken, wäre ich in diesem Moment gerne wieder umgekehrt und geflohen. In mir tobte ein Sturm von Gefühlen, dessen ich nicht Herrin werden konnte.

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