• Es war lausig kalt. Pacatus und Struthas waren die letzten Tage fast nur bergauf gegangen. Immer hatte man geglaubt, die Passhöhe erreicht zu haben, aber immer wieder türmten sich vor ihnen neue Berge, auf die der Weg hinauf führte. Pacatus fürchtete schon, dass dieser verfluchte Weg sich am Ende noch direkt über einen dieser gewaltigen Gipfel schlängeln würde.


    Aber jetzt sahen sie, dass sich vor ihnen ein breites Tal absenkte. Sie waren an der höchsten Stelle ihrer Reise angekommen. Mit einem Male wurde Pacatus bewusst, dass er im Begriff war, in ein unbekanntes Land vorzustoßen. Als er von Roma weg ging, waren ihm solche Gedanken nicht gekommen, aber jetzt war er dabei, Italia zu verlassen und die unbekannten Länder nördlich der Alpes zu betreten.


    Er beschloss, ein Opfer zu bringen, bevor er diesen Schritt tat. Er suchte sich etwas abseits des Weges einen großen Stein, der als Altar dienen konnte und zündete darauf Weihrauch an. Mangels einer Toga bedeckte er sein Haupt mit dem Mantel.


    "Oh Abeona, Schutzgöttin derer, die von zuhause weggehen. Schutzgöttin der Reisenden, die ihr Heimatland verlassen. Wir stehen hier demütig vor Dir, schau auf uns mit Wohlwollen. Hör unser Gebet und und verkünde es auch den anderen Göttern. Wie dieser Weihrauch, so möge unser Gebet zu Dir hinaufsteigen."


    Er schob den noch schwelenden Weihrauch etwas zur Seite. In die Mitte legte er zwei Handvoll Datteln. Struthas fügte noch eine Handvoll Zwetschgen dazu, die er vor zwei Tagen in einem Bauernhof 'erstanden' hatte. Dann schüttete Pacatus den Wein, den er noch hatte, über den Stein.


    "Oh Abeona, Herrin über das Wohl der Reisenden, Du lässt kein Leid über die kommen, die unterwegs sind, Du hältst Übel von ihnen fern, Du führst ihre Schritte an allen Gefahren vorbei und hast ein wachsames Auge auf Deine Schutzbefohlenen. Dein Wohlwollen gibt uns Kraft für unsere Reise".


    "Darum bringen wir Dir dieses Opfer und legen es Dir ehrerbietig zu Füßen, wie wir es immer mit Freuden tun. Oh Abeona, wir bitten dich um Deinen Schutz auf unserem Weg. Halte diejenigen von uns fern, die uns Übles wollen. Gewähre uns diese Gunst und unser Dank wird immer groß sein".

  • Ganz in der Nähe des Steins fand sich eine windgeschützte Stelle unter einem überhängenden Felsen. Hier hatten schon andere gelagert, das sah man an den Spuren und den Resten von Lagerfeuern. Der gegebene Platz für eine Übernachtung, zumal Pacatus und Struthas an diesem Tag schon eine ansehnliche Strecke zurückgelegt hatten.


    Am nächsten Tag mussten sie allerdings feststellen, dass sie von der gestrigen Aussicht auf das weite Tal genarrt worden waren. Der Weg senkte sich nämlich zunächst, um dann wieder bergan zu steigen. Aber oben angekommen, blickten sie auf einen kleinen See und in der Nähe des Sees auf die Gebäude einer Mansio. 'Beim Hades', sagte sich Pacatus, 'wären wir gestern nur ein bißchen weiter gegangen, dann hätten wir ein Dach über dem Kopf haben können'.


    Es waren zwar nur wenige Reisende bei der Mansio anzutreffen, aber dafür herrschte ein geschäftiges Kommen und Gehen von Kavallerietrupps, die auch die fast ganze Mansio in Beschlag genommen hatten. Sie gehörten wohl zu den Vorauseinheiten de Heeres, von dessen Kommen man schon in der Ebene des Padus gemunkelt hatte. Immerhin gelang es Pacatus, eine kleine Mahlzeit zu ergattern, die sie in Ruhe einnahmen. Denn Abeona war ihnen offenbar, abgesehen von dem kleinen morgendlichen Scherz mit dem letzten Berg, wohlgesonnen. Ab jetzt ging es abwärts und die Schritte wurden leichter.

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