Nun denn, scheinbar war es jetzt so weit. Die letzten Minuten des großen Dramas unserer Zeit waren angebrochen, zumindest ließen die lauten Rufe auf den Straßen Roms, dass die Mauern gefallen und der... "Feind" in der Stadt war, auf nichts anderes schließen. Angesichts der Anzahl der Belagerer und der im Vergleich verschwindend geringen Menge an Verteidigern der urbs aeterna, war dieses Ergebnis wohl nicht gerade überraschend. Für Victor jedenfalls war es das nicht und er konnte sich durchaus ausmalen - in düsteren Farben auf jeden Fall -, wie seine nähere Zukunft aussehen würde. Vielleicht hätte er Vinicius Lucianus vor einiger Zeit mal fragen sollen, wie er es im Carcer der Prätorianer eigentlich so ausgehalten hatte. Nun ja, dafür war es jetzt wohl zu spät.
Victor hätte sicherlich versuchen können, sich zu verstecken, um dann im Schutze der Nacht aus der Stadt zu fliehen. Aber wohin hätte er sich wenden sollen? Mal ganz davon abgesehen, dass er sich für so einen Blödsinn langsam zu alt vorkam. War ja auch nicht gerade so, als ob irgendetwas von ihm abhing... oder abgehangen hätte. Nein, die letzten Minuten in Freiheit oder im Leben, wollte er in Würde und angenehmer Gesellschaft verbringen. So hatte sich der Senator also im Triclinium niedergelassen, den Haushalt der Casa Octavia versammelt und widmete sich abwechselnd und mit ernsthafter Hingabe der Literatur und dem Essen - letzteres musste jetzt ja wohl nicht mehr gespart werden, wo die Belagerung doch wohl zu Ende war. Die Wertsachen der Casa Octavia und Victors wichtigste Unterlagen, waren in den letzten Tagen sicher verpackt und im Hortus hinter dem Haus vergraben worden, sodass der Raum ein wenig schlicht wirkte, aber angesichts der versammelten Sklaven und Mitglieder des Haushalts, sah man auch nicht allzu viel von dem Raum. Kurz blickte sich Victor noch einmal um und nickte einzelnen Personen halb abwesend zu, bevor er sich, nach einem kurzen Griff zum Essen, wieder seiner aktuellen Lektüre zuwandte.
Lebwohl, Mutter Roma.
Deine strahlenden Säulen,
Deine endlosen Straßen,
Deine mächtigen Legionen,
Deine friedlichen Felder.
Geboren im Feuer,
Ein Licht im Dunkel.
Lebwohl, Mutter Roma.
Niemals kehren deine Söhne heim.
[SIZE=7]zitiert nach: J. Butcher, Codex Alera: Die Befreier von Canea[/SIZE]