Als er in Cumae ankam, waren Pferd und Reiter zur Hälfte mit Schlamm eingedeckt, denn die drei ganzen Tage hatte es nicht aufgehört zu regnen. Der wollene Mantel den er sich anfangs übergeworfen hatte war nach wenigen Stunden so mit Wasser vollgesogen, dass das Gewicht so schwer auf seinen Schultern gelegen hatte wie das Marschgepäck eines einfachen Legionärs... und der einzige Grund den Mantel nicht abzulegen der war, dass das alte Wasser irgendwann wärmer war als das frische von oben. Vor dem Wasser von unten, das beim steten Ritt nach oben spritzte, war das natürlich kein Schutz... so brachte Vala in einem Gasthaus in Cumae ganze zwei Stunden zu sich den Dreck von den Beinen zu kratzen und sich aus einem Monster-aus-dem-Moor zurück in einen Menschen zu verwandeln... die Tunika warf er gleich fort und kaufte sich eine neue.
In der Stube der Taberna hockte er sich schließlich vor die Feuerstelle und bald kroch das Wasser, das sich bis in seine Knochen eingesogen hatte, in dünnen Dampffäden davon während er den Prozess mit gewürztem Wein von innen zu verstärken suchte. Die Finger krampften um dem heißen Becher, und das nicht etwa weil ihm die lächerliche Kälte draußen etwas ausmachte, sondern weil die Aussicht auf den nächsten Tag kaum Ruhe ließ.
Warum war er hier? Natürlich wusste er die Frage, da konnte er noch so lange ins Feuer blicken und auf eine Eingebung hoffen: er hatte nicht die geringste Ahnung wie er jetzt eigentlich weiterverfahren sollte, nachdem sein Plan mit Axilla spektakulär geplatzt war. Freilich, die letzten Wochen in Rom und der Castra Praetoria hatten ihren Rhythmus gehabt: die Legion verwalten, und die Stadt irgendwie prophylaktisch am Leben erhalten, hatte soweit ganz gut geklappt. Auch die nächsten weltlichen Schritte waren so einfach wie logisch vorauszusehen: Erhebung zum Senator anstrengen und dann die nächste Wahl in Angriff nehmen.
Allerdings war die Frage der Liebe nicht so einfach zu lösen gewesen. Wenn es überhaupt noch um die Liebe ging. Ging es das? Die Flammen blieben stumm, loderten wortlos vor sich hin und die spärlichen Gäste der Taberna folgten der Stimmung des Wetters und murrten leise vor sich hin. Das Licht, das durch die kleinen Fenster fiel verhieß von draußen her nichts als Grau in Grau, und das einzige wirklich prägnante Geräusch war das Aufschlagen zahlloser Regentropfen auf den Tonschindeln über ihrer aller Köpfe. Inmitten dieses Sammelsuriums des alltäglichen Alltäglichen hockte also Vala. Wer hatte ihm nochmal geraten herzukommen? Damio? Linus? Sirius? Einer der dreien. Letztlich war es ein ungleicher Disput gewesen wie Vala nun vorgehen sollte. Gemeint Imperiosus umbringen zu lassen hatte kein einziger. Warum auch? Der Mann war lebend Gold wert, das konnte keine Frau der Welt wettmachen! Und der Grundtenor war auch: Liebe bringt nix als Scherereien. Womit sie auch klar Recht hatten, und Vala würde ihnen im Leben nicht widersprechen... dass er aber selbst betroffen war, fuchste ihn dann doch umso mehr. Der einzige Kompromiss, auf den sie sich hatten einigen können (nach gleich drei ergebnislosen Nächten), war die Befragung einer höheren Macht... und genau deshalb hockte Vala nun hier vorm Feuer, nippte an einem heißen Becher und glotzte Trübsal blasend in die Glut.
Eigentlich wollte er das nicht... er hatte eine HEIDENANGST (im wortwörtlichen Sinne) vor der Seherin... oder Oraculum, wie die Römer soetwas nannten. Er konnte sich nur allzu gut daran erinnern, als er das letzte Mal bei einer Seherin gewesen war... seine Urgroßtante Runhild war eine solche gewesen, und das war da nicht anders gewesen. Und dann war da noch... ein Schauer raste Valas Rücken hinauf der ihn sich schütteln ließ.. und er konnte sich nicht einmal einreden, dass es vom Regen kam. Nein, er hatte eine Mordsangst vor der Seherin, und trotzdem war er hier?
Wie verzweifelt musste er sein? Wie orientierungslos? Nachdem nur einmal ein Plan fehlgeschlagen hatte? Bei den Göttern, er war einfacher mit der Abfuhr durch den Vescularier klargekommen, indem er einfach die Seiten gewechselt hatte... und das hier ließ ihn nun vollkommen ratlos zurück.
Wieder einmal ärgerte er sich vor allem über sich selbst... die Liebe, die er schon vor Ewigkeiten begraben hatte brach nun wieder hervor und machte ihm das Leben erneut zur Hölle. Und genau und nur deshalb saß er nun hier...
...und einen Tag später frisch gebadet, einigermaßen passabel hergerichtet und mit bis zum Hals klopfenden Herzen bei den Tempelhändlern um dieses komische Zeug zu kaufen, das man wohl mitbringen musste (er hatte sich unter den argwöhnischen Blicken der Tabernenbelegschaft schlau gemacht): "Salve..", krächzte er mehr als dass er sprach, "Wieviel von diesem Olibanum muss ich der Sybille denn als Geschenk anbieten?"
Dass er dabei vollkommen vergaß entgegen seiner sonstigen Art zu feilschen oder genauer auf den Preis zu achten war wohl auch nur der Tatsache geschuldet, dass er hier eigentlich nur reinwollte, um eine Antwort auf eine Frage zu erhalten die er sich eigentlich hätte selbst geben MÜSSEN, es aber irgendwie nicht konnte... und dann ganz, ganz schnell wieder heraus.