Roma Aeterna _ Tag III

  • Am dritten Tag nach seiner Ankunft in Rom hatte Antias die Stadt bereits am frühen Morgen durch die Porta Flaminia verlassen. Völlig unbehelligt diesmal, denn die Miles am Tor waren mit der Kontrolle der unzähligen Karren und Lasttiere, die all morgentlich tonnenweise Waren zu den Märkten der Stadt beförderten mehr als ausgelastet gewesen. Sein Weg hatte ihn durch die vorgelagerten Ansiedlungen wieder hinaus auf das duftende tauschimmernde Land nördlich der Metropole geführt, durch das sich die Flaminia wie ein steinerner Bach von den Montes Appenini her nach Süden schlängelte.


    Schwer zu glauben, dass nur drei Tage vergangen waren, seit er das erste mal die Via heruntergekommen war, eingeschüchtert, unsicher und ohne den Hauch einer Ahnung davon, wie sich das Leben in der Stadt organisierte. Was das betraf, war er in den vergangenen Tagen erheblich schlauer geworden. Von einem Torwächter war ihm damals geraten worden, sich durch zu fragen, und diesen Rat war Antias gefolgt. Er hatte gefragt; und gefragt und gefragt: Zunächst lediglich nach dem Weg zum Bezirk Circus Flaminius und nach einer günstigen Unterkunft für die Nacht; dann nach den nächstliegenden Thermen, Tempeln und Märkten; nach Mitgliedern der Gens Germanica, deren Ansehen und Stellung und schließlich nach den Machtverhältnissen und der inneren Struktur der Mutterstadt des Imperiums.
    Auf Straßen und Foren, in Tavernen, Geschäften, Thermen und Latrinen – überall hatte er die Leute freundlich aber unnachgiebig mit Fragen gelöchert bis ihm die schiere Menge an Antworten den Schädel zu sprengen drohte.


    Erst jetzt, in der würzigen Frühlingsluft zwischen Weinbergen und Kastanienhainen begann sich das verschlungene Knäuel neuer Informationen wenigstens teilweise zu entwirren. Rom war harmloser und gleichzeitig gefährlicher als er es sich noch vor Tagen hatte vorstellen können. So hatten sich einige seiner Vorsichtsmaßnahmen als klug, andere aber als übertrieben und sogar dumm und leichtsinnig erwiesen. Zu letzterer Kategorie zählte zweifellos das Zurücklassen eines Teils seiner Habe, um nicht von korrupten Torwächtern oder sonstigen Dieben gefleddert zu werden. Die Miles am Stadttor hatten sich weit korrekter gezeigt, als er das von ihren Kollegen in den nördlichen Garnisonsstädten gewohnt war, und was die Diebe betraf, für die boten die nahezu unerschöpflichen Weidegründe Roms weit fetterer Beute als einen kaum bemittelten Plebejer aus der Provinz. Zumindest hoffte er das.


    Als Antias nach gut drei Wegstunden wieder die Schleife des Tiberis erreicht hatte, verließ er die Via Flaminia und folgte einer schmalen Straße, die vor der Tiberisbrücke ostwärts zur Via Salaria abzweigte.

  • Nach nur wenigen Minuten Fußmarsch hatte er sein Ziel erreicht. Am nördlichen Rand des schattigen Hohlweges erhob sich ein kleiner schon sichtlich verwitterter Tempel aus den Ginstersträuchen. Mercurius geweiht, hatten seine Erbauer den Tempel etwas windschief an die buschbestandenen Hänge gemauert, vermutlich in Zeiten, als die Via Salaria für den Handel noch bedeutender und die Verbindungsstraße noch verkehrsreicher gewesen war.
    Wenngleich es nie schaden konnte, Mercurius ein kleines Opfer zum Dank für eine gute Reise darzubringen, war nicht der Tempel selbst Antias' Ziel, sondern der Schatten einer kleinen Gruppe wilder Kastanienbäume, die am rückwärtigen Hang das wirre Gesträuch aus Ginster, Wacholder und Oleanderbüschen durchbrach.


    Während Antias sich durch die Sträucher empor arbeitete, nahm er erst die zunehmende Hitze des Frühlingstages wahr. Die Strecke zurück nach Rom würde weniger leichtfüßig zu bewältigen sein als der morgendliche Hinweg. Bei den Kastanien angekommen, nahm Antias einen großen Schluck lauwarmer Posca aus seinem Lederschlauch, raffte dann seine Tunika, beugte sich nach vorn und entleerte sich unter wohligem Grunzen. Als sich seine Augen an den Halbschatten der Kastanien gewöhnt hatten, konnte er in etwa zwei Gradi Entfernung entdecken wonach er suchte: Ein kleines Bündel aus grobem Leinen, dass er vor drei Tagen hier oben abgelegt und mit Strauchwerk bedeckt hatte. „Fortes fortuna adiuvat!“ stöhnte Antias erleichtert. Behutsam knüpfte er das Stoffbündel auf und breitete den Inhalt vor sich aus.
    Zwei Armreife aus Kupfer, zwei aus Silber, drei bronzene Gewandspangen, eine davon mit honigfarbenem nördlichem Harzstein verziert, die kleine silberne Figur einer germanischen Fruchtbarkeitsgöttin und sein Messer. Bis auf das Messer alles Gegenstände, die seine Mutter für ihn aufbewahrt- über deren Herkunft sie sich aber stets ausgeschwiegen hatte. Wahrscheinlich wenig ehrenhaft erbeutete Mitbringsel seines Vaters von einer der vielen Strafexpeditionen über den Rhenus. Wie auch immer, ein größeres Vermögen war das nicht, nicht mal ein kleineres. Aber der Verkauf der Schmuckstücke würde Antias wenigstens zu ein paar Annehmlichkeiten verhelfen. Zum Beispiel Kleidung, die nicht nach Pisse stank, weil er sie stümperhaften Fullones zur Reinigung überlassen hatte.


    Nun gut. Antias knotete das Bündel zusammen, nahm noch ein paar Schlucke Posca und stieg rülpsend wieder zum Hohlweg hinab.

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