Es gab Wildwechsel, Saum- und Trampelpfade, dann natürlich auch Wege in jedweder Form - seien es nun Feldwege, Landwege, Sandwege oder Hohlwege. Und dann gab es natürlich noch Straßen - beliebt waren da unter anderem solche aus Kies. Allerdings gab es dann auch noch die richtigen Straßen, also die, für die Consuln ihre Namen und der Staat sein Vermögen gegeben haben. Ein Wunderwerk echter römischer Baukunst. Mit der richtigen Pflege waren sie praktisch unverwüstbar und ein Steingewordenes Denkmal für die Bezwingung der Natur durch den Menschen. Durch Intelligenz, Weisheit, Erfahrung, Tatkraft, Schweiß und Blut der Römer als Mahnmal unvergänglicher Macht und Entschlossenheit (sowie als nützlichen Transportweg) im italischen Boden verwurzelt. Für die Ewigkeit halt und so weiter und sofort... es stellte sich dann halt nur gerade die Frage, warum ein Teil der Via Cassia jetzt scheinbar aufgestanden war und sich lieber einen ruhigeren Ort zum rumliegen gesucht hatte.
Den Eindruck hatte jedenfalls Turranius Musa als er wenige Meilen hinter Arretium Richtung Biturgia neben der Via Cassia (oder vielmehr, was davon an dieser Stelle noch übrig war) stand und sich den Kopf kratzte. Es war schon verwunderlich gewesen, dass überhaupt eine Beschwerde über eine Beschädigung der Straße aus Arretium nach Rom geschickt worden war, zumindest in dieser Jahreszeit und ohne die Meldung von wirklich großen Unwettern in der Gegend. Was auch der Grund war, warum der architectus Musa hierher geschickt wurde, um den Schaden persönlich zu begutachten. Wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein paar Stadtobere versuchten das aerarium um den ein oder anderen Sesterz für Reparaturen zu prellen, die nie ausgeführt wurden. Allerdings war die Via Cassia hier eindeutig beschädigt, das konnte Musa auf den ersten Blick bestätigen. Nur war die Beschädigung so selektiv und räumlich beschränkt, dass ihm keine Möglichkeit einfiel, wie die Straße auf natürliche Art und Weise hätte so in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Jedoch war Turranius Musa ja nicht hier, um herauszufinden warum die Straße beschädigt war, sondern nur wie stark und dann daran abzuschätzen, wieviel die Reparatur wohl kosten würde - und genau das würde der architectus auch nur tun und in seinem Bericht nach Rom melden. Danach würde er sich in Arretium an die Stadtoberen wenden und ihnen sagen, dass sie die Ausbesserung organisieren und die Rechnung ebenfalls nach Rom schicken konnten. Ein letztes Mal blickte Musa noch auf die großen Löcher in der Straße und wandte sich dann mit einem Achselzucken ab. Vermutlich hatte sich nur ein Bauer aus der Gegend auf der Suche nach billigem Baumaterial bedient, wenn er danach auch einen ziemlich langen Weg mit seiner Beute zurücklegen musste, denn in der näheren Umgebung steppte nicht gerade der Bär, wie man so schön sagte.