Wäre ich nicht so wütend gewesen, ich hätte meinen Ahnen Schande bereitet und es mit der Angst zu tun bekommen. So aber betrachtete ich meine Lage durch den berauschenden Nebel des Zorns. Wodan trieb also sein Spiel mit mir. In den offensichtlich fremdesten Winkel Midgards hatte er mich ausgespien um sich an meinem Kampf gegen den Untergang zu ergötzen. Das konnte er haben, daran hatte ich nichts auszusetzen. Was mich mit Wut erfüllte war nicht der Götterwille selbst, unsinnig damit zu hadern, sondern der perfide Spielzug Wodans, diesen schmierigen Misthaufen Attalus Solon zum Vollstreckungsgehilfen zu wählen. Den Göttern war nichts anzuhaben, wohl aber ihren menschlichen Gehilfen, und nichts und niemand hätte mich daran hindern können, meinem Patron den Schädel vom Hals zu reißen, wenn ich ihn nur in die Finger bekommen hätte. Solon aber saß mittlerweile sicher im kühlen Schatten irgendeines Carcers und sann darüber nach, wie er sich diesmal aus der Klemme reden würde. Ich hingegen ließ mich von der widernatürlich heißen Sonne dörren und wusste nicht wohin.
Geh zu Phrylus Vocula hatte Solon mir zugeraunt bevor die Miles ihn abgeführt hatten. Sag ihm, er soll das Lager räumen und einen Advocatus kaufen oder sich sonstwas einfallen lassen. Und vergiss deine Sachen nicht. Welches Lager? Wer und wo war Vocula? Und warum meine Sachen? Das waren nicht meine Sachen! Was sollte ich mit zwei Wolltunicae und einer gefütterten Paenula in dieser brüllenden Hitze? Noch dazu in einer Größe, die vielleicht zierlichen Römern oder Griechen passen mochte, nicht aber einem grobschlächtigen Obelisken wie mir, der sogar für einen germanische Verhältnisse außerordentlich hoch aufgeschossen war.
So wütend wie ziellos stampfte ich durch Trauben erschrockener Arbeiter über die Mole und wühlte schnaubend in „meinen Sachen“. Als ich gerade im Begriff war, den ganzen wertlosen Plunder einfach ins Hafenbecken zu werfen ertastete ich einen harten Lederbeutel in den Falten des Mantels. Ohne große Erwartungen löste ich den Riemen und spähte hinein. Aus dem abgegriffenen alten Beutel drang der matte Schimmer von Denari und Aurel. Bei allen Asen! Da war doch tatsächlich der Geldbeutel des schrägen Vogels in „meine Sachen“ geraten! Ich empfand das als nur zu gerecht angesichts des Ärgers, den ich Solons wegen am Hals hatte. Vielleicht würden mich die Münzen wenigstens so lange über Wasser halten bis ich diesen Vocula aufstöberte. Das allerdings erschien mir mehr als zweifelhaft. Vor mir türmte sich die größte Stadt auf, die ich je gesehen hatte, und die Absicht, dort nach einem einzelnen Mann zu suchen, von dem ich nicht mehr wusste als seinen Namen erschien mir geradezu geisteskrank. Laut vor mich hin fluchend raffte ich „meine Sachen“ zu einem griffigen Bündel zusammen und stapfte in Richtung der Stadtmauern, die sich hinter den Hafenbauten fahl aus dem Dunst hoben.