Aufbruch in ein neues Leben

  • Eine Unterkunft in Saliobriga war recht schnell gefunden, gerade als sie in die Taverne erreicht hatten brach auch schon der Sturm los. Runa schaute noch eine Weile fasziniert zum Himmel. Grelle Blitz zogen ihre Bahnen und brachten den Himmel zum glühen. Der Wind war zu einem ordentlichen Sturm geworden, so dass die Bäume ihre Kronen neigten, aber sie hielten stand. Als dann doch starker Regen einsetzte zog es auch Runa vor sich lieber ins Innere des Gebäudes zu verdrücken. „Donar schwingt seinen Hammer so richtig.“ sagte sie mit einem Lachen.
    Später als sie schon in ihrem Bett lag ging sie noch mehrmals sie Namen durch, bis sie schließlich darüber einschlief.


    Lang war sie nicht, die Nacht schon mit dem ersten Hahnenschrei standen sie auf, ein kurzer Imbiss und schon waren sie wieder unterwegs. Sie ließen Saliobriga hinter sich und weiter ging sie die Reise in den Norden.


    Die Straße war aufgeweicht vom Regen der letzten Nacht einige kleinen Rinnsale waren immer noch zu sehen, aber die Sonne hatte noch genug Kraft, so dass sie nicht nur wärmte sonder auch dafür sorgte, dass die Pfützen und Rinnsale immer kleiner wurden, bis schließlich die Straße wieder trocken war.
    Eine Zeit lang redet sie über alles mögliche bis Runa schließlich fragte. „Vater, unsere Verwandten was machen die eigentlich in Mogontiacum?“

  • Auch wenn es draußen wütete hatte Phelan einen guten und festen Schlaf, wie er ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr gehabt hatte. Lag es doch bestimmt daran, dass er jetzt alles in geregelten Bahnen wusste, was er in geregelten Bahnen gewusst haben wollte. Er war mit seiner Tochter auf dem Weg nach Mogontiacum. Er würde seine damalige Wirkstätte wiedersehen. Er würde seine Familie endlich wieder sehen. Seine Tochter würde in Mogontiacum bleiben und sich weiterbilden. Ein schönes Gefühl.
    Nach einem kurzen Frühstück, in dem er Duccier so viel verdrückte, wie es eben in der kurzen Zeit nur ging, machten sie sich wieder auf in Richtung Norden. Die nächste Station hieß Lopodunum.


    Die beiden redeten viel, schwiegen zwischenzeitlich aber auch, um die Natur und die Ruhe zu genießen. Natürlich war die Fahrt nicht gerade kurzweilig, aber irgendwie genoss er es, er genoss die Zuversicht, der sie mit jeder Pferdelänge näher kamen.


    "Nun.." fing er an zu referieren "Witjon ist Procurator Civitatium. Er entlastet den Statthalter bei der Beaufsichtigung der Gemeinden der Provinz, indem er einerseits für eine reibungslose Erfüllung der Dienst- und Abgabenpflichten sorgt, andererseits bei Anfragen und Beschwerden der Kommunen als Ansprechpartner und Schlichter fungiert. Sozusagen des Legaten rechte Hand." Sein Vetter war immer fleißig und sehr engagiert in der Stadtverwaltung gewesen, sodass er es alsbald verdient in die Provinzverwaltung geschafft hatte. "Audaod wird wohl von ihm angeleitet werden, das weiß ich gerade gar nicht so genau. Aber Witjon wird schon einiges für ihn vorgesehen haben." was er im lang ersehnten persönlichen Gespräch mit seinem Vetter bestimmt besprechen würde.
    "Die übrigen gehen momentan glaube ich keiner beruflichen Tätigkeit nach. Aber es war auch alle Hände voll zu tun, was die wohnliche Situation anging. Hadamar und Alrik halten sich ja zur Zeit in Rom auf."

  • Also Witjon was so was wie die rechte Hand des Stadthalters, sein Sohn wird vielleicht in seine Fußstapfen treten. Aber war es nicht eigentlich immer so, dass Kinder ihren Eltern nacheiferten? Dass sie versuchten die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen? Runa konnte nur hoffen dass sie ihren Vater nicht enttäuschte, dass sie in der Ausbildung welche er ihr zugedacht hatte gut absolvierte.
    Sie hasste es wenn ihr Vater von ihr enttäuscht war, deswegen nahm sie sich vor, die Ausbildung so gut nur irgend möglich zu machen.


    Wieder einmal genossen sie beide die Stille die um sie herum herrschte. Nur das Knarren des Wagens war zu hören und der machte schon eine ordentliche Portion Krach, so dass die scheuen Tiere des Waldes sich rechtzeitig im Dickicht verbargen. Nur ein vorwitziges Eichhörnchen lugte an einer hohen Tanne neugierig zu ihnen herunter. Runa betrachtete das putzige Tierchen mit einem Lächeln, zupfte ihrem Vater am Ärmel und deutete nach oben.


    Also sie gerade wieder nach oben sah, konnte man einen Adler beobachten, der sich von seinem Horst erhob und sich von der Thermik der Sonne in die Lüfte tragen ließ. Runa bewunderte das achtunggebietende Tier. „Wundervoll, nicht wahr Vater?“ flüsterte sie ehrfurchtsvoll.

  • Die Stunden vergingen wie im Fluge. Auf dem Weg begegneten ihnen ab und zu ein paar Händler, die Waren zwischen den kleineren Städten und Dörfern hin und her transportierten. Je weiter sie in den Norden kamen, desto mehr nordischstämmige Menschen kamen ihnen entgegen, war es nicht gerade untypisch für die Region. Er war schon gespannt, was Runa von Mogontiacum halten würde, wo Menschen aus verschiedenen Völkern zusammen lebten, wobei der Großteil natürlich romanisiert war.
    Als seine Tochter ihn auf die Tiere des Waldes aufmerksam machte, grinste er ihr wohlgesonnen zu, erinnerte er sich doch an die vielen Stunden, die er als Kind und junger Mann in der Natur verbracht hatte, bevor er seinem Bruder Gero nach Mogontiacum gefolgt war und bei den Ducciern einzog.


    "Der Adler ist wahrlich ein prächtiges und erhabenes Tier. Erinnerst du dich noch an das, was ich dir über die Verbindung von Tieren und Göttern erzählt habe?" mit erwartungsvollen Augen schaute er seinen Sprössling an. "Welche römische Gottheit steht mit dem Adler in Verbindung und vor allem, wie?

  • Vater nutze aber tatsächlich jede sich bietende Gelegenheit um ihr Wissen abzufragen. Also war es mal wieder an Runa sich an das zu erinnern, was er sie gelehrt hatte.
    Sie grübelte ein Weile, wollte sie doch nichts falsches sagen.
    „Iuppiter?“ kam es zögerlich. „Ja Iuppiter.“ Das klang schon eindeutig selbstsicherer. „Der Adler ist sein geheiligtes Tier.“ Ja nun war sie vollkommen davon überzeugt, das sie sich richtig erinnerte.


    Aber Adler? Da war doch was. Runa schaute ihren Vater nachdenklich an. „Vater? Du hattest recht mit den Gemeinsamkeiten. Godehild hat mir auch von einem Adler erzählt. Ein Adler sitzt in den Ästen der Esche, der hat manches Wissen und zwischen seinen Augen sitzt der Habicht mit Namen Wedrfölnir. Das Eichhörnchen, das Ratatosk heißt, springt an der Esche hinauf und hinunter. Zwischen dem Adler und Nidhögg tauscht es Gehässigkeiten aus.*“ Sie lächelte. „Ich bin wirklich gespannt, wie viele Gemeinsamkeiten es noch gibt. Bisher habe ich darüber gar nicht nachgedacht, weißt du Vater ich habe immer nur die einen oder die anderen Götter betrachtet, sie aber nie miteinander verglichen oder gar Gemeinsamkeiten gesucht.“





    [SIZE=7]*Snorri Sturluson, Prosa-Edda: Gylfaginning, Kapitel 16 [/SIZE]

  • Als Runa ihre Antwort zuerst fragend anbot, schaute ihr Vater sie mit großen Augen und leicht nach rechts geneigtem Kopf an, so als wolle er fragen "Ja oder nein?". Als sie kurz darauf selbstsicher die richtige Antwort äußerte, nickte er und bestätigte sie "Ganz Recht. Daher trägt jede römische Legion auch den Adler als ihr Fledzeichen, mit dem Schriftzug S.P.Q.R., Senatus Populusque Romanus mit sich. Sie ziehen also mit Iuppiters Segen, mit Iuppiters Kraft, mit Iuppiters Geleit, was den Männern natürlich auch Mut verleiht und sie mit Stolz erfüllt."


    Interessiert lauschte er den weiteren Ausführungen seiner Tochter. "Und? Was denkst du.. steht das in Verbindung mit unseren Göttern?" Es war wichtig Runa mit solchen Frangen zu löchern, erwartete sie das doch auf der einen Seite in ihrer Ausbildung und brauchte sie das doch auf der anderen Seite für ihr Selbststudium, wo sie sich derartige Fragen selbst zu stellen hatte.


    "Ich glaube Mogontiacum wird dir gefallen. Die Stadt liegt in einem Übergangsgebiet. Im Kultleben der Stadt treffen also keltische, germanische und römische Gottheiten aufeinander und demnach gibt es auch mehrere Kultstätten bzw. Tempel. erzählte er ihr mit deutlich erkennbarer Vorfreude.

  • Runa überlegte bevor sie antwortete.
    „Nun Vater ein Adler ist ein mächtiges, wenn nicht gar göttliches Tier. Ich denke jedoch das es nicht um den Adler geht, sondern um das für was er steht. Steht er doch für Mut, Weitblick und Kraft. All dies sind doch Werte, die wir uns für uns selbst wünschen. Ob nun Germane oder Römer.“ Runa schaute in die Ferne, dort wo man am Horizont eben jene Adler sehen konnte, der sich in immer größere Höhen aufschwang, gar so als ob er direkt zu den Göttern fliegen wollte. „Die Götter sind es die über unser Leben wachen, uns leiten, aber leben müssen wir es dennoch selbst. Es sind also jene Symbole an die wir uns halten, an welchen wir uns aufrichten und messen und wir streben danach dem göttlichen etwas näher zu kommen.“ Eigentlich beantwortet Runa schon gar nicht mehr die Frage ihres Vaters, sonder verlorn sich in eben jenen Gedanken die sie beschäftigten. „Wenn doch aber die Götter sich so ähneln, wenn sie sich so gleichen. Warum glauben wir dann an unterschiedliche Götter?“ Nun waren es wieder die kristallklaren blauen Augen, die voller Vorfreude auf die Tempel und Kultstätten glänzten, die ihren Vater fragend ansahen.

  • Während Runa referierte fiel ihm auf, dass sie etwas von seinen Worten bzw. Belehrungen in ihre Überlegungen mit einbezogen hatte: 'Dei Götter sind es die über unser Leben wachen, uns leiten, aber leben müssen wir es dennoch selbst.' Dabei wirkte es keinesfalls so, als hätte sie es einfach nur von ihrer Wissensdatenbank abgerufen, sondern es wirkte viel mehr verinnerlicht, automatisiert und gar selbstverständlich, was den Vater sehr beeindruckte. "Wenn wir sterben kommen wir den Göttern so nah, dass wir zusammen mit ihnen speisen können, in Asgard." ergänzte er sie.
    "Du hast einen Schritt übersprungen. Natürlich fungieren die Götter zusammen, sie sind eine Einheit, sie wohnen zusammen in Asgard. Doch jeder hat seine Aufgabe. Sie sind verschieden, sie haben verschiedene Eigenschaften ebenso wie wir Menschen. Nicht jeder Mensch ist gleich." fing er an zu erklären. "Die Menschen haben in den letzten Jahrhunderten vieles geschaffen, wenn du nur an die Technologien denkst, ihre Strukturen, ihre Organisation. Wir haben es möglich gemacht, dass wir zusammen in Städten leben können, dass alles geregelt ist, dass wir ein Gesetz haben, dass uns eine Linie gibt, eine Ordnung unter der wir alle zusammen leben können. Doch es gibt eben Dinge im Leben, die kann sich der Mensch nicht erklären, es geht über sein Wissen und seine Vorstellungskraft hinaus. Hier zeigen sich die Mächte der Götter. Daher glauben wir an so viele verschiedene Gottheiten, es gibt so vieles im Leben für das wir keine Antwort haben, aber die Götter geben uns die Zuversicht, dass wir uns nicht fürchten müssen, dass alles gut ist. Sie wachen über uns."

  • Runa nickte nur und verinnerlichte was ihr Vater ihr erklärte. Noch eine ganze Weile philosophierte die beiden weiter über den Sinn das Leben und die Welt.
    Dann saßen sie schweigend nebeneinander und jeder hing wohl seinen eigenen Gedanken nach.
    Runa war es die nach einer ganzen Weile das Schweigen brach.
    „Vater?“ Runa druckste etwas herum. „Also... was ... was... ich dich fragen wollte.“ Sie drehte wiedermal an ihrer Haarsträhne, was deutlich zeigte das sie nicht so recht wusste wie sie das Thema, welches sie beschäftigte, ansprechen sollte. Sie faste sich also ein Herz und sprach recht schnell fast so als hätte sie Angst, dass wenn sie noch länger über das wie sage ich es nachdenken würde wohl gar nicht mehr mit der Sprache rausrücken würde.
    „Du hast Mutter geheiratet, weil die Familie es wollte. Richtig? Magst du Mutter, wenigstens ein bisschen?“ Sie wusste es wirklich nicht. Zwar hatte Vater ihr gegenüber nie ein böses Wort über ihre Mutter verloren, aber sie hatte ihre Eltern auch nie liebevoll miteinander gesehen.
    Im Dorf, ja da hatte sie beobachten könne, wie Menschen – Partner – miteinander um gingen, wenn sie sich wirklich mochten. „Und hättest du nicht lieber eine Frau, die.. also die dich … na du weißt schon...“ Runa wurde rot bis unter die Haarwurzeln, zumindest für einen Moment. Warum kam sie auf die Frage nun ja auch wenn er ihr gesagt hatte, das es wohl noch eine Weile hin wäre bis er ihr einen Mann aussuchen würde, fragte sich Runa, ob sie wirklich so leben wollte, nicht das sie ein Wahl hätte, aber fragen konnte man es sich ja mal. „Bist du glücklich?“ fragte sie schließlich, ohne ihren Vater dabei anzusehen.

  • Die längeren Ruhepausen, die zwischen ihren Gesprächen herrschten, störte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Beide genossen die Umgebung und konnten sich jeder für sich umsehen, sich in Gedanken verlieren und natürlich auch versuchen, etwas zu dösen, was auf dem holprigen Wagen natürlich nicht ganz so einfach war.
    Nach einiger Zeit brach Runa die Stille mit einem Thema, mit dem Phelan schon lange abgeschlossen hatte. Allerdings wusste er, dass seine Tochter ihn danach fragen würde, wenn sie alt genug war und das nicht nur aus Sorge oder Interesse um ihren Vater, sondern auch aus Sorge um sich. Wie würde es sein, wenn sie verheiratet werden würde? Das war bestimmt eine Frage, die sie sich stellte, ob sie das selbe Schicksal ereilen würde.


    Er atmete tief ein, wartete einen Moment, um dann wieder in vollem Schwung auszuatmen als würde er sich in die Startlöcher eines Rennens begeben, dass nicht leicht werden würde.
    "Weißt du Runa." fing er klassisch an, wie es seine Art eben war.
    "Es war meine Pflicht diese Verbindung einzugehen und ich wollte einfach nur Weg aus Mogontiacum. Ich brauchte Abstand. Ich wusste die Verbindung war gewinnbringend für die Familie, ich würde auf ein Landgut nahe Clarenna ziehen und eine hübsche Frau heiraten. Eine perfekte Ausgangslage, um neu woanders anzufangen." leitete er ein, bis er schließlich auf den Punkt zu sprechen kam, den seine Tochter so wissbegierig erklärt wissen wollte.
    "Allerdings ist es schwer einen Menschen aus der Pflicht heraus zu lieben. Liebe ist etwas wunderbares, sie ist wunderbar, weil sie einfach geschieht, nicht weil sie bestimmbar und erzwingbar ist. Die Liebe ist etwas unsichtbares, etwas von den Göttern ermöglichtes." erklärte er. "Wir haben uns lange gut verstanden und es lief für die Ausgangslage ziemlich erträglich, du weißt, es hätte viel schlimmer kommen können." er lehnte sich etwas zurück "Als ich meine Ausbildung zum Sacerdos Publicus in Rom absolvierte, bekam ich kurz vor meiner Probatio eine Mitschülerin, die ebenfalls von Aurelius Orestes angeleitet wurde. Ihr nahme war Decima Flava." als er ihren Namen aussprach, machte er eine Pause, so, als würde er sich kurz in die Zeit zurückversetzt fühlen, in der er sie kennen lernte. "Eine wunderschöne junge Frau, in die ich mich verliebte. Doch die Liebe hatte keine Chance, ich musste zurück nach Mogontiacum und sie musste in Rom bleiben. Es war sowieso ungewiss, ob wir eine Verbindung hätten eingehen können, mussten das doch unsere Familien entscheiden. Ich gab ihr zum Abschied mein Amulette mit unserem Sippenwappen, dem Wolf. Ich habe sie seitdem nie wieder gesehen. Ein Briefkontakt war nicht möglich, zu sehr hätte es mein Herz zerfressen." gestand er offen und ehrlich, vergaß er sich doch, es war nicht seine Absicht so viel von sich Preis zu geben. "Aber sorge dich nicht. Ich führe ein glückliches Leben, seitdem du geboren bist, Runa." schloss er mit einem Grinsen und fasste ihre Hand. "Ich fahre mit dir nach Mogontiacum, wir werden die Verwandten wieder sehen, ich werde meine alte Heimat wieder sehen, ich könnte gerade nicht glücklicher sein." Ja er war etwas über sich selbst verwundert, war er doch eigentlich über die Jahre ruhiger, rationaler und in sich gekehrter geworden. "Die Götter ebnen uns den Weg und ihre Pfade sind unergründlich. Es war vermutlich ihr Wille, dass ich zurück nach Mogontiacum kehre, um später deine Mutter zu ehelichen, sodass aus unserer Verbindung eine Tochter hervorginge."

  • Runa hörte nachdenklich zu. Ihr Vater war also doch schon mal verliebt. Als er von der Frau aus Rom gesprochen hatte, hatte sich seine Stimmlage verändert. Runa hatte instinktiv ihre Hand auf seinen Arm gelegt.


    Ja sie hatte verstanden. Vater liebte ihre Mutter nicht, dafür sie um so mehr. Runa lehnte sich an ihren Vater. Sie wollte ihn glücklich sehen. Sie mochte es wenn er lachte, bekam doch dann sein Gesicht immer so weiche Züge. Sie konnte sich erinnern, als sie klein war, war ihr Vater viel fröhlicher offener. Mit den Jahren wurde er ruhiger, verschlossener. Auch wenn er ihr gegenüber immer liebevoll war, so hatte sie wohl doch mitbekommen, das ihr Vater sich veränderte.
    „Ich werde, den Mann den du für mich aussuchen wirst … eines fernen Tages...“ Runa grinste ihren Vater an. „...bestimmt mögen. Zumindest werde ich es versuchen. Und wer weiß schon was die Nornen noch mit mir vorhaben.“ Damit war das Thema für Runa vorerst abgeschlossen.
    Was auch gut war denn schon kam Lopodunum in Sichtweite. Nach nicht mehr allzu langer Fahrt waren sie an einer urgemütlicher Taverne angekommen. Die Pferde wurden versorgt und Runa war froh vom Wagen zu kommen und sich zu recken und zu strecken. Ja so ne Holperpartie war auch für junge Knochen nicht nur Freude. Hier ein Knacken, da ein Knirschen, schon ging es ihr besser und sie machte sich nützlich, half die Pferde für die Nacht unterzustellen, rieb sie mit Stroh ab, schließlich waren es die armen Tiere die hier den Löwenanteil der Arbeit leisteten.
    Als sie in das Wirtshaus kam schlug ihr Duft von frischem Brot entgegen. Vater hatte schon das Essen bestellt. Und Runa haute ganz undamenhaft rein wie eine siebenköpfige Raupe. Ja so eine Luftveränderung, konnte schon den Appetit anregen. Da nun aber auch alle den Tag in den Knochen hatten, war wohl jeder froh, endlich in die wagerechte zu kommen, die Bein lang zu machen....


    Am nächsten Morgen war Runa schon vor den Hühner wach, sie war einfach nur ein aufgeregtes Nervenbündel heute ja heute würden sie endlich ankommen. So stand sie also schon im Morgengrauen neben dem Wagen und tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. „Oh ihr Götter, müsst ihr Vater ausgerechnet heute mit so einem tiefen, festen Schlaf segnen?“ schimpfte sie leise vor sich hin...

  • "Wir werden sehen, was die Götter für deine Zukunft bestimmt haben, Runa." entgegnete Phelan seiner Tochter und schloss damit das Thema, welches ihn überraschend kurzzeitig aus der Bahn geworfen hatte. "Schau! Lopodunum." merkte er nach einigen Momenten der Stille an, als er schon die Rauchschwaden am Horizont erspähte.
    Sie kamen gerade im rechten Moment an der Taverne an, zeigte sich das Wetter wieder nicht von seiner besten Seite. Während Runa sich zusammen mit Alexandros um die Pferde kümmerte, was ihn sehr freute, da er seine Tochter nicht als verwöhnte Römerstochter erzogen hatte, sondern sie ab und zu mit Aufgaben betreut hatte, die sie bei anderen Eltern nicht hätte machen müssen - sie würde also gewiss die ein oder andere Freude an der duccischen Hros haben -, ging er schon einmal hinein und orderte etwas zu Essen und zu Trinken, damit sie den Abend gemütlich ausklingen lassen konnten.
    Die Nacht war für den Pontifex eher weniger erholsam, hatte er doch noch länger wach gelegen und keinen Schlaf finden können. Wieso wusste er nicht genau, vielleicht war es der volle Magen mit dem leckeren Essen der urgemütlichen Tavernenbesitzersfrau.
    Am nächsten Morgen war Runas Bett bereits leer. Sie hatte sich schon zusammen mit den beiden Bediensteten um den Wagen und um die Pferde gekümmert. Ganz gemütlich, wissend, dass die letzte Etappe nicht all zu lang dauern würde, trat er aus der Taverne heraus, streckte sich kurz und gähnte ordentlich. "Du kannst es wohl kaum erwarten, mh?" begrüßte er eine Tochter. Sie schien ziemlich aufgeregt, denn sie tippelte ganz schön auf der Stelle. Vielleicht musste sie aber einfach auch dringend ihre Notdurft verrichten. "Wenn du bereit bist, bin ich es auch." entgegnete er ihr und setzte sich auf den Wagen.
    Als sie aufbrachen schien die Sonne und wärmte sie in den Mittagsstunden, sodass sie ihre Mäntel auszogen konnten. Phelan genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen, bevor der Winter kommen würde. Ob er den Winter in Mogontiacum oder auf dem Landgut verbringen wollte, wusste er noch nicht, doch eines war ihm klar: Im Winter selbst könnte er wetterbedingt nicht mehr zurückkehren, also würde er sich früh genug entscheiden müssen. Würde er sich vielleicht absichtlich zu spät entscheiden? Das würden die nächsten Monate zeigen..


    "Und?" stieß er seine Tochter an, "Bist du schon aufgeregt? Du bist so unruhig."

  • Runa verdrehte die Augen und schaute zum Himmel. „Na Loki haste wieder mal deinen Spaß.“ flüsterte sie, bevor sie sich zu ihrem Vater umdrehte, nachdem er sie angestoßen hatte. „Nein, warum sollte ich?“ antwortet sie „Nur weil ich ein paar Verwandte treffe? Mehr über mich und meine Herkunft erfahre. Weil ich sehe wo ich in Zukunft leben werde?“ sagte sie so dahin, bis sie lachend ihren Vater zurück knuffte. „Natürlich bin ich aufgeregt. Bei den Göttern Vater, natürlich bin ich das. Man fängt doch nicht jeden Tag ein neues Leben an oder?“ Nun erklang ihr helles klares Lachen. „Ich könnte gerade die ganze Welt umarmen.“
    Runa schwang sich auf den Wagen und grinste ihren Vater an. „Na wenn du bereit bist, ich bin es alle Mal, können wir dann endlich?“


    Die Fahrt ging endlich los. Und im Gegensatz zu den anderen Tagen, schwiegen sie zumindest auf der ersten Etappe der Strecke. Ihr Vater schien voller Vorfreude, Runa war das natürlich auch, aber bei ihr schlich sich der ein oder andere Gedanken an die Zukunft mit ein, was wohl werden würden, wie alles kommen würde.
    Ja sie konnte nun verstehen, warum Wodan ein Auge hergab um aus Mimirs Brunnen zu trinken. Zu gern hätte sie jetzt seine Gabe des Hellsehens.


    Um sich abzulenken übte sie nochmal die Namen und so brabbelte sie leise mehrfach vor sich hin.
    „Witjon, Petronia Octavena, Dagmar, Auadod, Hadamar der Urbaner, Rodrik, Iska, Eldrid, Iring,Wolfrhaban, Dagny und schließlich Alrik der Senatorund und Albin.“

  • Als sie die Frage ihres Vaters vorerst verneinte, der es nicht vermochte die Ironie darin sofort zu erkennen, schaute er sie überrascht mit hochgezogenen Augenbrauen an, welche sich kurz danach aber schon wieder senkten und sich sein Staunen zu einem Lächeln wandelte "Ich hatte schon gedacht, du wolltest mich auf den Arm nehmen." er wuschelte ihr durch den blonden Schopf, so wie er es eben gerne tat.
    Die weitere Fahrt verlief problemlos, da wie gesagt die Sonne schien und die Wolken nicht danach aussahen, als würden sie Tonnen von Wassermassen auf sie niederprasseln lassen wollen. So schwiegen sie zwar, genossen aber vergnügt die Fahrt.


    "Ich bin mal gespannt, ob Witjon noch Manns genug ist mit mir jagen zu gehen, oder ob er völlig dem provinzialen Papierkram für den Legaten zum Opfer gefallen ist." merkte er scherzhaft an. "Es gibt da so die ein oder andere Geschichte aus unseren jungen Jahren, wo der ein oder andere Eber dran glauben musste." gab er schon fast prahlend an.

  • Wie Kinder eben so waren, hing nun auch Runa förmlich an den Lippen ihres Vater, als er den ein oder anderen Schwank aus seiner Jugend erzählte. Das einzige was Runa widerstrebte, war, das der Wolf am Ende starb. Er scheint ein wunderbares Tier gewesen zu sein. Wer weiß schon was ihn veranlasst hatte die Menschen anzugreifen. Aber war es wirklich nötig gewesen? Ja wahrscheinlich schon. Vater hatte sie ja mal mit auf so eine Jagd genommen, genau einmal. Weil sie aber immer die Tiere verscheucht und gefragt hatte warum nun dies Tier oder dieses hatte er ihr über den Kopf gestreichelt und entnervt aufgegeben. Mit seiner Tierlieben Tochter war es eben nicht möglich auf die Jagd zu gehen. So hatten sie sich darauf beschränkt die Tiere des Waldes zu beobachten.
    Was Runa aber hörte, war die Begeisterung mit der er die Geschichten erzählte. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass der junge Mann von damals neben Runa sitzt. Er erzählte es mit so viel Leidenschaft und so Bilderhaft, das er Runa mit seinem Enthusiasmus förmlich ansteckte.
    „Du vermisst sie alle sehr oder?“ Eigentlich war das keine Frage, sondern eine Feststellung, denn so wie gerade hatte sie ihren Vater noch nie erlebt. Ja man konnte förmlich spüren, wie er mit jeder Mille Passus mehr aufblühte.
    Und das brachte Runa eben zu ihrer Frage. Die sie gestern nicht mehr stellen wollte, weil sie, auch wenn sie noch recht jung war, mitbekommen hatte, das ihrem Vater das Thema nah ging. "Warum musstest du damals weg?"

  • Irgendwie hatte sich Phelan total in seinen Geschichten verheddert. Voller Begeisterung und in epischer Breite erzählte er seiner Tochter von den Jagderlebnissen, was sogar mehrere Stunden ausfüllte, doch Runa hörte gespannt zu. Zu diesen Zeiten war das Leben für ihn noch völlig unbeschwert gewesen. Er hatte noch keine Pflichten, waren diese Ereignisse doch lange vor seiner Reise nach Rom, wo er seine Ausbildung absolvierte. Während er erzählte, wurde er gegen Ende hin immer leiser, kam er doch zu der Stelle, wo er Runa erzählte, dass Irminar und Loki schon lange tot waren. "Ja." entgegnete er ihr. "Aber so ist das im Laufe der Generationen. Mittlerweile gehöre ich zu den ältesten Duccii, ebenso wie Witjon und Alrik. Du bist die neue Generation, zusammen mit Audaod und den noch jüngeren Kindern von Dagmar." Als sie dann die Frage stellte, die er einfach nicht beantworten wollte, schaute er wieder gerade aus und schwieg eine Weile. "Wir leben in der Gegenwart, die Gegenwart ist das was zählt, Runa." sprach er schon fast, als wären es weise Worte. "Wir müssen die Gegenwart leben und uns auf die Zukunft freuen, Vergangenes in Ehren halten, nicht vergessen, aber auch nicht von ihr unsere Gegenwart bestimmen lassen." fuhr er fort.
    Nach einiger Zeit des Schweigens setzte er sich plötzlich auf, stieß seine Tochter an und deutete auf den Horizont "Da! Das Castellum der ALA II Numidia! Dahinter liegt schon die Via Borbetomaga, abseits dieser Straße befindet sich unser Ziel." erklärte er. In freudiger Stimmung und mit einer immer aufgeregteren Tochter im Schlepptau fuhr der Wagen in Richtung Castellum, welches sie passierten und sich fortan auf der Via Borbetomaga befanden.

  • Runa nickte, sie verstand was Vater ihr sagen wollte, ein wenig Trauer legte sich auf ihre Züge. Denn zu gern hätte sie den Mann von damals gekannt. Eben jenen Phelan, der jung und unbeschwert sein Leben genoss, der wahrscheinlich ganz anders war, als der Mann, der nun neben ihr saß und ihr versuchte die Weisheiten des Lebens nah zu bringen. Als sie seine Trauer bemerkte über den Tod der verwandten war sie es, die ihre Hand tröstend auf den Arm des Vaters legte und sprach. „Sie spießen mit den Götter an der Tafel in Walhalla. Jeder von uns vernimmt einmal den Ruf der Ahnen um ihnen zu folgen. Mögen sie dort ihren Platz eingenommen haben und mögen uns die Götter noch eine lange Zeit auf Midgard bescheren.“
    Aber es war keine Zeit für trübe Gedanken, schon kam das Castellum der ALA II Numidia in Suchweite. Runa rutschte aufgeregt auf dem Wagen hin und her, gar so als hätte sie Hummeln im Moors.
    Sie renkte sich fast den Hals aus, denn sie wollte alles sehen ihr Kopf ging also mal zur einen mal zur anderen Seite. Immer wieder mal zupfte sie aufgeregt an Vater Ärmel und deutete am auf dies mal auf jenes.
    „Vadder kiek maal dor de smucken Pier.“ Und nun kam dann doch der berühmte Satz den wohl viele viele Eltern verflcuhen. "Sünd we bald do?"

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