ARCHIV Marcus Artorius Rufinus

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    Dies ist das Gemach des Marcus Artorius Rufinus, das
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    CUBICULUM
    MARCI ARTORII RUNFINI.


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    Die Wachen haben eine gemeinsame Welt, im Schlaf wendet sich jeder seiner eigenen zu. (Heraklit von Ephesus)
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  • Zurück. Aber trotzdem fühlte sich alles hier noch etwas fremd an. Dennoch. Ich musste in die Zukunft blicken. Das Ziel niemals aus den Augen verlieren. Sei wachsam. Sei geduldig. Sei schlau. Ich war müde. Die Reise hierher zurück hatte meine Kräfte schwinden lassen. Mit meinen 27 Jahren war ich eben auch nicht mehr der Jüngste. Ich ging schnurstracks auf die 40 zu. Das Ende meiner ersten Lebenshälfte klopfte schon an die Tür.


    "Ja?"


    Gut. Es war doch nur einer der Sklaven mit meinem Gepäck. Vorerst. Für heute hatte ich genug. Morgen würde wieder ein langer Tag für mich werden. Ich brauchte eine Beschäftigung, musste Geld verdienen. Und dafür brauchte ich erstmal einen Fürsprecher, einen Patron. Noch einmal schlief ich eine Nacht über meine längst getroffene Entscheidung. Am nächsten Morgen dann machte ich mich auf zur Casa Decima Mercator.

  • Meine Bedenken. In den Wind geschlagen. 200 leicht verdiente Sesterzen. Zu ganzen 90 Prozent ins staatliche Glücksspiel investiert. Getrieben von der irrwitzigen Hoffnung auf DEN großen Gewinn. Die erste Ziehung. XIX. Eine blöde Zahl. Nicht mal annähernd meine Glücksnummer. Aber man munkelte ja hinter vorgehaltener Hand sowieso schon jetzt, dass nicht Fortuna sondern die Finanzbeamten selbst nach eigenem Gutdünken die Zahlen jeder Ziehung bestimmten. Denn nur eine Person hatte bisher je diese Lotterie gewonnen. Dafür aber gleich dreimal, wenn ich mir das richtig gemerkt hatte. So ein Luder. Denn dieser Gewinner war natürlich eine Frau.


    Ich hatte natürlich nichts gegen Frauen. Eher im Gegenteil. ABER. Man konnte sich doch vorstellen, wie das da oben auf dem Palatium lief: Ein Haufen geiler Männer, die am Tag größtenteils nur unter sich waren. Absichtlich oder zufällig gewann diese Gewinnerin dann das erste Mal. Ein freundlicher Blick, ein flirtendes Lächeln, ein kleines Trinkgeld für die Finanzbeamten. Die ließen ein paar Wochen vergehen. Bis die Sehnsucht zu groß wurde. Dann gewann die Gewinnerin erneut. Ein freundlicher Blick, ein flirtendes Lächeln, ein kleines Trinkgeld für die Finanzbeamten. Eine Endlosschleife.


    7300 Sesterzen. Das war die Höhe des neuen Jackpots. Ich brauchte mir diese Zahl nur vorzustellen und es kribbelte nervös in meinem Bauch. Dann grummelte mein Magen. Ja, bis zur nächsten Ziehung musste mein Geld jetzt aber erstmal noch reichen. Oder.. oder ich kaufte noch ein Los unter falschem Namen. Irgendwas Weibliches. Irgendwas, das sich unschuldig, aber doch auch ein bisschen sexy anhörte. Ich hatte keine Idee. Und ich hatte vor allem auch kein Geld für noch mehr Lose. Ich war also doch ganz auf Fortuna angewiesen. Vielleicht sollte ich ihr ein Opfer darbringen? Im Garten blüten gerade schöne Schneerosen und ein paar letzte Äpfel hingen noch am Apfelbaum....

  • Die Lage der Nation war ernst. Sehr ernst. Der Kaiser war tot. Einen Caesar gab es nicht. Und es stank gewaltig. Nach Bürgerkrieg. Trotzdem hatte ich mich von meiner ersten Panik mittlerweile wieder etwas erholt. Der Kaiser war tot. Daran konnte ich nichts ändern. Die Stadttore hatte man verschlossen. Eine Flucht aus Rom war ausgeschlossen. Auch daran konnte ich nichts machen. Die Lebensmittel wurden (das war nur eine Frage der Zeit) knapp. Darauf hatte ich ebenfalls keinen Einfluss. ABER: Ich hatte ein Dach über dem Kopf. Darum konnte ich mich kümmern und das konnte ich beschützen und verteidigen! Ich hatte einen einflussreichen Patron. Den konnte ich unterstützen in diesen Tagen, die bestimmt auch für ihn nicht leicht waren! Und.. wie ich heute brieflich erfahren hatte, könnte ich vielleicht schon bald ein staatliches Einkommen haben! Von Lebensmittelkäufen auf dem Schwarzmarkt, solange die Tore zu waren, über ein paar Schutzleute für mich und die Domus Artoria bis hin zu solchen Banalitäten wie dem Wassergeld.. alles sowas könnte ich mit soeinem Einkommen anfangen.


    Also. Nicht mehr rumjammern, was alles nicht ging und was vielleicht alles schlimmes passieren könnte. Stattdessen den eigenen Hintern hochbekommen und das tun, was mir zu tun noch geblieben war! Geld verdienen und damit die eigenen Überlebenschancen steigern. Das bestimmte ich mir zum Motto für die nächsten Tage. Und so machte ich mich am nächsten Morgen dann auch pünktlich auf zum Amtssitz dieser Postpräfektin....

  • Sie war mir versprochen worden. Jetzt war sie da: Meine Ernennungsurkunde zum Stationarius der Mansio in Rom im Cursus Publicus Italia. Ja, zugegeben dieser Text war jetzt ein bisschen unhandlich und lang. Aber alles in allem: Ich hatte einen Job! Hier in Rom! Noch dazu mit sicherer Bezahlung! Denn so ein staatlicher Postdienst, der machte ja nicht mal von heute auf morgen Pleite. (Da waren private Anstellungen deutlich unsicherer.) Ob nun Kaiser oder Senat oder irgendein reicher Mäzen, irgendwer würde im Zweifelsfall schon einen Rettungsschirm zur Hand haben.. und damit dann auch mich retten und weiter bezahlen.


    "Ja, Paps, das hattest du nicht!"


    So eine sichere Einnahmequelle. So ein hübsches Dach über dem Kopf. So eine ganze Domus zu meiner freien Verfügung. Ja, ich war schon nicht unstolz, meinen Vater den lebenslangen Tagelöhner hiermit jetzt hinter mir zu lassen! Vielleicht wurde aus mir ja doch nochmal was.. irgendwann. Für den Augenblick (und die äußeren Umstände hier in Rom ausblendend) war ich allerdings mehr als zufrieden. Und so hängte ich gerahmt in ein schlichtes Holz die Urkunde auch gleich auf. Mittig übers Kopfende meines Bettes. Ja, da passte sie gut:


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    MARCUS ARTORIUS RUFINUS


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM IV NON FEB DCCCLXV A.U.C.
    (2.2.2015/112 n.Chr.)


    ZUM
    STATIONARIUS DER MANSIO IN ROM
    IM
    CURSUS PUBLICUS VON ITALIA


    /images/signet/Siegel_Sergia.png


    Sergia Fausta
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    Praefecta Vehiculorum pro Italia

  • Ein Scherz. Ein Scherz. Es war ein Scherz.
    Ein Scherz. Ein Scherz. Es war nur ein Scherz.
    Ein Scherz. Ein Scherz. Es war nur ein einziger Scherz.
    Es konnte nur ein Scherz sein!


    Denn ich war doch nur Marcus Artorius Rufinus. Ich war doch nur der Sohn des Marcus Artorius Uranius. Und Marcus Artorius Uranius, wer was das schon? Das war doch nur ein Herumtreiber. Ein Gelegenheitsarbeiter. Einer, der zu Beginn einer Woche selten wusste, ob das Geld bis zum Ende der Woche reichte. Wenig hatte er nur auf die Reihe bekommen. Und noch weniger hatte er mir damals als Erbe hinterlassen: Von meinen Eigenschaften, über meine Bildung und Erziehung, bis hin zu irgendwelchen Vermögenswerten. Nie hatte ich von einer dieser Sachen viel gehabt. Wirklich nie.


    Bis zum Bürgerkrieg. Verwandte starben, darunter Vetter und sogar Neffen. Fortan musste ich mich kümmern. Um dieses nette Anwesen, die Domus Artoria. Um die Geschicke der Familie. Um lauter Dinge, von denen ich nicht den geringsten Schimmer hatte. Trotzdem versuchte ich mein bestes: Ich fand einen guten Patron. Ich fand einen solide bezahlten Job. Ich konnte mir mein bescheidenes Dasein leisten. Obwohl ich das Glücksspiel liebte. Obwohl ich dabei nur Geld verlor, nie welches gewann. Obwohl ich auch gerne mal ausging. Kurz: Obwohl ich mit Geld eigentlich kaum umgehen konnte.


    Deshalb hatte ich mich ja auch an Fortuna gewandt. Vor einer ganzen Weile schon. Ich hatte es beinahe schon vergessen. Denn gebracht hatte es ja nichts. Nicht für mein schönes Glücksspiel. Kein Jackpot. Kein Hauptgewinn. Nichtmal ein kleiner Trostpreis. Nichts. Und genau von dort - aus dem Nichts - von da brach auf einmal ein gewaltiger Strum über mich herein. Ein gewaltiger Sturm mit den dunkelsten aller Regenwolken. Und jede dieser tiefdunklen Regenwolken war prall gefüllt. Mit Geld. Wie dicke, schwere Hagenkörner, so prasselte der Geldregen nun auf mich ein. Und ich konnte es kaum glauben.


    Vorgestern noch war ich ein armer Schlucker.
    Gestern noch war ich ein einfacher Bürger.
    Heute nun.. fühlte ich mich wie der Erbe des Cornelius Palma: Reich! Nein. Stinkreich! Auch nicht. Sondern: Viel zu reich zum Stinken! Oh, ja....

  • Nach meiner Entscheidung, die Urbaner für die Aufnahme meiner Aussage in die Castra Praetoria zu begleiten, wurde mir ein Miles Visellius zur Seite gestellt. In seiner Obhut erreichte ich sicher die Castra, wo ich bald darauf meine Aussage machte. Dann durfte ich gehen. Dabei wollte ich gar nicht gehen. Nicht alleine. Nicht hinaus in eine Welt, wo ich ein leichtes Ziel wäre. Wo ich jetzt als Zeuge eines Mordes ein dickes, fettes Fadenkreuz auf dem Rücken trug. Ich überredete den Centurio dazu, dass mich der Visellier und zwei seiner Kameraden nach Hause eskortierten. Wenigstens auf dem Weg zurück in die Domus Artoria konnte mir so also nichts passieren.


    Nun war ich zu Hause. Die Soldaten waren wieder weg. Ich verkroch mich sofort in meinem Cubiculum und befahl einem meiner Sklaven, auf den Märkten in der Stadt Leibwächter zu besorgen. Mindestens ein Dutzend zum Schutz des Hauses. Dazu noch ein halbes Dutzend, die mich ab sofort überall hin begleiten und mir nicht mehr von der Seite weichen sollten. (Ein Glück, hatte ich als Neureicher genug Kleingeld für diesen Aufwand.)


    Anschließend verbarrikadierte ich mich bis zum Eintreffen meiner neuen Leibwachen in meinem Zimmer.. und schlief bald darauf völlig erschöpft von dem Erlebten ein. Erst danach konnte ich wieder halbwegs klar denken. Ich beschloss: Um nicht komplett durchzudrehen, stürzte ich mich in die Arbeit.. bis der Täter hoffentlich bald gefasst wurde und der Prozess gegen ihn begann.

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