Officium des Aquarius G. Sergius Plautus

  • Dies ist die Amtsstube des Aquarius G. Sergius Plautus



    Der Aquarius ist ein Mitarbeiter des Curator Aquarum. Er kann sowohl als Wasserbauer für die Wartung von Brunnen und Aquädukten sowie die Verlegung von Anschlüssen in einer Regio oder der Stadt Rom verantwortlich sein, als auch als Scriba bei administrativen Aufgaben und Tätigkeiten der Wasserversorgung dienen.

  • Als er sein Officium gefunden hatte, traf er dort einen Amtsdiener an, der gerade dabei war, einen Schreibpult mit Tintenfässern und Rohrfedern zu bestücken. "Salve, ich bin Sergius Plautus, was machst Du da?"


    Der, bei seiner andächtigen Arbeit unterbrochen, fuhr hoch und antwortete ein bißchen stotternd: "Öh, ich bin Aufidius Nasica, man hat mich Dir als Apparitor zugeordnet und ich räume hier auf. Öh, ... salve Sergius Plautus."


    Plautus sah sich um. Fünf Aktenschränke, ein großer Tisch, auf dem eine Karte lag, zwei Buchstützen, ein Schreibpult, zwei Sessel, einige Hocker, ein kleiner Tisch, ein paar Kandelaber mit Öllampen und ein Haufen Kleinkram. In einer Ecke lehnten drei Decempedae. Daneben stand eine verstaubte Groma. Plautus ging hin, um sie sich näher anzusehen. Nasica wedelte hinterher: "Öh, da bin ich noch nicht dazu gekommen, das Ding abzustauben".


    "Scheint wenig gebraucht zu werden, aber lass Dir Zeit damit, ich muss mir jetzt erst die Akten ansehen, Nasica. Wo gibt's eine Übersicht?"


    Er ging eilfertig zu einem Schrank, öffnete die Tür und las von einem Papyrus ab, den man von innen drangenagelt hatte: "Aqua Appia, Anio Vetus, Aqua Marcia, Aqua Tepula, Aqua Iulia, Aqua Virgo, Aqua Alsietina und Specus Octavianus ... das wär's."


    Plautus hob die Augenbrauen. "Ist das Alles?" Nasica fischte sich mit geübtem Griff ein Fitzelchen Papyrus aus einer Schrankecke. "Nö, ein paar Akten hat vor einem Jahr der Aquarius Italiae angefordert." "Und bisher nicht zurückgegeben", lächelte Plautus. "Die holen wir uns wieder. Ich will Alles hier haben. Gib mir mal die Akte Aqua Iulia. An der Leitung bin ich gestern vorbeigekommen."

  • Nachdem Plautus die Akte Aqua Iulia in sich aufgesogen hatte, kam Fufidius Nasica zurück und brachte zwei Säcke mit Aktenrollen angeschleppt.


    Nasica setzte die Säcke ab und meinte: "Manchmal geht Alles schief und nachher passt es trotzdem. Schau, ich hab nach den Akten gesucht, die der Aquarius Italiae vor einem Jahr angefordert hatte, aber die hat der Kerl schon vor Monaten zurückgeschickt. Irgendein Dödel hier im Haus hat den Kram dann dummerweise ins Archiv gesteckt. Dort hab ich endlich den ganzen Krempel gefunden, und nicht nur das. Ich bin noch auf einen Haufen Abschriften von Rechnungen, Edicta und von Gesetzen gestoßen. Schau her."


    Er öffnete einen der Säcke. Plautus legte die Akte Iulia beiseite und schaute in den Sack. "Lex Quinctia de ...? Was ist das denn? Am besten, Du staubst den ganzen Kram ab und machst eine Liste. Dann gucken wir mal, was so in unserem Archiv vor sich hingemodert hat."


    Nasica rang sich ein gequältes Lächeln ab. Er war nicht der Typ, der sich in einem Aktenbiotop wohlfühlte.


    "Ich, weiß, Du wärst lieber da draußen auf den Wasserleitungen, um nach bröckligen Stellen zu suchen. Das scheint bei den Wasserfritzen sowieso die liebste Beschäftigung zu sein. Es soll ja sogar schon Curatores gegeben haben, die nichts lieber taten als leibhaftig auf den Leitungen rumzukriechen, weil sie richtige Kontrollfreaks waren. Aber schau mal raus, es sieft in Strömen".

  • Und so war es dann auch. Es schüttete in Strömen und zwar ausdauernd. Plautus machte sich missmutig über die Akten her, die ein noch missmutigerer Aufidius Nasica entstaubt und herübergereicht hatte. Es war unsäglich langweilig und hirnverdumpfend, endlose Abrechungen von Reparaturarbeiten, Mitschriften von Auseinandersetzungen mit den Anwälten bockiger Grundbesitzer oder akribisch aufgezeichnete, aber völlig erlebnisfreie Protokolle von Leitungsinspektionen lesen zu müssen.


    Machmal zuckten dennoch seine Mundwinkel, wenn sich die Schreiber ungewollte Purzelbäume bei ihren Formulierungen geleistet hatten. Nach beendeter Lektüre und einigen Notizen pfriemelte Plautus dann ein Etikett an die jeweilige Rolle, nicht ohne sich bei Nasica, der ja eine Liste anlegte, über den Inhalt der Rolle rückzuversichern. So ging das den ganzen Tag weiter und Plautus war längst zu der Überzeugung gekommen, dass er diesen verdammten Tag leicht aus seinem Lebensbuch streichen konnte, ohne ihm eine einzeige Träne nachweinen zu müssen.


    Nichts, aber auch gar nichts unterbrach diesen gleichmäßig dahinfließenden Strom des Geschriebenen, obwohl Plautus und sicher auch Nasica sich sehnlichst wünschten, in den Akten eine Entdeckung zu machen, die eine solch erfrischende Unterbrechung herbeiführen würde.


    Aber diese Unterbrechung kam nicht aus den Akten, sondern durch die Tür. Herein kam Hector Pixodarus, ein romanisierter Grieche, seines Zeichens Peregrinus und zuständig für die Wasserqualität. Pixodarus wartete nicht mal ab, bis Plautus seinen Kopf gehoben hatte: "Die Leute rund ums Forum Boarium sagen, das Wasser wäre früher besser gewesen".


    Wie von einer Last befreit, antwortete Plautus: "Seit Tausenden von Jahren sagen die Leute, früher wär' Alles besser gewesen. Oder hast Du irgendwas Konkretes?"

  • Pixodarus sagte: "Ja, hab ich", und stellte vier Phiolen auf den Tisch: "Ich habe Proben genommen. Hier. Die beiden sind aus einem Laufbrunnen der Aqua Appia, die anderen aus einem der Marcia."


    Jetzt stand uns eine Trinkwasserprüfung bevor. Aber nicht nach DIN 2000 (die gibt es erst in ferner Zukunft), sondern nach den Möglichkeiten, die man halt in Roma hatte. Wir hielten die Phiolen gegen das Licht, dann schütteten wir einen Teil des Wassers der ersten beiden Phiolen in Trinkschalen und machten uns an eine Verkostung. Wir rochen daran, nahmen ein Schlückchen, schnalzten mit der Zunge und ließen es langsam die Kehle hinunter rinnen. Doch wir schüttelten die Köpfe. Bis auf Nasica, der meinte: "Im Abgang hat es einen ganz feinen Schimmer von Kuhstall."


    Ein bißchen stritten wir, ob Nasicas Abgang real war oder eingebildet. Dann wiederholten wir die gleiche Prozedur mit dem Wasser aus der Aqua Marcia. Ohne Ergebnis. Die Marcia hatte bekannterweise das beste Wasser in Roma. Den Rest des Wassers gossen wir dann in Bronzeschalen, getrennt nach Herkunft, versteht sich. Wir wollten es verdampfen lassen, um uns die Verdampfungsrückstände anzusehen.


    Pixodarus sagte: "Das Wasser im Becken des Laufbrunnens war nicht ganz klar. Es hatte einen leicht bläulichen Ton oder so was. Aber ich könnte es nicht beschwören."


    Aufidius Nasica notierte Alles fein säuberlich. Auch das mit dem Kuhstallschimmer. Er konstatierte: "Das wird sauschwierig. Die Appia läuft beinahe auf der ganzen Strecke unterirdisch."

  • Am nächsten Tag nahmen sich Plautus und Nasica die Verdampfungsrückstände in den Bronzeschalen vor. Nichts. Nada. Sie glotzten wieder und wieder auf den weißlichen Belag, mit Tageslicht am Fenster, im Licht einer Öllampe. Trotzdem immer noch nichts. Plautus lehnte sich zurück.


    "Das ist mir Alles viel zu dünn. Hören wir auf damit, bevor wir das Augenlicht verlieren. Leg's zu den Akten, Nasica."


    Da erschien Pixodarus und berichtete, dass sich schon wieder Leute über das Wasser der Aqua Appia beklagt hätten. Diesmal andere Leute. Aber wieder das Gleiche. Plautus fragte, ob die Leute wenigstens beschrieben hätten, was denn jetzt tatsächlich schlechter sei als früher. Nein, meinte Pixodarus, bloß immer das Früher-war's-besser. Das roch verdächtig nach einem Volksmärchen. Volksmärchen enstehen aus Gerüchten, die nicht nachprüfbare Behauptungen enthalten und genau deswegen so immens glaubhaft sind. Kein Schwein kann heute noch feststellen, ob das Wasser der Appia früher besser war oder nicht, weil es längst in den Tiber gelaufen ist. Erledigt.


    Plautus winkte mit einer weit ausholenden Armbewegung ab: "Das sind Gerüchte und wenn die mal in der Welt sind, dann zeugen sie Nachkommen. Und zuletzt glaubt alle Welt daran. Wir könnten jetzt eventuell eine Inspektion der Aqua Appia ins Auge fassen, aber mir fällt was Besseres ein: Pixodarus, geh zu Deinem Barbier und erzähl ihm, dass das Wasser der Appia jetzt besser sei denn je. Und zwar, weil früher Kaiser Salinator gewohnheitsmäßig in die Aqua Appia gepinkelt hätte, wozu er jetzt ja nicht mehr imstande sei. Sag dazu, dass Dir das informierte Kreise hinter vorgehaltener Hand gesteckt hätten."

  • Pixodarus erstarrte für ein kleines Weilchen und glotzte ungläubig, bis ihm der Sinn seines neuen Auftrags klar wurde. Dann breitete sich ein breites Lächeln in seinem Gesicht aus und er verließ mit eiligem Schritt den Raum.


    Plautus wandte sich an Aufidius Nasica: "Beim Pluto, ich bin zwar nicht vom Ergebnis unserer Wasserprüfung überzeugt, aber Nachprüfen ist immer besser als Spekulieren. Wann ist denn die Appia zu letzten Mal inspiziert worden?"


    Nasica rollte ausgiebig mit den Augen und murmelte etwas von der Art, dass es schon einige Äonen her sein müsste, weil das alte Hütchen mittlerweile schon recht bröcklig wäre.


    Plautus wiegte den Kopf: "Nicht gut. Nimm Dir ein paar Leute und fangt da an, wo die Aqua Appia ans Tageslicht kommt. Den Teil der oberirdisch verläuft, könnt Ihr links liegen lassen. Kontrolliert erst mal alle Abwasserkanäle, die die Leitung kreuzen. Dann schaut Ihr Euch die unterirdische Röhre von innen an, ob es Bruchstellen gibt, aber steigt immer nur zu zweit in die Kontrollschächte. Macht das erstmal nur bis zur Stadtmauer. Wie es draußen vor der Stadtmauer weiter geht, überleg ich mir noch."

  • Der Palatin hatte ein Knall. Nein, diesmal waren nicht die Beamten gemeint, sondern es machte letzte Nacht *Boommm*... es sind nämlich ein paar Rohre geplatzt. Die Ursache blieb weiterhin unbekannt. Hatte doch niemand wirklich Ahnung von dieser Materie. Sie mögen viel Scheiße am Palatin reden, doch wenn es um echte ging, nee, da mussten sie auf die Experten zurückgreifen. Die Scheiße war am Dampfen und wer hatte die Federführung wiedereinmal inne, natürlich, Varenus.


    *poch* *poch*

  • Die Truppe, die sich die Aqua Appia vorknöpfen sollte, war noch nicht zurück. Als dann jemand heftig an der Tür klopfte, hob Plautus seinen Kopf. Waren die schon mit ihrer Inspektion fertig? Aber komisch, die Kerle hatten noch nie die Angewohnheit gehabt, erstmal zu klopfen, bevor sie hereinstapften. Mal sehen, wer das war.


    "Herein, wenn's kein Grieche ist!"

  • Varenus trat ohne größeres Zögern ein, als es von drinnen schallte. Das Gesicht was ihm offenbart wurde, war ihm bisher unbekannt. Er hatte auch keine Ähnlichkeit mit jemanden aus seinem engen Bekanntenkreis, sodass es sich entweder um einen aus einer weniger wichtigen Familie handelte oder aber das dieser neu in der Stadt war. Es gab ja so einige Posten mit neuen Kräften zu besetzen. "Salve. Primicerius Decimus vom kaiserlichen Palatium. Bin ich der richtigen Annahmen, dass du für das Rohe verlegen in der Stadt verantwortlich bist?" Die meisten aus der Subura-Ecke hätten wohl diese Frage mit ja beantwortet, wenn auch was ganz anderes gemeint war.

  • Hm, ein bärtiger Typ. Plautus zuckte etwas zusammen. Beim Hades, hoffentlich war das nicht der germanische Bursche, der im Senat ständig das große Wort führte. Aber dieser da stellte sich als Decimer vor. Primicerius. Na ja, mittlerweile gibt es ja auch Kaiser mit Bärten. Und Leute, die das nachmachen.


    "Salve Decimus. Richtig, wir verlegen auch rohe Rohre in dieser Stadt. Aber ich - mein bescheidener Name ist Sergius Plautus - bin dafür erst seit vier Wochen verantwortlich. Kann ich etwas für Dich tun?"

  • Schade, dass Varenus keine Gedanken lesen konnte, weil dann hätte er wohl 'buhhh' gemacht, wie eben ein Germane die ja bekannt waren für ihre Bärte.


    Als er den Namen Sergia hörte. War da nicht was? "Ein Sergius, ah ja. Hoffentlich nicht verwandt mit dieser Postpräfektin?", grinste er. Denn er hatte keine Vorurteile gegenüber ihr, eigentlich gar keine Meinung. "Also letzte Nacht gab es ein lautes Zischen am Palatium. Nach einer Inspektion wurde festgestellt, dass sich auf der untersten Ebene Wasser befindet. Meine Vermutung wäre Rohrbruch. Doch dass allein kannst nur du feststellen. Wir reparieren nämlich höchsten Gesetze am Palatium."

  • So langsam nervte es Plautus, dass ihn jeder aber auch jeder Piepel wegen Sergia Fausta anquatschte. So ließ er die Bemerkung des Primicerius unkommentiert durch das gegenüberliegende Ohr entweichen. Gern hätte er auch eine Bemerkung über die kaiserlichen Gesetzesklempner losgelassen, aber angesichts des Ernstes der Situation verkniff er sich das dann doch.


    "Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann habt ihr das gebrochene Rohr noch gar nicht ausfindig gemacht, oder? In welchem Gebäudeteil findet Eure Überschwemmung denn statt? Ich muss ja schnellstens den Zufluss dicht machen und ich will vermeiden, dass wir so nebenbei auch unserem neuen Kaiser das Wasser abdrehen."


    Er kramte kurz in seinem Gedächtnis. Die Domus Augustana hing am Anio Novus und das Verteilerbecken steckte irgendwo in dem riesige Gebäudekomplex. Man musste dort rasch das richtige Abflussrohr finden. Wenn man nur den kaiserlichen Beamten das Wasser abdrehte, dann konnten sie halt ihren Wein nicht mehr verdünnen. Das wäre hinnehmbar.

  • Entweder hatte sein Gegenüber ein schlechtes Gehör aufzuweisen oder aber mit Absicht überhörte er Varenus Anspielung. "Im Domus Augustana, genauer gesagt im privaten Wohnbereich der kaiserlichen Familie, wenn man derzeit von kaiserliche Familie sprechen kann. Öhm ja,... also wann können deine Sklaven loslegen? Ich muss dir nicht sagen, dass es oberste Priorität hat. Du willst ja nicht, dass der neue Imperator bei seinem Einzug zu hören bekommt, dass er wieder kehrt machen kann, weil ein Rohrbruch vorliegt." Manch so ein Kaiser hätte jemanden dafür töten lassen, vielleicht war auch dieser Aquilier so einer. Denn statistisch gesehen wäre wieder ein Tyrann an der Reihe.

  • Nur noch drei sechzehntel Digiti trennten Plautus von einem Schreikrampf. Was dieser Staatsdödel da eben abgeliefert hatte, war etwa so: Da rennt jemand zu den Vigiles und ruft 'In Roma brennt's, Ihr müsst löschen'. Erst auf Nachfrage rückt er damit raus, wo das genau ist und dass das Dach schon eingestürzt ist. Dann beschwert er sich darüber, dass die Vigiles noch nicht losgerannt sind. Das Palatium besteht unter anderem aus der Domus Augustana, der Domus Flaviana, der Domus Aeliana mit jeweils vielen Exedren, Peristylen, Wohnräumen, Amtsräumen, Bädern und Hallen. Es gibt dort mindestens drei Verteilerbecken, die Küchen, Badehäuser und Springbrunnen mit Wasser versorgen. Was der Sesselfurzer nicht wissen konnte oder wollte, war, dass man bei diesem Einsatz ja auch Ersatzrohre brauchte. Und vor allem die richtige Größe. Zähneknirschend kickte Plautus einen Hocker in die Ecke. Dann öffnete er die Tür zu einem Nebenraum.


    "Pontius, Hamilcar, Boiorix! Alarm, Rohrbruch beim Kaiser, schnappt Euch Werkzeug und fünf hundertzwanziger Ton."


    Dann drehte er sich zu dem Primicerius um: "Wenn Euer Gnaden bereit ist, können wir jetzt los."

  • Während Plautus auf die Rückkehr der Mannschaft wartete, die er in die Aqua Appia geschickt hatte, fiel sein Blick auf eine der Papyrusrollen, die er zusammen mit Nasica sortiert hatte. 'Lex Quinctia de ...' stand auf dem Etikett, kaum noch lesbar. Alter Kram hatte Nasica auf einem angehefteten Zettel hingekritzelt. Neugierig zog Plautus die Rolle heraus und versuchte, sie auf dem Tisch auszubreiten.


    Aber der Papyrus hatte wohl schlechte Zeiten miterlebt, denn er zerfiel sofort in eine Menge größerer und kleinerer Stücke. Unwillkürlich versuchte Plautus, die Fetzen wieder in ihre frühere Ordnung zu bringen. Am Anfang des Papyrus war das noch ganz leicht, aber je mehr er das Ding aufrollte, desto größer war die Zerstörung. Immerhin konnte er den Text am Anfang entziffern:


    Der Consul T. Quinctius Crispinus hat am 30. Juni auf dem Forum am Rostrum vor dem Tempel des Divus Iulius dieses Gesetz beim Volk ordnungsgemäß beantragt und das Volk hat es ordnungsgemäß beschlossen. Als erste gab die Tribus Sergia ihre Stimme ab, für sie stimmte S. Varro, der Sohn des L. Varro.


    Offenkundig stammte das noch aus der Zeit kurz nach der Republik und Plautus nahm mit einem leichten Gefühl von Stolz wahr, dass seine Gens da erwähnt wurde.


    Jetzt packte ihn eine Art Jagdfieber und er versuchte, weitere Fragmente zusammenzufügen, aber da öffnete sich die Tür und Nasica kam mit seinen Leuten zurück.

  • Die Namen, die der Sergius von sich gab klangen alles andere als typisch römisch. Ob die Herren unsere Sprache sprachen? Oder musste gar der Sergius mit der Hand und dem Fuß Anweisungen von sich geben? Das würde auf jeden Fall sehr lustig ausgesehen, wie ein Affe der vom Feigenbaum zu Feigenbaum kletterte.
    Auf die Anmaßung hin rümpfte Varenus nur die Nase, vor allem, weil Varenus das Wort 'Gnaden' als sehr widerwillig empfand. Wurde doch dieses eher von den verrückten Christen verwand.


    "An mir soll es nicht liegen, Sergius. Dann also auf." Varenus ging voran, nahm wie üblich auf die anderen keine Rücksicht, schritt immer schneller, auch wenn er die anderen verlor, weil sie einiges zu tragen hatten, nun ja, alle Wege führen zum Palatium.

  • "Nun denn," schloss sich Plautus dem Decimer an. Es war eine etwas merkwürdige Karawane, die sich dann durch die Stadt bewegte. Vorneweg der Primicerius, der ob der Dringlichkeit der Sache einen eiligen Schritt vorlegte. Danach Plautus, gefolgt von seinen Leuten, die ihr Werkzeug und die Tubuli trugen und versuchten, Schritt zu halten.

  • Nasica kam mit seinen Leuten herein und hob die Schultern, so als ob er gleich vorab das Ergebnis der Inspektion bekannt machen wollte.


    "Wir haben nichts gefunden. Die größeren Abwasserkanäle liegen alle tiefer als die Aqua Appia und wenn sie mal höher liegen, wie auf dem Caelius oder dem Aventin, dann laufen sie von der Leitung weg. Von daher kann es keine Verschmutzungen geben. Die Alten haben sich schon etwas gedacht, als sie das geplant haben."


    Er setzte sich auf den nächstbesten Hocker und warf einige Tabulae auf den Tisch. "Da siehst Du, wir haben die Tabulae umsonst mitgenommen, wir brauchten keine einzige Notiz zu machen. Wir sind auch die unterirdischen Leitungsstrecken abgegangen. Die Gewölbe sind in Ordnung, die Kanalwangen auch. Ich bin ziemlich verblüfft, weil ich weiß, dass das Dingsbums schon uralt ist. Das Einzige, was man im Auge behalten sollte, sind die Kalkablagerungen im Gerinnebett. Wir haben aber bisher nicht feststellen können, dass das den Durchfluss behindern würde."


    Plautus runzelte die Stirn: "Was kann man gegen den Kesselstein machen?"


    Nasica winkte ab. "Nichts, außer Abklopfen, aber im Augenblick sollten wir das sein lassen, weil ich fürchte, dass man dort, wo die Kanalwangen gemauert sind, eher Schaden anrichtet. Die einzige Stelle, wo man das vielleicht mal tun sollte, ist eine scharfe Kurve in der Leitung unter dem Aventin. Dort haben sich ziemlich dicke Klumpen gebildet."

  • Mit einem breiten Lächeln schob Plautus eine der Tabulae, die Nasica vorhin auf den Tisch geworfen hatte, wieder zurück. "Sieh mal an, Nasica, da haben wir ja doch etwas, was man notieren könnte. Wird ja sicher nicht falsch sein, dort gelegentlich mal mit Hammer und Meißel vorbeizuschauen."


    "Auf jeden Fall danke ich Euch, dass Ihr so todesmutig in den dunklen Kanal der Appia hinunter gestiegen seid. Ich habe allerdings vor, die Aktion auch außerhalb der Stadtmauer fortzusetzen. Dafür brauche ich aber noch den Segen der Oberbonzen."


    Nachdem der Trupp abgezogen war, konnte Plautus es kaum erwarten, sich nun wieder dem geheimnisvollen Gesetz zu widmen. Er besorgte sich ein Holzkistchen, einige große hölzerne Tabulae, etwas Leim und zwei, drei Leinensäckchen. Die Papyrusschnipsel, die bisher ordnen konnte, klebte er auf eine der Tabulae, dann verstaute er den Rest in einem Leinensäckchen, konnte es sich aber nicht verkneifen, einen der größeren Fetzen herauszufischen und näher zu untersuchen. Schimmel und die Larven von Bücherwürmern hatten fast Alles getan, um den Text unleserlich zu machen. Dennoch konnte er lesen:


    "Wer auch immer nach dem Erlass dieses Gesetzes Gerinne, Kanäle, Bogenreihen, Bleirohre, Tonrohre, Verteilerbauwerke oder Brunnenbecken der öffentlichen Wasserleitungen, die in die Stadt geleitet werden, vorsätzlich anbohrt ..."


    Aha, seine selbstgewählte Nebenbeschäftigung schien sich also doch im Rahmen seiner dienstlichen Obliegenheiten zu bewegen. Auch gut.

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