Mit kritisch geblähten Nüstern sah sich Antias im neu entstandenen Nebenraum um. Zugegeben, angesichts der knapp bemessenen Frist, die ihnen dafür geblieben war, hatten der kahle Wirt und seine Bediensteten ganze Arbeit geleistet. Die Wände des einstige Stalles waren frisch getüncht, der Boden großzügig mit Stroh und Spänen eingestreut und vom ehedem verrammelte Durchgang zur Schankstube waren die Türflügel entfernt worden, wodurch sich die Fläche von Rufos’ Elysium fast verdoppelt hatte. Zwar gab es in diesem neuen Teil der Taberna noch keine richtigen Tische und Stühle, aber ein paar grob zusammengezimmerte Bänke und mit Brettern belegte Weinfässer würden ihren Zweck zweifellos ebenso erfüllen. Wirklich gute Arbeit, fürwahr. Aber dieser Mief!
„Ein bisschen streng riecht es hier schon noch, Rufo.“ Der neben ihm stehende Wirt glotzte gekränkt, schnüffelte ebenfalls und zuckte die Achseln. „Na waf erwarteft du? Da waren vor acht Tagen noch Fiegen drin.“ In der Tat, über den früheren Verwendungszweck der Räumlichkeit ließ der allgegenwärtige Brodem keinerlei Zweifel aufkommen. „Schon, aber ein paar Räucherbecken hätten da sicher Wunder gewirkt, meinst du nicht?“ Rufo wies diese Kritik mit einer wegwerfenden Hangbewegung von sich. „Ach waf. Wenn da mal daf erfte Dutfend von euch reingekotft hat, fällt daf gar nicht mehr auf. Im alten Fankraum hatte ich früher Fweine, riecht man daf etwa?“
„Naja .. um ehrlich zu sein ..“ begann Antias spöttisch, besann sich dann aber eines besseren und nickte nur knapp. Rufos’ Argument war nicht von der Hand zu weisen. Unter den rund achtzig Urbanern, die in Kürze hier einfallen würden, war wohl keiner, der sich das langersehnte Vergnügen eines zünftigen Gelages von solch banalen Nebensächlichkeiten wie Ziegengestank würde verderben lassen. Rufo war also kein Vorwurf zu machen. Im Gegenteil. Der Wirt hatte sich sogar verblüffend schnell von Antias’ Vorschlag überzeugen lassen, die anberaumte Feier der Dritten Centurie in angemessenem Rahmen auszurichten und seine Taberna im Gegenzug von Antias unter den Offizieren der CU nachdrücklich bewerben zu lassen. Im Grunde konnte der Glatzkopf dadurch nur gewinnen. Zum einen würde er seine Taberna als künftige Adresse für die Offiziersränge in völlig neue Ebenen der Preisgestaltung führen können, zum anderen war er damit nicht mehr auf die schlecht besoldeten Mannschaftsränge angewiesen, die nur an den Kalenden Ausgang bekamen. Zudem ließen sich aus unbezahlten Offizierszechen mitunter höchst vorteilhafte Gefälligkeiten herausschlagen, wenn man einen findigen Geist unter dem kahlen Schädel spazieren trug. Was waren dagegen schon vier Kübel Farbe, ein qualitativ modifiziertes Angebot und ein paar Ziegen, die sicher mit zufriedenstellendem Gewinn verkauft worden waren? Gar nichts.
„Na schön, vergessen wir mal die Ausdünstungen. Wie sieht’s mit dem Personal aus?“ Irritiert zeigte Rufo auf die beiden neu eingestellten Helfer, die gerade dabei waren, Becher und Wasserschalen auf den improvisierten Tischen zu platzieren. „Schon klar, aber die mein ich nicht.“ grinste Antias den manchmal überraschend begriffsstutzigen Wirt an. Rufo runzelte zunächst die Stirn, patschte sich dann aber von einer jähen Eingebung durchlodert die fette Hand auf die Stirn. „Ach fo ja! Veftina, Planfina, Lufilla und Barfine. Warten oben. Foll ich fie rufen laffen?“ Anias winkte ab. „Nein. Erst wenn alle da sind. Ich sag’s dir dann schon.“ Vier Huren. Antias war etwas bekümmert. Die würden nicht lange durchhalten, schon gar nicht, wenn Hispo sich einmal warmgaloppiert hatte. Ein Jammer, dass Saserna mit diesem furchtsamen Hausdiener durchgebrannt war, die wäre mühelos mit der halben Centurie fertig geworden und hätte anschließend noch Nachschlag verlangt. Aber gut, dann mussten vier Mädchen eben für’s erste reichen. Draußen auf den Gassen trieb sich immer genügend Nachschub herum.
„Gute Arbeit, Rufo.“ lächelte er den Wirt aufmunternd an. Einerseits tat Rufo ihm leid, denn immerhin war Saserna nicht nur die Haushure sondern sein Eheweib gewesen, andererseits schien der gehörnte Glatzkopf so langsam zu begreifen, dass er letztlich froh sein konnte, den ewig schmerzenden Stachel endlich losgeworden zu sein. „Dann werd ich mal sehen, wo sie bleiben. Ab an die Fässer mit dir.“ Mit einem gutmütigen Nicken schlurfte Rufo in Richtung Coquina davon.
Antias sah sich noch einmal um, ging dann zur Vordertür, zog den Riegel zurück und trat erwartungsfroh vor die Taberna. Wenn ihn seine Ohren nicht völlig täuschten, näherte sich durch eine der Quergassen ein größerer Haufen plappernder Kindksöpfe mit beschlagenen Caligae.