Eine Gazelle, ein Esel und wieder kein Gockel

  • Denk an den Gockel! ermahnte sich Antias zum wiederholten mal, vergiss den Gockel nicht! Nein, er würde den verdammten Gockel schon nicht vergessen. Schließlich quälte ihn das schlechte Gewissen schon seit geraumer Zeit. Er hätte sich schon viel früher darum kümmern müssen, hätte diesem bedauernswerten Osturius und seine Söhnen längst einen Besuch abstatten und ihnen wenigstens den Gockel ersetzen sollen. Das war schließlich das allermindeste, was er für den vom Schicksal gestraften Veteranen tun konnte. Aber er hatte es immer wieder vor sich her geschoben. Keine Ausrede war ihm zu fadenscheinig gewesen, um die Konfrontation mit dem Schlamassel zu vermeiden, das er selbst mit angerichtet hatte.


    Heute aber war sein und Apolonias’ Markttag, und da würde sich gewiss auch die Gelegenheit bieten, einen ansehnlichen Hahn zu erwerben. Was für die restliche Einrichtung der neuen Wohnung noch gefehlt hatte, war bereits besorgt: Ein paar nachtblaue Vorhänge, ein weicher Cubile, ein hoher Leuchter, alles Gegenstände, die genau genommen der Princeps mit seinem großzügigen Donativum finanziert hatte, was Antias als gutes Omen wertete. Fehlte also nur noch der Gockel. Nachdem sie den Korb mit den Einkäufen vertrauensvoll Babilas’ Obhut überlassen hatten, schlenderten die beiden weiter staunend über das gewaltige Marktareal am Steilhang des Collis Quirinalis.


    Hier gab es wirklich alles. Sklaven, Vieh, Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge, Huren, Musikanten, Ringkämpfer und mochte Iuppiter wissen, was noch alles. Aber vor allem anderen gab es hier eine selige Ahnung von einem normalen Familienleben für Apolonia und ihn. Es interessierte sich niemand dafür, was sie waren. Wer sie sah, sah ein glückliches junges Paar, das völlig entspannt und bar aller Sorgen umher flanierte. Antias genoss es, sich mit Apolonia treiben zu lassen. Je tiefer er mit ihr in den Trubel zwischen den Ständen tauchte und je öfter er das freudig entspannte Gesicht seiner Gazelle betrachtete, desto weiter schweiften seine Gedanken ab. Als sie schließlich das Obergeschoss der riesigen Markthalle erreicht hatten, wo nützlicher und unnützer Tand aller Art feil geboten wurde, von edlem Geschirr und monströsem Schmuck bis zu wohlriechenden Essenzen und exklusiver Kleidung, war der Gockel längst vergessen. An einem Stand mit betörend duftenden Ölen machte er halt, gab Apolonia einen verstohlenen Kuss auf die Wange und grinste sie spitzbübisch an. „Wetten, die haben da nichts, was nur annähernd so gut riecht wie du?“

  • Seltsam war es schon fand Apolonia, jedesmal wenn sie mit Antias unterwegs war interessierte sie ihre vierte Leidenschaft überhaupt nicht. Ihre ertse war Antias, die zweite ihr geliebter schatz Antias und ihr dritter natürlich Antias.
    Die Streifzüge waren nur dann interessant wenn sie ihren Optio ein paar tagen nicht sehen konnte. Ihr leben hatte sich nach seiner Beförderung und ihrem Umzug völlig verändert. Endlich hatte sie das gefunden was anscheinend schon immer, ohne dass sie es selber gewusst hätte, ihr Wunsch war, jemanden für sich zu haben und ihn zu umsorgen. Dies war meistens wenn sie es nüchtern betrachtet hätte meist umgekehrt.


    Glücklich, zufrieden mit sich und der Welt, ließ sie sich mit ihrem Schatz treiben. Seltsam bei all den Menschen, bei diesem riesigen Angebot, hatte sie nicht einmal das Bedürfnis zuzugreifen, auch wenn sich etwas noch so verführeisch vor ihr präsentierte. Nein sie war damit beschäftig, heimlich den stattlichen Mann neben sich zu beobachten, um so jede Regung, jede seiner Bewegungen auf zu saugen. Besonders genoss sie es wenn Frauen heimlich zu ihm blickten. Er gehörte ihr und so sollte es für alle Zeiten bleiben.


    Glücklich, zufrieden mit sich und der Welt, ließ sie sich mit ihrem Schatz treiben. Seltsam bei all den Menschen, bei diesem riesigen Angebot, hatte sie nicht einmal das Bedürfnis zuzugreifen, auch wenn sich etwas noch so verführerisch vor ihr präsentierte. Nein sie war damit beschäftig, heimlich den stattlichen Mann neben sich zu beobachten, um so jede Regung, jede seiner Bewegungen in sich auf zu saugen. Besonders genoss sie es, wenn Frauen heimlich zu ihm blickten. Er gehörte ihr und so sollte es für alle Zeiten bleiben.
    Gerade jetzt hatte sie nach seinen Kuss, sein schelmiches Lächeln entdeckt und sie wusste, gleich würde etwas kommen. Da war es auch schon. Ernst nickte sie, “das weiß ich, ich will nicht anmassend sein, den Duft wirst du auch nirgendwo finden, du musst wissen, ich bin eine Mischerin.” Jetzt lächelte sie keck, “ich habe den Duft selber kreiert. Nun kannst du mich unter hunderte von Frauen mit verbundenen Augen entdecken.” Jetzt kam die Frau in ihr ganz durch, und sie fragte mit lauerdem Unterton, “oder ist dir der Duft schon einmal untergekommen?” Eigentlich hatte sie das nicht sagen wollen, denn sie vertraute ihrem Antias grenzenlos und was früher war, war nie ein Thema bei ihnen. Kaum ausgesprochen,tat es ihr auch schon leid. Schuldbewusst senkte sie ihren Blick. DerTag war so schön, sie wollte ihn wirklich nicht verderben. “Sag mal, können wir keine Pause machen. Mir tun die Füße weh. Wir könnten doch eine Kleinigkeit in einer Garküche zu uns nehmen.”

  • Mit einem wissenden Grinsen bestätigte Antias Apolonias’ Aussage. Oh ja, Eine Mischerin, fürwahr. In ihr vermischte sich alles, was auch nur im entferntesten dazu angetan war, den Sinnen zu schmeicheln. Über Narde und Sandelholz ging das weit hinaus. Und sie duftete von Tag zu Tag immer verheißungsvoller - fand Antias zumindest. Mit theatralischer Geste schnüffelte er in ihrem Nacken herum. „Bei den Göttern .. wenn diese Panscher das riechen könnten, würden sie in Tränen ausbrechen.“


    Mit verbunden Augen, sagte sie? Nicht nur das. Sogar mit verstopfter Nase würde er seine Gazelle aus allem anderen Duftgetier heraus schnuppern können. Ihre nächste Bemerkung ließ ihn allerdings kurz stutzen. Was redete sie denn da? Als ob sie nicht ganz genau wüsste, dass er weder seine Nase noch andere Körperteile jemals in fremden Auen würde weiden lassen, solange er sie hatte. Vertraute sie ihm etwa nicht? Einen Moment lang sah er sie forschend an. Doch, das tat sie. Sie vertraute ihm. Aber sie hatte eben ihre ganz eigenen Erfahrungen mit seinen Geschlechtsgenossen gemacht. Erfahrungen, um die er sie nicht beneidete. „Alles gut, Dorcas“ lächelte er ihr zu, hob ihr gesenktes Kinn wieder an und schenkte ihr ein vergnügtes Augenzwinkern. „Wer kaut schon auf gedörrten Rosinen rum, wenn er einen ganzen Weinberg sein eigen nennen kann?“


    Ohne an Dinge, die längst vergangen waren, auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden, schnappte Antias sein Gazelle am Arm und geleitete sie zurück zur Treppe. „Gute Idee. Gehen wir Essen. Um deine Füße kann ich mich ja nebenbei auch noch kümmern.“ Dem unwiderstehlichen Duft von Knoblauch, Fenchel, süßem Garum und gebratenen Meeresfrüchten folgend gelangten sie wieder hinunter ins erste Geschoss. Hier war das Gedränge deutlich dichter als oben, was natürlich an all den Leckereien lag, die in scheinbar unzähligen Ständen angeboten wurden. Antias zog Apolonia noch enger an sich und bahnte ihnen höflich aber energisch einen Weg durch die Menge.


    Plötzlich sah er sich einem missmutigen Urbaner gegenüber. Optio Cloelius Pinna von der Achten. Richtig, die Achte und Neunte waren für das Marktgelände am Quirinal zuständig. Schon seit jeher. Trotzdem brachte es Antias kurzfristig etwas durcheinander, auf einen bekannten Principalis zu stoßen. „Na, Pinna, armer Hund? Hat’s dich heute erwischt?“ fragte er jovial. Der Cloelius warf ihm nur einen genervten Blick zu und ging weiter. Auch recht. „Worauf hast du denn Lust, Dorcas?“ wandte er sich erleichtert wieder seiner Geliebten zu. „Sollen wir uns hier nach was umsehen, oder möchtest du lieber wieder runter in eine der kleinen Garküchen an der Biberacta?“

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