• „Ja, leck mich doch ..“, entfuhr es Malleus entzückt beim Studium der ausgelegten Speisekarte. „.. am liebsten würd ich gleich die Tabula fressen! Und wies hier duftet! Prächtige Burschen, die Torwachen, ganz hervorragende Empfehlung!“ Dem konnte Casca nur beipflichten. Sein verschollen geglaubter Appetit war ihm schon beim Betreten der schmucken Taberna mit wütendem Knurren in die Eingeweide gefahren und gurgelte nun in süßlichen Speichelströmen hinter seinen Backenzähnen hervor. Malleus hatte einer alten Angewohnheit folgend zielstrebig den Tisch direkt neben dem Durchgang zur Coquina angesteuert, was zur Folge hatte, dass ihnen die elysischen Wohlgerüche betörend unverfälscht und ungefiltert in die dampfenden Nüstern drang.
    „Fisch, Huhn, Räucherfleisch, Lucanicae und so ..“ zählte Malleus begeistert auf, „Donnerwetter! Willst du nicht doch was essen?“ Casca schluckte gequält. Und ob er das wollte. Definitiv. Seit Tagen, ach was, seit Jahren hatte er nichts Anständiges mehr in den Schlund bekommen, zumindest kam es ihm so vor. „Bestell was.“ röchelte er durch die überspülten Zähne. „Egal was, aber mach schnell.“
    Feixend legte Malleus die Tabula beiseite und sah sich nach der hünenhaften Servierjungfer um, die mit den zahlreichen Gästen alle Hände voll zu tun hatte. „So ists recht, Kleiner. Ne solche Auswahl kriegst du so schnell nicht wieder. WIRTSCHAFT!“
    Mit funkelnden Schweißperlen im hellblonden Bartflaum und einem furchteinflößenden Lächeln auf den wulstigen Lippen stampfte die muskulöse Germanin schnaufend an den Tisch. „Den Fisch, das Huhn und einen großen Krug Bier. Für mich das gleiche, aber mit Schafskäse vorneweg.“ Das Lächeln der Bedienung wurde etwas schief. „Alles auf einmal?“
    „Nee, über die nächsten vier, fünf Tage verteilt.“ entgegnete Malleus mit einem belustigten Kopfschütteln. „Natürlich alles auf einmal! Wir haben Hunger.“


    Ganz wie bestellt schleppte die Riesin das Mahl dann auch herbei. Zwei mal Fisch, zwei mal Huhn, Schafskäse, Brot, Gemüse, alles zusammen auf einem breiten Holzbrett angerichtet. Für die Getränke blieb da kein Platz mehr, also mussten die Krüge auf einem leeren Stuhl abgestellt und das Ganze systematisch angegangen werden. Zuallererst machten sich die beiden über Fisch und Gemüse her. Huhn schmeckte zur Not auch kalt. Die Gelegenheit allerdings, gänzlich abzukühlen, bekam das Geflügel gar nicht erst. Schließlich musste auf dem Tisch Platz für die Bierkrüge geschaffen werden. Nachdem auch die letzte Fischgräte abgelutscht war, begannen sich Casca und Malleus schmatzend und schnaubend durch das zarte helle Hühnerfleisch zu arbeiten, immer wieder gestreift vom faszinierten Blick der vorbei eilenden blonden Athletin. „Ich glaub, die hat was für uns übrig.“, raunte Malleus zwischen zwei Bissen, „Da könnte man später sicher noch einen Stoßtrupp organisieren, was meinst du?“ Casca tat sein Entsetzen mit einen lauten Rülpser kund. Allein die Vorstellung trieb ihm schon den Schweiß auf die Stirn. „Bist du lebensmüde? Die lässt nichts mehr von dir übrig!“ Malleus wischte diese Prognose mit einer lässigen Armbewegung beiseite. „Pah! Unfug! Was glaubst du, warum man mich den Hammer nennt?“ Da kam sie schon wieder, so grazil wie ein Zugochse, nur breitschultriger.


    Während sich der in Wallung geratene Begleiter an einer galanten Konversation versuchte, vertilgte Casca stöhnend die Reste seines Huhns und streckte dann die Finger zwischen Gräten, Krumen und Knochen hindurch nach dem Schafskäse aus. Der verstohlene Vorstoß blieb jedoch nicht unbemerkt. Malleus hatte auch am Hinterkopf Augen. „He! Pfoten weg! Das ist meine Vorspeise! Bestell dir selber was!“ Keine schlechte Idee, fand Casca, nur war er mittlerweile zu faul dazu, kostete es ihn doch schon erhebliche Energie, Krüge und Becher auf den mittlerweile nahezu leergefressenen Tisch zu hieven. Nach dem ersten tiefen Schluck Bier stellte er verwundert fest, dass es ihm recht gut gefiel in Mogontiacum. Bis jetzt jedenfalls.

  • Die Zeit schritt fort, und während Casca und Malleus ihr Bestes gaben, um das üppige Mahl mit einer angemessenen Menge an Bier zu ehren, leerte sich die Taberna allmählich. Die massige Bedienung, Luitberga mit Namen, wie sie dem Süßholz raspelnden Veteranen inzwischen verraten hatte, ließ sich nur noch selten blicken, was Malleus geradezu zwang, noch mehr und noch schneller zu trinken, um seinen Plan von einem lauschigen Nacht zu dritt voranzutreiben. Casca konnte und wollte nicht mithalten. Beim Bier nicht und schon gar nicht bei dem, was sein väterlicher Freund da hartnäckig anzuleiern versuchte. Das Besteigen dieser nordischen Eiche stellte für Malleus offensichtlich eine unwiderstehliche Herausforderung dar, für Casca dagegen war der morgige Tag schon Herausforderung genug, und er hatte nicht vor, den Weg zum Legionslager auf allen Vieren zurückzulegen. Natürlich war ihm völlig klar, dass sich eine derartige Gelegenheit so schnell nicht wieder ergeben würde, aber das konnte ihm letztlich nur recht sein. Gelegenheiten wie diese hatte er schon zu oft wahrgenommen. Viel zu oft.
    Je bierseliger Malleus vor sich hin grinste, desto ernster wurde sein Schützling. Vielleicht war es für alle Beteiligten das Beste, wenn der entflammte Haudegen die Nacht tatsächlich bei Luitberga verbrachte. Lange Abschiede, und seien sie auch nur auf Zeit, hasste Casca fast noch mehr als die Aussicht auf all die überstürzten letzten Ratschläge, die Malleus ihm bis zum Morgen zweifellos noch würde angedeihen lassen. Abgesehen davon war er lange nicht mehr mit sich alleine gewesen, und das brauchte er hin und wieder.
    Als Luitberga an den Tisch stapfte, um eine erneute Bestellung entgegen zu nehmen, winkte er träge ab. „Danke, ich hab genug. Was bin ich schuldig?“ Malleus, eben noch versunken in Luitbergas stahlblaue Augen, fuhr entgeistert herum. „Moment mal! Langsam! Was heißt hier genug? Wir drei haben doch noch was vor! Nicht wahr, meine Hübsche?“ Luitberga sagte nichts dazu. Musste sie auch nicht. Die blasse Röte, die sich auf ihren Wangen ausgebreitet hatte, war beredt genug. Malleus hatte sein Ziel wieder einmal erreicht. „Ohne mich.“ seufzte Casca mit wissendem Lächeln. „Ich bin viel zu vollgefressen für anspruchsvolle Leibesübungen. Nichts für ungut, Luitberga. Außerdem muss ich morgen früh raus.“
    „Na und?“, protestierte Malleus, „Ich auch. Das ist doch noch lange kein Grund ..“
    Casca ahnte da etwas. „Wieso du?“ Malleus schien die Frage zu belustigen. „Na, ich komm natürlich mit zum Lagertor, was denkst du denn? Kann dir nur nützen, von einem verdienten Veteranen begleitet zu werden.“ Cascas Ahnung hatte sich bestätigt. Kam überhaupt nicht infrage! Wie würde das denn aussehen! „Das lässt du schön bleiben!“ beeilte er sich, Malleus Enthusiasmus zu bremsen, „Damit ich dastehe wie ein Depp, der ohne die stützende Hand seiner alten Glucke nichtmal geradeaus pinkeln kann? Vergiss es!“


    Unter anderen Umständen hätte Casca für diesen Ausspruch höchstwahrscheinlich eine saftige Maulschelle kassiert. Angesoffen und generös, wie er momentan war, beließ es Malleus allerdings bei einem tadelnden Knurren. Ist doch wahr, dachte sich Casca mit aufkeimendem schlechten Gewissen, irgendwo muss ja mal Schluss sein. Leicht geknickt packte er seinen Geldbeutel auf den Tisch und wiederholte die Frage nach dem zu zahlenden Betrag. Luitberga begann nachzurechnen, kam aber zu keinem Ergebnis, weil ihr Verehrer plötzlich fauchend vom Stuhl aufsprang. „Hab ich dir was getan, du undankbarer Wurm, oder warum beleidigst du mich? Wenn ich dich einlade, bezahl ich auch! War das schon mal anders?“ Dass Malleus ihn eingeladen hatte, war Casca zwar entgangen, auf eine Diskussion wollte er sich deswegen aber auch nicht einlassen, also quittierte er das Angebot mit einem versöhnlichen Lächeln. „Danke, Malleus.“ Zufrieden brummend ließ sich der grauhaarige Bär wieder auf den Stuhl plumpsen. „Ach was, gern geschehen. Na gut, dann schieb ab, du Schwächling. Ich komm später nach. Den Rückweg wirst du ja wohl alleine finden, nehm ich an.“ Casca nickte beherrscht. Er kannte Malleus. Der würde so schnell nicht nachkommen, nicht so lange Luitberga noch zu Atem kam. Vielleicht trudelte er bis zum Ientaculum im Haus seines Bruders ein, vielleicht aber auch nicht.
    „Nun gut ... dann will euch Turteltäubchen nicht länger stören.“ grinste Casca mit bemühter Heiterkeit. „Wir sehen uns.“ Dann schnappte er sich schnell seinen Mantel und strebte eilig der Tür zu. Mit einem Fuß bereits in der kalten Herbstnacht drehte er sich doch noch einmal um. „Ähm .. Malleus .. nochmal danke. Für alles.“ Der Veteran hob langsam die Hand zum Gruß und ließ sie anschließend lachend auf Luitbergas pralles Hinterteil klatschen. „Du wiederholst dich, Kleiner. Bis repetita non placent, so sagt man doch, oder?“ Ja, so sagte man. Nach einem letzten Blick auf das imposante Paar trat Casca auf die nächtliche Gasse hinaus. Eigentlich, musste er zugeben, passten Malleus und Luitbergas sogar recht gut zusammen. Titanen wie sie waren sicher in der Lage, Götter zu zeugen. Oder zumindest Zugochsen.

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