Sibels Sachen waren ins Haus befördert worden, seine Verlobte war frei und die Hochzeit rückte näher. Nur eines fehlte noch: Axilla hatte ein Opfer an die Laren gefordert und diesem Wunsch wollte Avianus nachkommen. Über irgendwelche kleineren oder auch größeren Differenzen bezüglich ihres Cousins zwischen wollte er nicht nachdenken, wenn es nicht unbedingt sein musste und schob sie vorerst beiseite, deshalb war natürlich auch Axilla dazu eingeladen, dem Opfer beizuwohnen. Im Grunde wollte er alles richtig machen und, was am wichtigsten war, dass seine Verlobte sich in der iunischen Domus zu Hause fühlte. Ein weißes Kaninchen würde zu Ehren der Laren sein Ende finden – typisch wäre ja ein weißes Schwein oder Ferkel gewesen, aber für ein kleines Opfer würde es auch das Karnickel tun. Avianus machte das zum ersten Mal, so ein blutiges Opfer am Hausaltar. Mindestens so ahnungslos wie das Kaninchen blickte deshalb auch er aus der Wäsche und versuchte einfach nicht daran zu denken, was es falsch zu machen gab.
"Oh, lares familiares, die ihr über dieses Haus und unsere Familie wacht! Ich, Aulus Iunius Avianus, demütig suche ich euch an, schützt die Bewohner dieses Hauses so, wie ihr alle Bewohner dieses Hauses vor ihnen geschützt habt, im Krieg ebenso wie in friedlichen Zeiten. Lass von nun an auch meine Verlobte, Iunia Sibel, der vom heutigen Tag an diese Domus ein Zuhause sein soll, in diesem Heim Schutz finden, sodass das Kind in ihr gesund zur Welt kommen kann. Nehmt dafür dieses weiße Kaninchen als Opfer an, und weitere Opfer sollen euch gewiss sein", sprach er zu den Laren, bevor er die Weihrauchgabe vollzog und ein kleines Trankopfer darbrachte. Als es dann soweit war, das blutige Opfer zu vollziehen, wanderten seine Augen zu Sibel. Er hatte kein Problem damit, Blut zu sehen. Wie es seiner Liebsten dabei erging, würde sich gleich zeigen. Er räusperte sich leise und nahm dem Sklaven das Kaninchen ab, hielt es am Kragen fest und trat vor das Lararium. Dort setzte er das Kaninchen auf dem improvisierten Altar, einem hergerichteten Tischchen, ab, nahm das Opfermesser in die Hand und entkleidete das Tier rituell.
Mit einer flüssigen Bewegung durchschnitt er ihm die Kehle. Ein kurzes Fiepen hörte er dabei und einen für einen kurzen Augenblick zappelte das kleine Tier, zitterte dann aber nur noch und bewegte sich schließlich nicht mehr. Der Iunier fing mit der Opferschale das erste Rinnsal an Blut auf, das aus dem Schnitt herauslief, und, als dieses versiegte, fuhr er fort, das Tier aufzuschneiden und auszuweiden. Die Innereien würden für die Laren verbrannt werden und das Fleisch für eine gemeinsame Cena zubereitet werden.
Lararium - Eine neue Frau im Haus
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Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben war sie zu einem Lararium getreten, um den Laren des Hauses, in dem sie von nun an wohnen würde, zu opfern. Damals in Misenum hatte sie den Ritualen beiwohnen müssen, weil man es von ihr verlangt hatte, obwohl sie ihr rein gar nichts bedeutet hatten. Doch dieses Mal war sie der Grund, weshalb man den Schutzgeistern opferte, auf das auch sie von nun an unter deren Schutz stand.
Neben ihrem Verlobten und dessen Cousine Axilla hatten sich auch die Sklaven des Hauses eingefunden. Alles war für das kleine blutige Opfer vorbereitet. Natürlich war das weiße Kaninchen, welches nun gleich ganz unfreiwillig zum Protagonisten werden sollte, nicht zu übersehen. Sibel hatte ein wenig Mitleid mit dem kleinen Geschöpf. Doch sicher war es hilfreich, diese Emotion für den Moment auszublenden, zumal das Kaninchen anschließend auch noch als Braten herhalten sollte.
Aufmerksam verfolgte sie jedes Wort und jeden Handgriff ihres Verlobten. Als sie unweigerlich den Rauch des Weihrauchs einatmete, glaubte sie, die Übelkeit käme wieder über sie. Doch glücklicherweise gelang es ihr, jenes blümerante Gefühl so gut zu unterdrücken, dass kein Malheur geschah. Als schließlich das Kaninchen seinen letzten Atemzug tat, zuckte sie kurz zusammen und verzog ihr Gesicht, als das Blut hervortrat. Wieder verstärkte sich das flaue Gefühl in ihrer Magengegend, als Avianus damit fortfuhr, nun das Tier aufzuschneiden und es von seinen Eingeweiden zu befreien. Wer sie beobachtete, konnte nun ihr bleiches Gesicht beobachten, in dem sich ihr Ekel, den sie empfand, widerspiegelte. Doch sie blieb im wahrsten Sinne des Wortes standhaft.
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