[Atrium] wer reitet so spät durch Nacht und Wind....

  • Schon kurze Zeit später erschien Alpina, sichtlich direkt aus dem Bett kommend. Sie trug ein Schultertuch über der Nachttunika, das rote Haar fiel offen über ihre Schultern hinab. Mit einem Blick schätzte sie die Situation ein.
    "Roderiq, wecke bitte Neman und lass sie die Kammer neben der Taberna Medica herrichten. Ich werde ihre Hilfe benötigen."


    Dann widmete sich die Kräuterfrau dem nächtlichen Besuch. SIe erkannte den Mann als den neuen Praefectus Castrorum von Corvinus Legio, der Legio II.
    "Salve", grüßte sie sparsam und wandte sich sofort dem Mädchen zu, das apathisch in einen Mantel gehüllt auf der Kline lag. Sie setzte sich dazu und griff nach dem Handgelenk der Kleinen. Das Kind dampfte förmlich. Es strahlte eine unglaubliche Hitze ab. Der Puls war oberflächlich und raste. Alpina fühlte mit der anderen Hand die Stirn des Mädchens. Sie war heiß, schweißig. Dann legte die Hebamme ihre Hand auf die kleine Brust. Diese hob und senkte sich in hektischem Rhythmus, der Atem war flach.
    Mit sanfter Stimme fragte sie die Kleine "Wie heißt du, kleine Nymphe?"


    Als keine Antwort von dem somnolenten Kind kam, sah sie den Praefekten fragend an. Sie hoffte auf seine Hilfe und bohrte gleich noch nach. "Was kannst du mir über den Verlauf der Erkrankung sagen? Seit wann ist sie krank? Wie finge es an?"

  • "Ja, salve et tu!" entgegnete Licnius fahrig. Und riss seinen Blick von dem Mädchen los auf die junge Frau, die eben den Raum betreten hatte. Während der wenigen aber für ihn endlosen Augenblicke, die Esquilina untersucht wurde stand Licinus sich mühsam beherrschend daneben und schwieg. Das Verhalten des Soldaten war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Oder doch nicht? Wer nämlich in Anbetracht der Szene darauf kam, auf den alten Soldaten zu achten bemerkte, dass sein Stillstehen so stille nicht war. Seine zehen wippten und seine Händer verkampften sich immer wieder in seine tunica. Er sah aus als würde er jeden Moment aus dem Stand losspringen.


    "Esquilina", antwortete er knapp auf die Frage und weiter "wenig. Sie hütet seit zwei oder drei nächten das Bett. Ich war nicht hier als es los ging." Man konnte die Selbstvorwürfe ob dieser Tatsache deutlich in seiner Stimme hören. "Die medici der legio haben sie zur Ader gelassen und ihr heißen Wein mit Kräutern und Honig gegeben." Zumindest hatte er das am Vorabend an ihrem nachttisch gesehen.

  • Man konnte sehen, dass dem Sodaten, dessen nach außen hin spröde Art sie so sehr an Corvinus erinnerte, die schwere Erkrankung des kleinen Mädchens nahe ging. Selbstvorwürfe schwangen in der Feststellung mit, dass er nicht da gewesen war, als sie erkrankte. Unruhig verfolgte er ihre Untersuchung. Die Male durch die Aderlässe an Armen und Beinen waren zu sehen. Alpina versuchte sich nicht anmerken zu lassen wie sehr sie mit den Methoden der Legionsmedici haderte. Ja, Fieber war eine Indikation für einen Aderlass, wenn es nach den Lehrbüchern ging, aber nur wenn die Konstitution des Patienten dies zuließ. Spätestens nach dem zweiten Versuch hätte man sehen müssen, dass diese Maßnahmen das Kind noch mehr schwächten. Dazu heißen Wein! Kein Wunder dass die Kleine so apathisch und somnolent war.


    Alpina beobachtete das blasse Gesicht der Kleinen genau. Die Nasenflügel weiteten sich bei jedem Atemzug. Sanft legte die Hebamme ihr Ohr auf die Brust des Mädchens. Die Atemgeräusche ließen ihre Vermutung Gewissheit werden. Eine Lungenentzündung.


    Mit ernster Miene sah Alpina zu dem Praefekten hoch. Sie bemühte sich, die Sorge nicht in der Stimme hören zu lassen.
    "Ich lasse ein Zimmer neben meiner Taberna Medica herrichten. Sie braucht viel Ruhe und zugleich rund um die Uhr Betreuung. Ich werde versuchen mit Wickeln, Waschungen und Tränken das Fieber zu senken. Dazu müssen wir hoffen, dass sich die Lungenentzündung, die sich noch in einem frühen Stadium befindet nicht weiter verschlimmert. Ich werde Auflagen und Kräuterpackungen machen müssen. Kannst du sie hinübertragen? Ich zeige dir den Weg."


    Mit sanfter Stimme wande sich Alpina an das kleine Mädchen auch wenn sie sich nicht sicher war, dass das Kind sie verstand. "Esquilina? Wir müssen dich in ein anderes Zimmer bringen. Dort hast du ein warmes und weiches Bett und wir können dich besser versorgen. Einer von uns wird immer bei dir sein, keine Angst."


    Ihr Blick ging wieder zu dem Soldaten. Er hatte Dienstpläne, würde kaum in der Lage sein, seine Zeit am Krankenbett zu verbringen. Doch Alpina wusste, dass Esquilinas Genesung auch davon abhing, dass gerade dieser Mann an ihrer Seite war.

  • Mit ernstem Gesicht nickte Licinus abgehackt also die Ausführungen ab. Bei dem Wort Lungenentzündung schlug ihm der Schreck wie ein kleiner Blitz durch alle Glieder. Er wusste (oder meinte zu wissen), dass dies zu jenen Dingen gehörte an denen gerade hier im Norden viele Soldaten auch starben, ohne dass ein Feind daran mitwirken musste. Auflagen und Kräuterpackungen bekam er kaum mit und auch die Frage ob er sie hinübertragen könne beantwortete erst nach einer Pause. "Ja, Ja natürlich!" murmelte er zerstreut und trat an die Kline heran. Wie von fremder Hand gelenkt ging er in die und strich mit seinem kräftigen Daumen dem Mädchen, er sprach nichts. Seine Stimme hätte seine Unsicherheit verraten.
    Stattdessen schob er seine Arme behutsam unter das Kind und hob sie mit einer Sanftheit hoch, die in einem völligen Gegensatz zu seinem harten, wettergegerbten und zerfurchten Gesicht stand.

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