"Oooopferkekse! Beste Oooopferkekse! Frischgebacken und köstlich! Für Neptun mit nem Dreizack verziert! Nur das beste für die Götter!" trompete Murena über den Platz. "Wuuunderschöne Narzissen! Krokusse in alle Farben! Nur die schönsten Blumen für die Götter! Oder darfs ein Sträußchen für die Liebste sein? Narzissen und Kroookusse!" Vor den Stufen des Tempels hatte sie sich breit gemacht, und versuchte seit dem Morgen ihre Waren an den Mann zu bringen. Staubtrockene alte Kekse und ein paar Blumen, heute nacht aus den Gärten der Stadt geklaut, hatte sie in ihrem aus Weidenruten geflochtenen Bauchladen. Das Geschäft lief schleppend, die Konkurrenz war zahlreich und das Wetter mies.
Murenas Magen knurrte. Ihre Nase lief. Vernehmlich zog sie den Rotz hoch und spuckte den schleimigen Batzen auf das Pflaster. Da! Ein Tempelbesucher. Den Blick starr nach vorne gerichtet strebte der gutgekleidete Mann dem Tempel zu, zeigte den Händlern auf dem Platz die kalte Schulter.
"Oooopferkekse, beste Opferkekse! Krokusse und Narzissen! Nur das Beste für die Götter!" Murena richtete sich auf, zog den Bauch ein, streckte die Brust raus und trat auf den Opferwilligen zu, bleckte ihre schiefen Zähne, ein Gebiss dass einem Raubfisch gut zu Gesicht gestanden hätte, zu einem charmanten Verkaufslächeln.
"Werter Herr, wirf doch einen Blick auf meine Ware! Ich habe..."
Mit einer abwehrenden Geste, wie man ein lästiges Geschmeiß wegwedelt, schritt der Bürger vorüber, war schon im Tempel verschwunden.
"Soll dich doch der Schlag treffen, Lackaffe..." schimpfte Murena leise. Dann fing es an zu nieseln. Ein Nieseln das zum ausgewachsenen Regen wurde. Sie zog ihr graues, schon oft geflicktes Tuch aus gut fettiger Schafwolle um die Schultern, trat unter das Vordach des Tempels, und griff sich einen der harten Kekse, begann selbst daran zu knabbern.
Mit einem Mal prickelte ihr Nacken, die feinen Härchen stellten sich auf. Das Gefühl beobachtet zu werden, intensiv beobachtet... Murena wurde wachsam, schluckte den sperrigen Bissen, spähte um sich. Sah: zwei verfrorene Marktweiber, das Wasser das vom Tempeldach pladderte, über das Pflaster rann und vor dem von Müll verstopften Abfluss eine große Pfütze bildete, eine Kanalratte, die da im Dreck herumwuselte, besser situierte Händler die unter den Dächern ihrer Buden den Regen abwarteten, einen Urbaner, der unter seinem Helm stoisch die Straße lang marschierte, drei dick aufgeplusterte Ringeltauben in einer Fensternische, und eine Gestalt, groß, die sich eben abwandte und in der Gasse verschwand. Es blieb nur der flüchtige Eindruck von Gelb, dem schmutzigen Gelb eines ausgefransten, oder mit Fransen verzierten, Mantel.
Doch Murena dachte nicht länger drüber nach, denn es nahte schon der alte Tempeldiener, ein verwachsener Nörgler, um wie immer die fliegenden Händler vom überdachten Vorplatz zu verscheuchen: "Heda, fort mit euch Hökerweibern, belästigt nicht die Besucher! Huschhusch!"
"Verreck doch du Krüppel!" keifte sie zurück. Verzog sich aber trotzdem, genauso wie die anderen beiden Frauen, hatte ja keinen Sinn. Sie beschloß Pause zu machen, verstaute ihre dürftigen Waren, hängte den Korb zusammengeklappt über die Schulter, zog das Tuch über den Kopf, und stapfte los, zur nächsten billigen Garküche.