Malleus hatte sich schnell in seiner neuen Wohnstatt eingelebt. Dass der zum Pferdestall umfunktionierte Schweinekoben nicht gerade über repräsentativen Charakter verfügte, kratzte ihn nicht. Anspruchsvoll war er nie gewesen. Zudem fühlte er sich unter Vierbeinern immer noch wohler als unter den meisten Zivilisten. Und bezahlbar war die Bleibe auch noch. Ein Pferdestellplatz ging deutlich weniger in’s Geld als ein üblicher Schlafplatz. Gänzlich umsonst war nicht einmal die Kammer im Haus seines Bruders gewesen, die nämlich hatte er damit abgelten müssen, Sebald’s Anwesenheit zu ertragen. Ein Preis, den Malleus nach dem Besuch seines Heimatdorfes nicht mehr zu zahlen bereit war. Es wurmte ihn zwar ein wenig, dass er Sebald mit dem plötzlichen Auszug im Grunde einen Gefallen getan hatte, andererseits war er noch immer amüsiert über dessen Ahnungslosigkeit. Hätte sein Bruder auch nur die leiseste Ahnung gehabt, wie nahe er einer vernichtenden Abreibung war, wäre er vermutlich trotz Schnee und Eis aus der Stadt geflohen.
Natürlich hatte es Malleus nach seiner Rückkehr fast unwiderstehlich in den Fäusten gejuckt, es juckte noch immer. Aber vorerst hielt er es für ratsamer, keine schlafenden Hunde zu wecken. Schließlich wusste er nicht, ob Sebald noch Kontakt zu seinem Schwager in Nida hatte, und falls dies zutraf, wie eng dieser war. Eldrids’ Schicksal und erst recht das ihrer einstigen Sklavin beließ man besser im Dunkeln. Das hieß aber nicht, dass er Sebald für seine ehrlose Hartherzigkeit nicht würde büßen lassen. Alles zu seiner Zeit. Zunächst galt es, sich weit banaleren Problemen zuzuwenden. Er brauchte eine Einkommensquelle. Seinetwegen auch in Naturalien. Hauptsache, sie würde ihm erlauben, sich ohne fremde Hilfe über Wasser zu halten. Wenn er also nicht als berittener Strauchdieb enden wollte, was seinen Anlagen durchaus entgegengekommen wäre, musste er sich um eine Anstellung bemühen. Jetzt im tiefsten Winter wohl kein leichtes Unterfangen. Sicher, er konnte Schnee schaufeln, für jeden, der Schnee geschaufelt haben wollte. Nur würde das erstens kaum etwas einbringen und ihn zweitens im Frühling erneut vor das alte Problem stellen. Mit Schaufeln, beschloss er, konnte er es immer noch versuchen, wenn sich keine längerfristige Tätigkeit fand. Möglicherweise benötigte ja jemand einem Stipator, hatte irgendein Objekt zu beschützen oder brauchte einen Ausbilder für seinen verwöhnten Sprössling. Vielleicht bestand auch Bedarf an einem reitenden Privatboten. Oder an einem erfahrenen Pferdeknecht, Schuldeneintreiber, Angsteinjager, Saufkumpan, was auch immer. Malleus war da offen. Persönliche Präferenzen mussten zurückstehen, die konnte er sich momentan nicht leisten.
Bevor er jedoch seine Dienste feilbot musste er erst einmal den geeigneten Ort dafür finden. Thermen eigneten sich für sowas ganz gut, bloß hatte er wenig Lust, täglich eine Sesterze zu opfern, noch dazu, wo der Monat noch nicht einmal vorbei war, und er noch gar kein Bad nötig hatte. Dann gab es noch die öffentlichen Latrinen. Auch kein übler Ort, um Kontakte zu knüpfen. Im Sommer zumindest. Bei dieser Arschkälte allerdings verrichtete jeder sein Geschäft so schnell es ging. Für entspannte Plaudereien fehlte den meisten wahrscheinlich der Nerv und das Sitzfleisch. Blieben die Märkte und Tabernae. Mit den Tabernae war das so eine Sache, sich dort von seiner besten Seite zu zeigen, erforderte eine Menge an Selbstbeherrschung und Verzicht. Und die Märkte? Da stieß man in erster Linie auf Weiber. Sich denen anzubieten, wofür auch immer, kam überhaupt nicht in Frage. Knifflig, das Ganze. Aber irgendwo musste er nunmal anfangen. Nachdenklich vor sich hin brummend griff Malleus nach seinem fellbesetzten Mantel, gab Funkan und Procella jeweils einen sanften Klaps auf die Kruppe und verließ den düsteren Stall mit zunächst noch unklarem Ziel.