[Cubiculum] Mein eigenes Reich

  • Erstaunt betrachtete ich die Feige, welche in meinem Cubiculum lag und las die Botschaft. Wieder und wieder betrachtete die Feige von allen Seiten, nicht dass sie bei uns zu Hause in Rom auf dem täglichen Speiseplan gestanden hätte, dennoch hatte ich sie schon gekostet.
    An ihr Aussehen erinnerte ich mich genau, dunkel schwante mir, sie würde mich an etwas erinnern.
    Ich grübelte und grübelte, kam aber zu keinem Ergebnis. Inzwischen war schon die Nacht eingebrochen. Selbst wenn mir des Rätselslösung eingefallen wäre, hätte ich jetzt meinen Besuch nicht mehr antreten können.
    Völlig verzweifelt überlegte ich wie ich das Rätsel lösen könne. Da fiel mir Alpina ein. Sie war doch die Pflanzen Kennerin, sie würde mir bestimmt helfen können.
    Mit dem hoffnungsvollen Gedanken schlief ich ein.

  • Liebestrunken war ich von meinem letzten Besuch in der Casa Acilia in die Casa Helvetia zurückgekehrt. Jede Begegnung mit Alpina und Runa, machten mich aus schlechtem Gewissen ihnen gegenüber, ein wenig verlegen und ich senkte schnell meinen Blick.
    Zugleich überlegte ich immer öfter auf welche Weise ich mich ihnen nähern konnte. Dabei schob ich den Respekt, die Dankbarkeit und Zuneigung ihnen gegenüber beiseite. In den Augenblicken zählte nur das eine, ich wollte und musste sie besitzen. Wenigstens einmal sollten sie die meinen sein.
    Dann hatte ich plötzlich eine Idee. Inspiriert wurde ich durch eine Tabula. So schnell wie möglich wollte ich die in die Stadt und einen alten bekannten aufsuchen.

  • Heute war ein guter Tag um meinen Plan in die Tat um zu setzen. Alpina war unterwegs zu einer Schwangeren und Runa war so mit ihrem Ehemann beschäftigt, dass sie gar nichts mehr wahr nahm.
    Jetzt da ich wieder zu Hause war, dachte ich über das nach was ich erlebt hatte.


    Mit den Paar Sesterzen und As ausgerüstet, welche ich hoffentlich nicht ausgeben musste, machte ich mich auf zu dem Händler, welcher mich in der Anfangszeit bei sich aufgenommen hatte.
    Er war einer jener Händler bei denen man alles was man so brauchte und auch nicht, käuflich erwerben konnte. Dem entsprechend sah es auch in seinem Vorratsraum aus.
    Auf meine Bitte, mich eben in diesem umsehen zu können, um etwas passendes für kleine Geschenke zu finden, natürlich gegen Bezahlung, lachte er nur. Wenn ich es gefunden hätte solle ich zu ihm kommen und er würde sehen.
    Was für ein seltsamer Raum. Zum Teil eine Art Rumpelkammer und zum anderen gab es den Teil in dem alles wohlgeordnet war. Da gab es Regale, Kisten und Schubfächer.
    Ich wollte mein Glück zuerst in der Rumpelkammer versuchen. Es war nicht leicht nach etwas zu suchen, von dem man nicht wusste was es war und dennoch eine Ahnung hatte wie es aussehen musste. Außerdem war Schmutz, Staub, Spinnen und sonstiges für Germanien übliches Ungeziefer zu Hause war, ansonsten aber eine Fundgrube für kleine Besonderheiten oder in Vergessenheit geratene Kleinode.


    Wie lange ich dort war , herum suchte, Teile anfasste, betrachtete, zurück legte und neue auswählte wusste ich nicht. Hoffnungslos stand ich da und schaute mich um. Noch einmal ergriff ich einen kleinen Korb mit Kleinkram und kramte ohne wirklich hin zu schauen darin herum. Etwas leichtes, sprang durch eine unachtsame Bewegung von mir, heraus. Ich bückte mich um es auf zu heben. „Das ist es“ entfuhr es mir. Es war eine kleine Kupferscheibe mit einen Loch versehen, als ob sie für einen Anhänger vorgesehen wäre. Schnell nahm ich den Korb und suchte fieberhaft darin herum. Ich hatte Glück ich fand eine handvoll solcher Scheiben. Noch ein paar Lederschnüre und ein Teil was bestimmt in im Laden zu bekommen war und ich hätte alles was ich brauchte.
    Eilig ging ich zu dem Händler und zeigte ihm was ich kaufen wollte, fragte aber noch nach ob er eine Nadel habe, keine zum nähen, nein eine wie ein Chirogius sie benutze. Ich hatte Glück auch damit konnte er mir dienen. Schnell wurden wir uns handelseinig, er schenkte mir die Sachen fast, was ich natürlich gerne annahm.


    Nun saß ich da und versuchte eine Rune in eine dieser Kupferplättchen zu ritzen. Die Tabula auf der Runa diese Runen gemalt hatte, besaß ich noch, weil ich sie sorgfältig aufgehoben hatte. Immer wieder hatte ich sie nachgemalt bis ich sie im Schlaf hätte malen können.

  • "Kaeso? Kaeso, bist du hier?"
    Erst sachte, dann kräftiger klopfte Alpina an die Tür von Kaesos eigenem Reich. Diesen Morgen war Kaeso nicht in der Taberna Medica erschienen. Alpina machte sich Sorgen und Vorwürfe.
    Erst wenige Tage zuvor hatte Kaeso versucht, mit ihr intim zu werden. Alpina hatte ihn vor den Kopf gestoßen, seinen Forderungen nicht nachgegeben. In den kommenden Tagen hatten sie sich nicht viel gesehen. Alpina hatte einige Entbindungen und Wochenbetttermine gehabt und war wenig in der Taberna Medica gewesen. Kaeso war zumeist sich selbst überlassen gewesen. Nun stellte sie fest, dass er ganz offensichtlich weder in der Taberna Medica noch in seinem Zimmer war.


    Unruhig suchte Alpina das gesamte Haus nach ihm ab, fragte Gwyn und Liam, sowie die Leibwächter Curios. Niemand hatte Kaeso in den vergangenen zwei Tagen gesehen. Ein unglaublich schlechtes Gewissen flutete in der Raeterin hoch. Was wenn er die Zurückweisung nicht ertragen konnte, wenn er sich etwas antat? Nach all den Erfahrungen seiner Kindheit. Wie gedankenlos von ihr! Womöglich hatte ihn die Zurückweisung so hart getroffen, dass er wieder auf Wanderschaft gegangen war, geflüchtet war. Und sie trug die Schuld daran! Alpina ließ sich an der Wand zu Kaesos Kammer auf den Boden sinken. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
    Ausgerechnet jetzt, wo Curio und Runa auf ihrem Landgut waren, musste das passieren. Alpina hatte Kaeso vergrault und niemand war da, dem sie ihr Herz ausschütten und den sie um Hilfe bei der Suche bitten konnte.


    Nach einer Weile rappelte sie sich auf. Sie holte ihre Palla, bat Neman Ursi mit in die Taberna Medica zu nehmen und dort die Stellung zu halten und machte sich auf den Weg in die Stadt. Sie wollte überall fragen, ob jemand Kaeso gesehen hatte.

  • Gerne wäre ich draußen geblieben, doch dort war Curio, so ging ich in mein Cubiculum. Kaum war ich dort angekommen sackte ich in mich zusammen. Meine Haltung war dahin. Ich tat das, was ich schon als kleiner Junge bei erlebten Situationen gemacht hatte, die ich mangels Gesprächspartner alleine verarbeiten musste, ich hockte mich in eine Ecke, winkelte die Beine an und umschloss sie mit meinen Armen.
    Natürlich gab es in diesem Hause gute Menschen mit denen ich sprechen konnte, neben Alpina waren Runa und Curio die diejenigen die, die ersten Ansprechpartner gewesen wären. Es hatte manche Situationen gegeben wo sie dies bewiesen hatten. Sie hatten mir Halt und Geborgenheit gegeben. Eben hatte ich es noch erlebt. Wie gut hatte es getan als Curio zum Beispiel sagte, Ich habe in Bezug auf Gurox nicht vor, dich... zu verurteilen. Auch wenn du wahrscheinlich der Grund bist, warum er... hergekommen ist, ist es nicht deine Schuld WAS er getan hat. Es ist dir vielleicht selbst noch nicht in den Sinn gekommen, aber ich glaube... nach dem, was du mir erzählt hast, dass du sogar Schlimmeres verhindern... konntest. Wärest du nicht dazwischengegangen, hätte dieses Schwein Alpina sicherlich... noch schlimmer gedemütigt. Wenn ich daran denke, was er dir schon vorher angetan hat, war es sogar noch mutiger von dir, dass du dich schützend vor Alpina... zu stellen versuchtest.
    Doch das hier war etwas anderes. Am deutlichsten hatte ich es gespürt, wenn die Sprache auf Phryne kam. Deutlich hatte ich den Unmut wenn nicht sogar eine Spur Hass bei Curio gespürt. Nie würde er verstehen was ich für sie empfand, es respektieren vielleicht, aber billigen auf keinen Fall. Bestimmt muss er sich Zwang antun, mir den Umgang mit ihr nicht zu verbieten, dachte ich. Alpina schien mir da ein wenig toleranter, allerdings war ich mir nicht sicher, dass dies jetzt auch noch so war. Meine Befürchtungen gingen dahin, das man Phryne sogar die Schuld an allem geben würde.
    Bestimmt wollte man mich jetzt auch beschützen, nachdem bekannt war, was Gurox mit mir gemacht hatte. Wobei niemand wusste wie ich mich wirklich fühlte, nachdem er mich auf die ihm eigene brutale Art und das auch noch vor einigen Zuschauern nahm. Diese Erniedrigung konnte ich nur aushalten, weil mir durch meine Göttin klar geworden war, ich war ein Mann und kein Jüngling mehr. Ich hatte mehrmals versucht zu beschützen, ich hatte sie begleitet und mit ihr um Hilfe für sie gebeten. Geahnt hatte wo ich mir jetzt sicher war, Hilfe für sie zu finden, wäre nicht so leicht gewesen.
    Ein ganz anderes Problem sah ich jetzt auf mich zukommen, mein zukünftiger Umgang mit Alpina. Sie hatte so ein großes Herz und soviel wärme und liebe zu vergeben, dennoch musste mein Anblick ein Gräuel für sie sein. Auch wenn ich ihr geholfen hatte ehe es zu noch mehr kommen konnte, so hatte er ihr vorher, wegen mir, weil sie mich schützen wollt Gewalt angetan.


    Lange saß ich noch dort in meiner Ecke und stierte grübelnd vor mich hin. Irgendwann ging ich in die Taberna, schloss beim ersten auftauchen von Alpinas Anblick die Augen, machte mich verbissen an die Arbeit und richtete die gewohnte Ordnung wieder her.
    Zurück in die Enge eines Raumes wollte ich nicht mehr und ging deshalb in den Garten. Es beruhigte mich, als ich feststellte, ich war alleine. Jetzt wollte ich mir darüber klar werden, wie es in meinem Leben weiter gehen sollte.

  • Nachdem Kaeso Alpina angekündigt hatte, die Casa Helvetia verlassen zu wollen, sei es um vorübergehend in einem Tempel in Kontemplation in sich zu gehen oder anschließend eine Ausbildung bei dem Chirurgicus anzutreten, hatte sich die Raeterin Gedanken gemacht, wie sie dem Jungen noch eine Freude machen konnte. Sie erinnerte sich an ihren Entschluss, Mogontiacum zu verlassen, nach der verhängnisvollen Nacht mit Corvinus.


    Die Hebamme kramte die alte Rückentrage hervor, die sie auf ihrem Weg ins freie Germanien begleitet hatte. Erinnerungen kamen hoch: an den weiten Weg, an Osrun, an Othmar und die anderen großartigen Menschen, die Alpina auf ihrer gefahrvollen Reise zu sich selbst getroffen hatte. Sie sah wieder die germanischen Wälder und Flusslandschaften vor sich und roch den Qualm des Lagerfeuers. Vor ihren Augen erschienen die Esel, die den Wagen des Pelzhändlers gezogen hatten und Hrothgar, der schweigsame Gehilfe des Othmar. Alpina vermisste die Weggefährten. Sie nahm sich vor, Othmar bald wieder zu besuchen und auch nach Hrothgar zu fragen.


    Mit einem Seufzen packte sie einen kleinen Beutel mit den wichtigsten Heilpflanzen in die Rückentrage. Dann holte sie ihren wollenen Reisemantel aus der Truhe. Beides zusammen trug sie in Kaesos Kammer und legte es, für ihn gut sichtbar, auf das Bett des jungen Mannes. Dazu legte sie einen kleinen Brief.


    Mein lieber Kaeso,


    der Pfad des Lebens windet sich in verschlungenen Bahnen. Mal scheint er uns von einander wegzuführen, dann wieder nähern wir uns an. Mal sehen wir kein Ziel, dann wieder scheint es greifbar nahe. Wo auch immer dich dein weiterer Weg führt, ich möchte, dass du weißt, dass du jederzeit deine Schritte wieder zu mir in die Taberna Medica lenken darfst. Sei es um Rat zu sichen, um Heilung zu erbitten oder einfach um mir von dir zu erzählen. Ich hoffe sehr, dass sich unsere Wege noch oft kreuzen werden.
    Für deinen weiteren Weg, soll dir diese Rückentrage gute Dienste leisten. Sie begleitete bereits mich auf einer gefahrvollen Reise durch Germania Libra zu mir selbst. Möge sie auch dich auf dem Weg zu dir selbst begleiten. Und möge der Umhang dir Wärme und Schutz gewähren. Ich bete zu Fortuna Redux dich wieder zu mir führen.


    Vale bene, Amicus, vale bene,
    Alpina

  • Sofort nach dem Eintreten sah ich die Sachen auf dem Bett liegen. "Alpina" flüsterte ich, schon war meine Fassung dahin und die Tränen schossen mir in die Augen. Selbst in ihrer persönlichen Not dachte sie noch an mich und was konnte ich für sie tun? Eine Faust presste mein Herz zusammen, nichts wie Unheil hatte ich ihr gebracht.


    Fast schon zärtlich strich ich über die Rückentrage und den Reisemantel ehe ich den kleinen Brief las. Unaufhaltsam rannen mir die Tränen über die Wangen, auch als ich meine Habseligkeiten zusammenpackten. Einen besonderen Stich gab es mir, als ich das kleine Büchleine einpackte, welches Alpina mir geschenkt hatte.
    Ich erinnerte mich an Gespräche die ich hier mit ihr und auch mit Curio geführt hatte. An die ganzen Alpträume aber auch an meine Wunschträume.
    "Es ist vorbei, sei ein Mann und kümmer dich um dich selber." Wehmut und Spott lagen in den Worten. Eilig raffte ich alles zusammen um so schnell wie möglich die Casa Helvetia zu verlassen.

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