• Die Casa Sergia liegt an der Straße, die zum Vicus Salutaris hinausführt, vielleicht 200 passus vor dem Stadttor.


    Der Vorbesitzer hatte nur wenig Mobiliar dagelassen, ein paar Tische, Hocker und Truhen. Bei näherem Hinsehen war auch in einem der cubicula doch noch ein Bett zu finden, was Plautus dazu bewog, dieses cubiculum als das Seine zu reklamieren. Er hatte ja auf seiner Reise von Roma hierher nicht auch noch Mobiliar mitschleifen können, weshalb man sich mit dem zufrieden geben musste, was hier eben vorzufinden war. Nur ein paar Decken, Kleidung und wichtigen Krimskrams hatte man mitgebracht.


    Sein germanischer Sklave Rutilo, der ihn aus Roma begleitet hatte, unternahm derweil einen Rundgang durchs Haus und kam grinsend zurück: "In den Schuppen hinter dem Garten hab einen Haufen Kisten gefunden, die der alte Vargula wohl gesammelt hat, weil er meinte, dass man sie noch gebrauchen könnte. Es ist ein gewaltiger Vorrat".


    Plautus meinte: "Die verheizen wir dann mal".


    In einer Kammer bei der culina fand sich dann auch noch eine enorme Menge an Pfannen, Töpfen und Amphoren, die ebenso der Sammelwut dieses Vargula zu verdanken waren. Plautus wies seinen Sklven an, alles was noch zu gebrauchen war, zu reinigen und den Rest wegzuschmeißen und dann einige Lebensmittel zu besorgen.


    Nachdem man so das Haus in Besitz genommen hatte, ging Plautus noch einmal in den Garten und machte eine Entdeckung. Vom Rondell in der Mitte des Hortus konnte er sehen, dass sich verdeckt durch das Hinterhaus tatsächlich ein kleines Peristylchen befand. Nicht mehr als eine Art Veranda mit vier Säulchen.


    Zufrieden kehrte er in die inzwischen angewärmte culina zurück. Beim Essen sagte er zu Rutilo: "Die Sammelwut eines alten Mannes kann man auch in Wärme verwandeln".


    Rutilo konzentrierte sich auf's Kauen und guckte verständnislos.

  • Bei der Cena in der provisorisch hergerichteten Culina überlegte sich Plautus die nächsten notwendigen Schritte, mit denen das Haus auf Vordermann gebracht werden könnte. Klar, er musste weitere Sklaven aus Roma herholen. Rutilo hatte zwar den ganzen Tag herumhantiert, hier etwas aufgräumt, dort sauber gemacht und die eine oder andere Reparatur durchgezogen, sodass das Haus schon etwas manierlicher aussah. Aber summa summarum und auf Dauer war das einfach zuviel für einen Mann.


    "Rutilo, schreib nach Roma, dass Segimundus, Himilco, Boiorix und Lala herkommen sollen. Sie sollen die Einrichtung der Laniena Plauti zusammenpacken und hier her transportieren lassen, dann können wir den Laden hier wieder aufmachen. Ich denke doch, dass es Dir gut tun wird, wenn Du dann als Metzger arbeiten kannst".


    Ach ja, was hatte der Duumvir neulich noch gesagt? Einen Job sollte sich Plautus suchen, weil sie hier in Mogontiacum keine Tagediebe haben wollten. Honi soit qui mal y pense. Jobs müsste es hier schon geben, allein das Verdienst würde wohl unter aller Sau sein, weil Plautus hier natürlich nicht als Aquarius arbeiten könnte.


    "Sag mal, Rutilo, wen hat uns der Schreiner, bei dem wir wegen der Möbel waren, empfohlen. Ich hab den Namen vergessen".


    "Duggtzius", murmelte Rutilo mampfend. Wenn man das aus den Kau- und Mahlgeräuschen, sowie aus dem germanischen Sprachhintergrund von Rutilo herausfilterte, ergab das 'Duccius'. Nur welcher? Vermutlich nicht grade der Legatus Augusti, der ja auch so hieß, sondern einer von alteingesessen Ducciern, der sich hier bestens auskennen müsste. Plautus musste nur noch herausfinden, wo dieser Kerl wohnte.

  • Das Muli war trotz seiner eigenwilligen Performance doch ein deutlicher Fortschritt, weshalb Plautus seinen Aktionsradius beträchtlich ausdehnen konnte. Er kam gerade von einem Erkundungsritt zum Vicus Salutaris zurück, wo es ihm gelungen war, ein größeres Gelände beim Rhenus zu pachten, das für seinen Betrieb Porcelli Plauti gut geeignet war.


    Als er das Haus betrat, rief er gleich nach seinem Sklaven Rutilo.


    "Bevor Du den Brief nach Roma abschickst, schreib bitte noch hinein, dass Echembrotus, Monobazus und Thoas auch herkommen sollen. Die Kleintierzucht Porcelli Plauti können sie in Roma zumachen. Sie brauchen nur Werkzeug mitzubringen. Wir machen den Betrieb hier wieder auf, Material für die Pferche und die Viecher für die Zucht können wir leicht auch hier auf dem Markt besorgen".

  • Einer der Läden, die auf die Straßenseite der Casa Sergia gingen, war an einen Barbier verpachtet, der zweite beherbergte einen Gemüsehändler aus der Gallia Narbonensis. Mit dem Kauf des Hauses hatte Plautus eben diese Pachtverhältnisse übernommen. Sozusagen all inclusive.


    Die lange Reise von Roma in den hohen Norden hatte nicht zuletzt dazu geführt, dass sein Äußeres etwas heruntergekommen war. Warum also, wenn man schon an der Casa Sergia herumrenovierte, auch den Plautus gleich mit aufzupolieren?


    Darum war es sicher richtig, dem Barbier vorne links einen Besuch abzustatten. Er hörte auf den Namen Tiribazus Ornodopantes und kam von den Ufern des Pontus Euxinus. Plautus versuchte sich vorzustellen, was den Typ wohl an die Ufer des Rhenus verjagt hatte, aber er vergaß es gleich wieder, eingedenk seiner eigenen Entschlüsse.


    Tiribazus wedelte gleich heran, als er seines Pachtherrn ansichtig wurde und komplimentierte ihn auf einen der Sessel, die für wichtige Kunden bereitstanden.


    "Haarschnitt und Rasur, bitte, Tiribazus".


    Tiribazus meinte nach einer längeren Inspektion des Haupthaares: "Du hast einen dichten Haarwuchs, Sergius, da könnte man was draus machen. Wie wäre es, wenn ich Dir die Haare in Locken lege, so wie es der Kaiser trägt. Und dann wäre es viellicht auch ganz gut, wenn wir auf die Rasur verzichten, denn der Kaiser trägt ja einen Bart".


    Plautus war geschockt.

  • Er runzelte die Stirn: "Mein lieber Tiribazus, halb Mogontiacum läuft zum Ärger der richtigen Römer mit einem Bart herum. Blödsinnigerweise würde der Kaiser hier mit seinem Bart gar nicht weiter auffallen. Warum, beim Arsch des Pluto sollte ich mir also einen Bart wachsen lassen? Bin ich vielleicht Germane oder Gallier?"


    "Aber Sergius, das ist doch jetzt voll im Trend!" kartete Tiribazus nach.


    Jetzt schoss Plautus das Blut in den Kopf: "Wer, beim Hades bestimmt eigentlich, was grade trendy ist? Der Kaiser oder die Pythia vom delphischen Orakel? Mir jedenfalls ist das Alles schnurzpiepegal, also bleiben wir bei der Rasur, basta und Amen".


    Nach einer Pause, in der der Barbier das Rasiermesser wetzte, ergänzte Plautus: "Und das mit den Kaiserlocken, das lassen wir auch lieber sein, Tiribazus. Oder willst Du, dass mich hier in Mogontiacum irgendwer mit dem Kaiser verwechselt? Trend hin, Trend her, das Ding wäre doch einfach oberpeinlich, meinst Du nicht auch?"


    Plautus lehnte sich zurück, während der Barbier schweigend mit der Rasur begann. Dann aber brach der sein Schweigen mit einem einleitenden 'Ahem':


    "Ich weiß nicht, ob es Dir schon zu Ohren gekommen ist. Aber wir in Mogontiacum haben auch richtige Orgien. Glaub bloß nicht, dass das nur in Roma passiert".


    Plautus spitzte die Ohren.

  • Ach dieses unschuldige Mogontiacum! Verbarg es doch in irgendeiner Falte seines Stadtlebens auch einige ganz unspießige Allüren. Während also der pontische Barbier an Plautus' Haaren herumschnippelte, bekam Plautus fabelhafte Einzelheiten ins Ohr geträufelt, von denen er noch nicht mal zu träumen gewagt hätte. Plautus genoss das, denn er hasste Wartezeiten und hier war er ja sozusagen für die Dauer der barbierischen Behandlung an den Sessel angekettet.


    So hörte er von einem versteckten Kellertheater, dessen Intendant ein geheimnisvoller Nebelfürst zu sein schien und zu dem nur extrem auserlesene Besucher Zutritt hätten. Von realem Sex und nicht bloß von Andeutungen desselben. Von tatsächlich exekutierten und nicht etwa gespielten Vergewaltigungen vor den Augen der Zuschauer.


    Selten wird man bei einem Barbierbesuch einen Porno zu hören bekommen, der einem einen gewaltigen Schauer nach dem anderen durch Körper jagt.


    Als der Barbier mit dem Schnippeln fertig war, sagte Plautus: "Ganz hervorragend, Tiribazus". Er meinte damit nicht nur den Haarschnitt, sondern auch die Fama, die er während des Haareschneidens serviert bekommen hatte.


    Beim Bezahlen fragte Plautus: "Jetzt sag mal, Tiribazus, wo hast Du denn die Story her?" Tiribazus strich die Münzen mit seiner Pratze zusammen und ließ sie in einer Schublade verschwinden. "Das hat mir der Besitzer des Lupanars im Vicus Navaliorum hinter vorgehaltener Hand erzählt. Und die Frau des Bäckers an der Ecke sagt das auch".


    Plautus verabschiedete sich und kam zu dem Schluss, dass trotz oder gerade wegen der Bestätigung durch die Bäckersfrau die ganze Geschichte ziemlich postfaktisch war.

  • Nach der Cena rief Plautus den Segimundus zu sich. Irgendwer musste den Ianitor machen, warum denn nicht der dicke Segimundus?


    "Hör mal, Segimundus, Du bist groß und breit. Zur Not kannst Du sogar fast die ganze Porta ausfüllen. Und Du bist noch nicht zu alt, um so manchem Gesocks nicht eins in die Fresse hauen zu können. Aber trotzdem weiß ich, dass Du erstaunlich höflich sein kannst und zwar sowohl auf lateinisch als auch auf germanisch. Ich brauch einen Ianitor und ich denke, dass Deine Statur wie auch Deine Befähigungen Dich für das rühmliche Amt des Ianitors geeignet erscheinen lassen".


    "Ja, dann machen wir das doch, Domine", brummte Segimundus.

  • Es war zum Auswachsen. Plautus kam zurück von einem Gespräch bei Sextus Apustius Paterculus, bei welchem er fünf Heredia Land nahe beim Vicus Salutaris für seine Kleintierzucht pachten wollte. Als Plautus ihm eröffnete, dass er vorhatte, auf dem Gelände eine verschließbare Hütte und einen Stall für die Tierchen zu errichten, wurde der Apustier garstig. Er wollte auf gar keinen Fall ein und schon garnicht zwei Gebäude auf seinem Pachtland haben, mit welchen dann ein neuer Pächter nachher nichts anfangen könnte.


    Plautus hatte lange mit ihm gerungen, erhöhten Pachtzins angeboten und die Übernahme der Kosten für einen Abriss nach Ablauf der Pacht. Es half nichts. Schließlich bot Plautus dem sturen Bock an, einen Actus des Geländes zu kaufen. Es blieb ihm also nichts übrig, als den Kaufpreis für einen Actus sowie die Pacht für vier Heredia und drei Actus auf den Tisch zu legen. Kacke.


    Immerhin, jetzt hatte man freie Hand für die Umsiedlung der Porcelli Plauti aus Ostia. Doch da fing dieser Apustius Paterculus noch eine Diskussion über die Lage des von Plautus erworbenen Actus an. Schließlich konnte dann eine Einigung darüber erzielt werden, dass das Kaufgelände hochwasserfrei und weit genug von der Straße entfernt zu sein hatte. Das aber erst, als Plautus ankündigte, dass er für Land im Überschwemmungsgebiet des Rhenus höchstens ein Zehntel des Kaufpreises zu geben bereit sei.


    Man würde nun also bald mit dem Bau der Hütte und des Stalls beginnen können. Vor allem die Schweinchen sollten wenigstens im Winter ein Dach über dem Kopf haben.

  • Municeps
    G. Sergius Plautus
    Casa Sergia


    Aedilis Q. Propertius Plautus G. Sergio Plauto s. d.


    die Anmeldung deiner Betriebe (Kleinviehzucht und Metzgerei) nehme ich hiermit zur Kenntnis.


    Des Weiteren genehmige ich dir die Anpachtung einer Taberna in der Basilica. Ich weise dir die Taberna XIII zu. Sie ist wegen kurzfristigen Leerstandes sofort bezugsbereit. Der Pachtzins beträgt vierzig Sesterzen jährlich.



    Vale bene


    Q. Propertius Plautus

    ANTE DIEM XIII KAL IUL DCCCLXVII A.U.C. (19.6.2017/114 n.Chr.)

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