Titus Quintilius Canus

  • Die Schildreihe wurde in durchaus annehmbarer Zeit errichtet. Der Optio hatte schon Schlimmeres gesehen. Es waren natürlich wie immer ein paar dabei, die noch etwas der Pflege bedurften.


    "Es ist mir egal, ob du Linkshänder bist. Was glaubst du was passiert, wenn hier einer den Schild auf der falschen Seite führt? Eine Lücke passiert dann. Und Lücken sind tötlich, merkt euch das."


    Schließlich war die Reihe gerichtet und die Tirones hielten die Scuta halbwegs anständig.


    "Na also. Und jetzt: So halten, damit es sich einprägt. Und dass mir keiner abstellt. Ja, und während ihr so haltet, wird uns Canus nochmal die Ehre geben, und uns erläutern, welche Formationen des Exercitus er bereits kennt. Keine Sorge, diejenigen, die er nicht auf die Reihe kriegt, macht jemand anders."

  • Canus musste innerlich lachen, als der Optio vor allem den einzigen Linkshänder unter den Tirones zurechtwies. Jedoch versuchte er sich darin, dies bloß nicht nach außen hin zu zeigen, so wie die anderen Rekruten - immerhin wollten sie mit dem nötigen Ernst an die Sache herangehen und bloß nicht zu viel Spaß aufkommen lassen.


    Dann allerdings wurde wieder der Quintilier dazu aufgerufen, sein theoretisches Wissen preiszugeben... über Formationen. Sicherlich eine seiner Schwächen, denn mit militärischen Taktiken und Strategien hatte er sich in seinem bisherigen Leben nicht allzu sehr beschäftigen müssen.


    "Zum Einen fällt mir spontan die Phalanx ein, in der die Hastae eine große Rolle spielen, den Gegner etwas auf Distanz zu halten, während Kavallerieeinheiten den Gegner flankieren können. Als nächstes fällt mir natürlich die Formation Testudo ein, welche zwar sicherlich viel an Flexibilität nimmt, dafür größtmöglichen Schutz für die Formation bietet."


    Viel mehr wusste er dazu nicht beizutragen, was ihm einigermaßen peinlich war. Jedoch hoffte er, dass der Optio damit einigermaßen zufriedengestellt sein würde - immerhin ließ er recht locker offen, dass die übrigen Tirones diese Frage auch beantworten sollten.

  • Bei der Frage nach den Formationen variierten die Antworten gewöhnlich am meisten. Hier sah man dann immer, wer aus einer Soldatenfamilie kam oder wer in einer kleineren Garnisonstadt aufgewachsen war, wo in Formation marschierende Soldaten ein täglicher Anblick waren. Oder sonst irgendwie Militärfetischisten gewesen waren. Diese gaben dann schon fast liebevoll ausgestaltete Antworten von sich. Diese Sorte stellte dann immer zügig fest, dass über eine Formation quatschen immer leichter war, als eine selbst zu errichten.


    Bei Canus war das anscheinend nicht der Fall, trotzdem war der Optio mit der Antwort durchaus zufrieden. Immerhin hatte er auch schon die essentiellen Funktionen der Taktiken genannt. Der eine oder andere Tiro steuerte noch was bei, aber es gab noch hier und da etwas zu erläutern.


    "Soweit alles wenigstens nicht falsch. Phalanx haben wir von den Makedonen übernommen. Die funktioniert durchaus. Aber eigentlich haben wir nicht die Speere dafür. Die Hasta erfüllt ihren Zweck in der Phalanx, aber um ihr volles Potential zu erreichen, bräuchte es eigentlich Sarissen. Na, diese meterlangen Monster. Unmöglich. Aber gut.Testudo ist natürlich der Klassiker. Langsam und schwerfällig. Aber optimal um irgendwo durchzubrechen. Und wenn ihr ihn irgendeiner engen Gasse oder unten an ner Mauer steht, werdet ihr heilfroh sein, wenn ihr euch ein Schild übern Kopf halten könnt, auch wenn ihr vielleicht nur langsam damit unterwegs seit.Vergessen habt ihr zum Beispiel noch den Cuneus. Das sind verschiedene Dreiecks und Kolonnenformen, die wir nutzen um allzu dünne Linien der Feinde aufzubrechen. Kriegen wir alles."


    Maro trat einen Schritt zurück und schätzte den Haufen ab.


    "Mhm, ich denke wir probieren mal eine testudo aus. Also. Immer vier mal vier auf einen Haufen; die erste Reihe hält die Scuta nach vorn, der Rest bedeckend nach oben.Denkt dran, das muss später in Sekunden passieren. Sonst ist Essig. Und Vorsicht mit den Scuta. So ein Ding im Auge tut weh. Klar?! Also vorwärts."


    Keine besonders präziser Befehl für so eine komplizierte Aktion, aber der Optio wollte sehen, wer von dem Haufen Verantwortung übernehmen konnte, Führungsstärke besaß und energisch genug war, um so ein Ding zuende zu bringen.

  • An sich schien der Optio mit Canus' Antwort für's Erste zufrieden, der ein oder andere Tiro ergänzte noch Kleinigkeiten und der Octavier verlor noch ein paar Worte zu den verschiedenen, grundlegenden Formationen, sodass man sich darunter auch besser etwas vorstellen konnte.


    Schließlich verlangte der Optio eine Testudo auszuprobieren, nachdem er diese nochmal kurz erklärt hatte. Zunächst mussten 16-köpfige Gruppen gebildet werden, was beinahe schon scheiterte. Ohne Führung fiel es den Tirones schwer sich abzusprechen, das war eindeutig zu erkennen - sie waren eben noch nicht aufeinander eingespielt. Als sich dann aber in der ersten Reihe auch gleich fünf Leute nebeneinander stellte, verdrehte der Quintilier kurz die Augen - die paar Jahre mehr Lebenserfahrung unterschieden ihn dann doch ein wenig von den anderen Kerlen.


    "So, du da jetzt weg aus der ersten Reihe... ihr vier, dahinter."


    Er versuchte ein wenig das Kommando in seiner Gruppe zu übernehmen, was ihm aber auch tatsächlich in diesem Moment noch keiner übel nahm - er war gespannt, ob es dabei bleiben würde. Doch vermutlich hatten auch seine Kameraden bemerkt, dass irgendjemand einfach irgendwie das Kommando übernehmen musste. So schaffte es die Gruppe tatsächlich die Formation zu bilden und Canus reihte sich hinten ein, hob langsam das Scutum an, um es wie befohlen nach oben zu halten. Tatsächlich fehlte dem ein oder anderen noch die körperliche Ertüchtigung, allzu lange konnten die meisten solch eine Formation noch nicht aufrecht erhalten. Aber zumindest das Prinzip hatten die allermeisten verstanden.

  • Maro war mit seinem Experiment durchaus zufrieden.
    Die verschiedenen Gruppen hatten durchaus unterschiedliche Techniken entwickelt. Die einen weniger erfolgreich, die anderen mehr.


    So wie Canus' Gruppe, wo derselbe anscheinend das Kommando übernommen hatte.
    Etwas älter, ja. Mehr Autorität. Die Kinder hören da besser. Macht es wahrschenlich deutlich einfacher, ja. Interessant. Der Optio nickte ihm anerkennend zu.


    In Grüppchen von Glechgestellten kam es öfter zu Gezänk wenns um Führungspositionen ging. Da machten Tirones auf dem Exerzierplatz keine Ausnahme. Und wenn dann keiner den Mut oder die nötige natürliche Autorität hatte, wurde es schwierig.


    Endlich hatte jedes Grüppchen es auf die Reihe bekommen und eine Testudo errichtet.


    "Also gut, Tirones. Bevor hier ein paar Leute unter dem Gewicht ihres Scutums zusammenbrechen, lassen wir es mit Formationen gut sein. Zum Ausklingen marschieren wir jetzt noch zwei Runden um den Exerzierplatz. Danach Schluss für heute und weggetreten. Morgen gehen wir dann zum Tiber und schwimmen ein bisschen. Also ihr schwimmt dann in der Brühe. Ich nicht. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Also los."

  • Canus war jetzt schon gespannt, ob er für seine kurze autoritäre Anwandlung, ohne welche das Bilden der Formation sicher viel mehr Zeit in Anspruch genommen hätte, später noch ein paar dumme Sprüche kassieren würde - da war er sich eigentlich sicher. Doch glücklicherweise scherte er sich nicht allzu sehr darum.


    Wenigstens war die Gruppe um den Quintilier nicht die letzte, welche es geschafft hatte eine Testudo zu bilden. Und zum Glück für einige der körperlich nicht derart trainierten Tirones befahl der Optio schließlich, die Formationen wieder aufzulösen und noch zwei Runden um den Exerzierplatz zu marschieren. Der Ausblick auf den morgigen Tag war dabei... eher unschön. Canus hasste das Schwimmen. Zwar beherrschte er es, doch eher schlecht als recht und der Tiber war tatsächlich nicht für seine gute Wasserqualität bekannt. Doch ihnen blieb wohl nichts anderes übrig.


    Schließlich lösten sich die Formationen auf und die Rekruten machten sich daran, wie befohlen, noch die zwei Runden um den Exerzierplatz zu drehen. Zwar war der Tag nicht unbedingt körperlich anstrengend, da würde sicherlich noch viel mehr folgen, doch er war von recht viel theoretischem Inhalt geprägt gewesen - da war selbst für die weniger fitten Tirones die körperliche Ertüchtigung ein angenehmer Ausgleich zum Abschluss dieses Tages.

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