[Via Appia] Von Capua nach Roma

  • Via Appia


    Erbaut auf Geheiß des Appius Claudius Caecus zog sich der älteste Teil der Via Appia über 195km von Roma nach Capua. Bemerkenswert war dabei das Teilstück, dass die Pontinische Ebene durchquerte und dabei über 62km völlig gerade verlief.



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    Die Tage in Capua vergingen mit einer Mischung aus schlichter Erholung im Haus einer alten Freundin der Flavierin und einer milden Portion gesellschaftlichen Lebens. Es waren ein paar Tage, die die Flavierin wirklich genoss und die ihre Stimmung ziemlich positiv beinflussten, so dass auch ihre Begleiter die Tage zur Erholung nutzen konnten.


    Dann kam der Tag der Abreise und schon wenig später fanden sich der Reisewagen und die begleitenden Karren und Reiter auf der Via Appia und zogen Rom entgegen. Da sie sich ihrem Ziel näherten, hatte der Sklave aufgehört seine Herrin ruhig zu stellen, so dass die cubicularia im Inneren des Wagens wenig zu beneiden war. Die alte Dame schien auf dem letzten Stück der Reise alles das an schlechter Laune rauslassen zu wollen, was sie zuvor durch den vielen Schlaf verpasst hatte. Jede Kleinigkeit, die ihr in irgendeiner Form negativ auffiel, führte dazu, dass sie rummeckerte, tobte und einmal sogar der Sklavin gegenüber handgreiflich wurde.


    Als dann endlich am Horizont das Zentrum der Welt in den Blick geriet, atmeten alle in der Reisegruppe auf, Das Ziel und damit das Ende dieser Reise waren fast schon zum Greifen nah und alle waren froh, dass die Reise endlich enden würde. Ein Reiter wurde vorgeschickt um dafür zu sorgen, dass am Tor eine Sänfte bereit stand, da die Wagen am Tag ja bekanntlich nicht in die Stadt hinein durften. Ausserdem war eine Sänfte natürlich standesgemäßer.


    Am Tor angelangt entstieg dann Flavia Polla dem Wagen und bestieg die Sänfte.

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    Die Wiesen und Felder vor Rom waren noch feucht vom Tau des neuen Morgens. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch war es trotzdem schon hell genug, um die römischen Vögel zu wecken, die bereits in den Ästen der Zypressen hockten und einander zuzwitscherten. Die Karren und Lieferanten waren schon längst wieder aus den Straßen verschwunden und so herrschte tiefste Stille, als Carbo mit seinem Reiseproviant und seinem übrigen Gepäck durch das noch schlafende Rom wanderte. Wieder staunte er, denn so hatte er das Haupt der Welt bislang auch noch nicht wahrgenommen. Sein erster Halt würde die Stadt Aricia sein, ganze 18 römische Meilen von hier entfernt. Er würde gut einen halben Tag brauchen, um dahin zu kommen.
    Nach dem Circus Maximus passierte Carbo am südwestlichen Abhang des Caelius die Porta Capena und befand sich somit jetzt schon mal auf dem freien Land vor den Mauern der Ewigen Stadt. Nur ein paar Meter weiter vorne am rechten Straßenrand stand auch schon jene Taverne, bei der er sich einen Wagen samt Pferdegespann gemietet hatte. Im Stall stand schon alles für ihn bereit, sodass Carbo nur noch einzuladen und loszufahren brauchte. Wenige Augenblicke war es dann auch schon soweit, seine Reise nach Cumae konnte beginnen!


    Cumae war zu Lande vier Tagesreisen von Rom entfernt, oder anders gesagt 135 römische Meilen. Mit dem Schiff wären es nur zwei Tage gewesen, was bedeutete, dass er seine ganze Reise hin und zurück samt Orakelbesuch und Stadterkundung theoretisch innerhalb von fünf Tagen vollständig abwickeln könnte. Tat er aber nicht. Der Junge hatte absichtlich den um das doppelte langsameren Landweg über die Via Appia gewählt, denn Carbo fand, wenn er sich schon einmal südlich der Alpen aufhielt, dann wollte er auch so viel wie möglich von Italia sehen! Er wollte unterwegs die mediterrane Flora auf sich wirken lassen, die hier liegenden Städte sehen und die hier lebenden Menschen kennenlernen. Roma hatte ihm schon viel gegeben, jetzt war es endlich an der Zeit, dass er auch den Rest des Landes zu Gesicht bekam und bei einer Reise per Schiff war das leider nun einmal völlig unmöglich.


    Gemächlich trotteten seine Gäuler dahin, Carbo obenauf am Kutschbock des Wagens. Genauso wie im noch schlafenden Rom herrschte auch hier auf den Feldern und in den Hainen tiefste Stille, abgesehen vom Gesang der Vögel natürlich. Jetzt wurde es auch noch heller und heller, bis endlich die ersten Strahlen der Morgensonne links von Carbo am Horizont erglühten. Das Himmelsrund begann nun rasch emporzusteigen, es war einfach magisch. Es gab wohl nicht viel vergleichbares, als wenn man auf weiter Flur Zeuge vom Aufgang der Sonne wurde. Vom zuerst nur erhellten Horizont, bis dann endlich die ersten paar Spitzen von Sols Wagen ersichtlich wurden, gefolgt von seinem völligen Aufgang, wenn die ganze latinische Landschaft in gelboranges Licht eines noch jungen neuen Tages getaucht wurde. Die ersten paar Stunden war Carbo ziehmlich alleine auf der Via Appia. Es war völlig anders, als seine Reise damals von Mogontiacum nach Massilia, wo er immerhin einen Reisegenossen in dem massilischen Händler Lucius Rufus gefunden gehabt hatte. So eine Ablenkung fehlte aber jetzt und der Junge war völlig alleine mit seinen Gedanken. Die Tiefe Stille drückte beinahe schon auf seine Ohren, denn auch kein bisschen Wind regte sich, der vielleicht durch die Blätter von Bäumen und Büschen hätte fahren können. Erst als es immer mehr gegen Mittag zuging traf Carbo auf mehr und mehr Passanten, die seinen Weg kreuzten. Einmal war es nur ein alter Mann (vermutlich ein Schäfer), der mit Hut und Wanderstock bewaffnet am Wegesrand entlangtrottete, ein anderes Mal war es ein Händler auf seinem Wagen voll mit Ware auf dem Weg nach Rom.
    Je näher der Mittag kam, desto mehr Verkehr herrschte auf der Straße, der seinen Höhepunkt kurz vor Aricia fand.
    Nicht viel später und Carbo erreichte das Ziel seiner ersten Reiseetappe. Hier wollte er das prandium* einnehmen und dann so schnell wie möglich weiterfahren, um heute Abend noch möglichst Forum Apii erreichen zu können und dort dann zu übernachten. Schon von weitem bot Aricia einen einzigartigen Anblick. Da die Stadt auf einem steilen Hügel errichtet worden war, bzw. ein kleines Tal rund um den Ort war, führte hier die Via Appia über eine gewaltige Brücke hin zur Stadt, genauso auch wie am anderen Ortsende wieder.
    Neugierig lenkte Carbo seine Rosse in Richtung Stadteingang und betrat das Städtchen Aricia


    * Prandium (lat.) = Mittagessen

  • Nach seinem schmackhaften Mittagsmahl fühlte sich Carbo gleich um einiges besser und motivierter (falls das überhaupt möglich war) und am liebsten hätte er den Pferden die Peitsche gegeben und sie laufen lassen. Aber das wäre ein wenig ungesund für die Achsen des Wagens gewesen, weshalb er es doch lieber sein ließ. Doch etwas schneller ließ er sie trotzdem traben, er wollte ja nicht das Gefühl haben wieder auf seinem elendst langsamen Ochsengespann zu sitzen, mit dem er einst Mogontiacum in Richtung Süden verlassen hatte. Er musste sich sowieso sputen, denn der Löwenanteil der heutigen Tagesreise lag erst noch vor ihm, obwohl es jetzt schon nach Mittag war. Forum Appii, sein Tagesziel wo er nächtigen wollte, lag nämlich noch ganze 28 Meilen vor ihm, während Carbo von Rom aus bislang erst 18 Meilen zurückgelegt und dafür den ganzen Vormittag gebraucht hatte. Also musste er zusehen, dass er schneller wurde. Wie lange die Pferde einen Dauertrab wohl aushielten? Genau konnte er das nicht sagen, dafür hatte er zu wenig Reiseerfahrung. Doch am besten er nutzte diese Gelegenheit gleich, um diese Frage zu beantworten.
    Die Straße führte eine ganze Weile lang stetig bergauf, bis Carbos Wagen den Scheitelpunkt erreichte und links von ihm der Blick auf einen wunderschönen großen See frei wurde. "Ooooh" machte da der Junge voller Erstaunen über so viel Schönheit. Das musste der Nemorensis lacus sein, oder war es doch der Albanus lacus? Carbo hatte keine Ahnung was da jetzt stimmte, er wusste nur, dass er hier den zweiten großen See der Gegend vor sich hatte. Den ersten hatte er schon kurz vor Aricia passiert gehabt, jedoch ohne ihn sehen zu können. Für eine kurze Weile hielt er seine Pferde an, um den Blick auf den See auf sich wirken lassen zu können, erst dann ließ er seine Pferdchen wieder antraben. Da es jetzt die Anhöhe wieder hinab ging konnte er sie sogar etwas schneller laufen lassen. Die weitere Strecke war geprägt von lockerem Buschland und grünen Wiesen. Es fanden sich kaum Bäume hier und wenn, dann nur sehr kleine Exemplare, die mehr an ein Gestrüpp, als einen Baum erinnerten. Kein Vergleich auf jeden Fall zu den mächtigen Tannen und Fichten seiner keltisch-germanischen Heimat nördlich der Alpen. Die ganze Strecke verlief ziehmlich eben, oder teils bergab, weshalb Carbo den raschen Trab seiner Pferde beibehielt. Für seine Begriffe kam er rasch voran, wenn auch die Sonne sich unaufhaltsam immer mehr dem Horizont näherte. Als sie dann schon zur Hälfte versunken war, kam Carbo gerade durch den kleinen Straßenort Tres Tabernae, jedoch hielt er nicht an. Forum Appii lag immer noch gut 10 Meilen vor ihm. So kam es also, dass es Nacht wurde und Carbo gar nicht bemerkte in der Finternis, dass er nach und nach in das Gebiet der Pontinischen Sümpfe gelangte, die das ganze Gebiet von Antium bis Tarracina einnahmen. Gut zwei Stunden nach Sonnenuntergang erreichte Carbo dann endlich sein Ziel. Seine Glieder waren etwas steif geworden vom ewigen Sitzen und die nächtliche Kälte hatte ihr übriges getan. Neugierig sah er sich ein wenig näher um.


    Forum Apii war für gewöhnlich der erste Halt eines Reisenden aus Rom und war eine Poststation an der Via Appia. Es hieß der Ort war voll betrügerischer Wirte und Bootsmänner, denn hier begann auch der Wasserkanal, der parallel zur Via Appia durch die Pontinischen Sümpfe verlief. Müde machte er sich auf zur nächsten Taverne, um sich ein Zimmer zu mieten. Doch der Wirt (ein unfreundlich aussehender Typ mit unreiner Haut) schüttelte nur den Kopf. Alles ausgebucht, wäre er doch nur etwas früher gekommen, etc. etc.
    So also ging Carbo in das Wirtshaus nebenan, was er fast schon bereute. Hier war es noch schmutziger, als im anderen Haus und die Gestalten an den Tischen wollten ihm auch nicht so recht gefallen. Als dann Carbo später das Bett sah in dem er schlafen sollte gab er es ganz auf. Da schlief er lieber im Stall bei seinen Pferden im Heu, als in so einem versifften Loch. Sein Geld bekam er natürlich nicht zurück, im Gegenteil, durch die zusätzliche "Unterbringung" im Stall musste er sogar noch etwas drauflegen. Als Carbo am nächsten Morgen wieder seinen Wagen bestieg war er sich sicher; Forum Appii würde ihn nie wieder sehen. Wieso hatte er nicht vorher schon in Tres Tabernae angehalten gehabt? Doch jetzt war es eindeutig zu spät zum jammen, also ging sie weiter seine wilde Fahrt. Heute konnte er es zum Glück langsamer angehen, da er nur 16 Meilen zurücklegen musste, ehe er sein nächstes Ziel, Tarracina, erreichte also eine gute halbe Tagesreise. Mittlerweile hatte sich die Landschaft merklich verändert. Soweit sein Auge reichte nichts als Sumpfland, nur unterbrochen von der Via Appia, die spießgerade durch den Moorast führte. Das würde wohl eine nicht ganz so abwechslungsreiche Tour werden. Doch dafür herrschte auf der Via Appia reger Verkehr, sodass Carbo trotzdem regelmäßig etwas zum schauen hatte. Viele gewöhnliche Passanten gab es zu bestaunen, doch auch einige ausgefallenere Fälle darunter, wie ein sehr verlumpt aussehender Krämer, oder eine kleine Kompanie Soldaten, die an seinem Wagen vorbeimarschierten.
    Dank seines zeitigen Aufbruchs von Forum Appii (er hätte es dort auch keine Sekunde länger ausgehalten) traf es sich dann, dass Carbo wieder genau zur Mittagszeit sein heutiges Etappenziel Tarracina erreichte. Also fertig für heute, den Rest des Tages würde er hier verbringen und auch gleich im Ort übernachten.


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    Von Tarracina kommend, setzte Carbo seinen Weg nach Cumae fort. Er kam ganz gut voran, bis sich wieder der Abend über die Landschaft darniedersenkte. Er machte Halt in einer netten kleinen Taverne, stellte sein Gefährt in den Stall und mietete sich ein Zimmer für die Nacht. Doch was er noch nicht wusste war, dass es seine letzte sein sollte...


    Denn nachdem es im Schankraum ruhig und dunkel geworden war und sich auch die letzten Gäste der Taverne Schlafen gelegt hatten, knarzte es an Carbos Tür. Jemand stocherte mit einem Dietrich in ihr herum, bis sie mit einem Klick aufsprang. Ein Schatten glitt herein und sah sich um. Carbo lag friedlich schlafend in seinem Bett. Seine Sachen waren auf dem kleinen Tischchen im Raum verstreut, wie auch teils auf der Truhe daneben. Die Gestalt kam darauf zu und begann sie nach Wertsachen zu durchsuchen. Am Gürtel wurde sie fündig. Einer von Carbos Geldbeuteln war daran zu finden, ebenso sein Speisemesser mit dem er bei kleinen Rasten am Straßenrand immer zu essen pflegte. Der Einbecher nahm beides an sich. Auf der Truhe lag eine von Carbos germanischen Hosen. Die Gestalt nahm sie in die Hand, um sie zu untersuchen. Dabei fiel ein zweiter Geldbeutel von ihr laut klirrend und scheppernd zu Boden. Carbo fuhr sofort von diesem heiden Lärm aufgeweckt aus dem Schlaf hoch. "Ja he, was...!" Der Dieb blickte alamiert auf den Jungen und wollte dann die Flucht ergreifen. Doch Carbo war seinerseits aus dem Bett gesprungen, um sein Hab und Gut zurückzuholen. Weit kam der Flüchtende nicht. Schon im Korridor warf sich der Junge von hinten auf den Tunichtgut, um ihn zu Boden zu reißen. Dieser hatte immer noch das Speisemesser in der Hand. Ohne, dass es der Einbrecher selbst ganz mitbekam, rammte er es Norius Carbo bei ihrem Gerangel während des Sturzes nach einer halben Körperdrehung in den Bauch. Der Junge stockte und blieb keuchend am Boden liegen, während sich der Dieb nach einem kurzen Moment wieder aufrappelte und panisch die Flucht ergriff mitsamt Carbos Messer und dem einen Geldbeutel.


    Der Tumult hatte die angrenzenden Gäste entlang des Korridors aufgeweckt, die nun nachsehen kamen was denn passiert war. Mit Schrecken fanden sie den stark blutenden Carbo auf dem Boden vor, sich unablässig den Bauch haltend. Es wurde nach dem Wirt gerufen und mit aller Macht versucht Carbos Wunde zu versorgen, doch leider zu spät. Der Junge, der einst vor so langer Zeit von Noricum kommend über die Torschwellen Mogontiacums gestolpert war, um dort ein neues großes Leben zu beginnen, erlebte nicht einmal den nächsten Sonnenaufgang mehr.


    - ENDE -

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