Der Oecus war für den Empfang des Gastes bereitgemacht worden. Die Türen zum Garten standen weit offen, so dass die frische Frühlingsluft hereinströmen konnte und mit ihr der Duft der langsam aufblühenden Flora der bepflanzten Beete. Zwei schmale Liegen standen ebenso bereit wie ein paar bequeme Korbsessel, und hinter den Säulen standen vereinzelt Sklaven bereit, die Herrschaften mit Getränken und kleinen Häppchen zu versorgen oder Dinge, die benötigt wurden, eben schnell und lautlos herbeizuschaffen. So hatte Sextus seine Sklaven am liebsten: lautlos und unsichtbar.
Er selbst hatte den Morgen und einen guten Teil des Vormittages mit der neuen Sklavin verbracht, die der Maiordomus gekauft hatte. Ein hübsches, junges, schwarzhaariges Ding von sonstwo, das kaum eine zivilisierte Sprache konnte. Aber für die Zwecke, die Sextus für sie im Sinn hatte, musste sie auch nicht reden können. Einen guten Teil dieser Zeit hatte sie dafür noch nicht einmal die Gelegenheit.
Eigentlich war er nicht derart schwer zufriedenzustellen, aber nach dem kleinen Spiel mit seiner Cousine plagte ihn ein Verlangen, das er nur schwer in andere Bahnen gelenkt bekam. Aber solange sein Maiordomus hier regelmäßig für Nachschub sorgte und andere Sklavinnen wieder verschwinden ließ, ehe sie für den Hausherren unangenehme Probleme zur Schau tragen konnten, ging es schon.
Danach hatte er ausgiebig gebadet und ein wenig die wieder gewonnene Freizeit genossen. Wenn man gerade nicht im Amt war, boten sich plötzlich wieder fast vergessene Freiräume. Noch ein paar Briefe – um etwas produktives zu tun – und ein paar Recherchen in Büchern später war es auch schon Zeit für den angekündigten Gast.
Eigentlich hatte Sextus keinen übergroßen Bedarf daran gehabt, den Bruder des Tiberius Verus zu empfangen. Letzterer hatte seine Zeit hier in der Villa nicht unbedingt dazu genutzt, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Sextus konnte nach wie vor nicht verstehen, wie ein Patrizier seine Zeit als Fußsoldat verschwenden konnte. Und dass der Tiberius das auch noch mit einem Stolz und einer Verve zur Schau stellte, grenzte beinahe schon an eine Beleidigung. Dann noch der Auftritt bei der Cena, die Sextus gegeben hatte, und fertig war das Bild eines Mannes, den Sextus nun wirklich nicht vermisste. Dass der Mann sich noch nicht einmal ordentlich verabschiedet hatte oder wenigstens höflichkeitshalber nach Sextus' Meinung zum Neuaufbau der Villa Tiberia erfragt hatte, war da dann nur noch der letzte Tropfen in einer Amphore.
Es blieb nur zu hoffen, dass dieser Tiberius Caudex mehr nach seiner Schwester schlug. Von Tiberia Corvina hingegen hatte Sextus einen durchweg positiven Eindruck. Nicht nur, weil sie genau seiner Vorliebe entsprach: Hellhäutig, dunkelhaarig, jung, schlank, aristokratisch. Wäre die schrullige Tiberia Maximila nicht gewesen, die die junge Tiberia wie eine Amme bewachte, er hätte nur zu gerne seinen Charme an ihr ausgetestet und gesehen, ob er sie nicht vielleicht in einem Anflug von jugendlichem Leichtsinn oder Dankbarkeit in sein Bett locken konnte.
Aber Tiberius Caudex war weder sein Bruder, noch seine Schwester. Als er also in den Oecus geführt wurde, begrüßte Sextus den Mann höflich. “Salve, Tiberius. Möchtest du etwas trinken?“ Bereit standen neben Wein und Wasser selbstverständlich auch Posca, den der Hausherr auch selbst beständig trank.
Dass der junge Mann eine einfache Tunika im Gegensatz zur Toga trug, bemerkte Sextus dabei natürlich und war nicht unangenehm überrascht. Er selbst hatte ebenfalls nur eine mittelblaue Tunika an, dazu ein Paar Armreife und einen einfachen, beschlagenen Gürtel, das war's an Schmuck. Mancher Besucher machte aus seinem Besuch einen Staatsakt und kam in Toga und mit Gold überhäuft vorbei. Bei solch inoffiziellen Treffen aber fand Sextus es erheblich bequemer, sich nicht in Schale zu werfen und erwartete selbiges daher auch nicht von seinen Gästen.