Hephitios lebte nun schon seit mehreren Monaten am Landgut der Octavier nahe des Hafens Ostia, dem Tor Roms hinaus zur Welt. Es gefiel ihm hier und er hatte eine schöne Zeit bisher hier verbracht. Weites, üppiges Weideland und darauf viele grasende Schafe und was das besondere war, die Güter der Octavier beinhalteten auch Ziegen!
Als Grieche war er Ziegen gegenüber besonders begeistert, kannte er sie ja schon von zuhause, wo er gerne mit ihnen gespielt hatte. Als er seine Herrin nach Ostia begleitet und in den nächsten Tagen nach und nach den octavischen Besitz kennengelernt hatte, war er sofort Feuer und Flamme für das Land. Jeden Morgen, wenn Flora ihn nicht benötigt hatte, war er hinaus zu den Schafen und Ziegen gegangen. Auch bei anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten wie dem Wollschären oder dem Hüten der kleinen Ziegenherden hatte Hephitios gerne den zuständigen Sklaven geholfen. Schlussendlich hatte er seinen ganzen Mut zusammengenommen und dann seine Herren gefragt, ob er nicht für eine Weile hier am Landgut bleiben dürfe, um länger dieses wundervolle Landwirtschaftsleben führen zu können, die Sklaven vor Ort wären für eine zusätzliche Hand gewiss zu haben gewesen. Hephitios wurde es erlaubt und so begannen wundervolle Tage voll mit Arbeit auf den Landgütern.
Hephitios verstand sich eigentlich mit allen sehr gut, bis auf Rabastos, einem griesgrämigen alten Sklaven. Rabastos war früher einer der octavischen Leibsklaven gewesen, doch als er eines Tages einen schweren Fehler begangen hatte, war er zum Hirtensklaven degradiert und nach Ostia abgeschoben worden. Das hatte Rabastos seinen Herren übel genommen und deshalb hegte er einen Zorn auf die Familie, der er diente. Weglaufen war für ihn keine Option, wohin sollte er auch. Er war alt und ein gebrochener Mann. Ihm blieb nichts als sein Zorn, da lebte es sich wesentlich bequemer, wenn man blieb wo man war und alle einen in Ruhe ließen. Als dann vor Monaten Octavia Flora mit ihrem Sklaven Hephitios und andere Octavier wie Lucius Octavius Sagitta, oder Faustus Octavius Macer das Landgut für kurze Zeit bevölkert hatten, fühlte sich Rabastos von ihnen allen gestört, wann immer er ihnen im Vorbeigehen begegnete. Noch größer wurde sein Zorn auf alles und jeden, als er sah, wie vertraut diese Octavia Flora immer mit ihrem Leibwächter, diesem Hephitios umging. So hatte keine Beziehung zwischen Herrin und Sklavin zu funktionieren!
Doch noch schlimmer wurde es für sein Ehrempfinden, als dieser muskulöse Schönling FREIWILLIG hier bei ihnen bleiben wollte, während die octavischen Herren langsam wieder einer nach dem anderen abgereist waren. Was bildete er sich ein? Schon am ersten Tag, als die Sklaven wieder unter sich waren am Landgut, hatte er Hephitios angerempelt und gefragt: "Na, machts Spaß deinen Lümmel in deine Herrin zu stecken?" Schlagartig war Wut in Hephitios aufgebrandet und er hatte Rabastos einen Kinnhaken verpasst. Der Alte ging zu Boden und Hephitios hätte sich noch einmal auf ihn gestürzt und ihn windelweich geschlagen, wenn ihn die anderen Sklaven nicht zurückgehalten hätten. "Beleidige die Domina nie wieder, oder ich sorge dafür, dass du es bereust!" brüllte er, während er mit Bärenkräften gegen die anderen ankämpfte, die ihn von Rabastos fernhielten.
Seither herrschte Hass zwischen den beiden. Bei jeder Gelegenheit begann Rabastos davon zu murmeln, was wohl alles zwischen Hephitios und seiner Herrin wäre, dass sie ihn an so einer langen Leine hielt, ja er sogar mehr oder weniger alles machen konnte, was ein freier Mann auch durfte. Neid und Frust über seine eigene Lage ließ Rabastos sich völlig auf dieses Thema fixieren und auch kam es immer öfters vor, dass er sich mit Wein betrank und dann vollends wirr daherfaselte und lallte. Hephitios wurde das immer weniger geheuer. Das Gefühl wurde in ihm immer stärker, dass sein Platz an der Seite von Octavia Flora sein sollte, um sie vor Subjekten wie Rabastos zu beschützen. War er nicht aus genau diesem Grund zu ihr gekommen?!
Um sie zu beschützen? Und jetzt saß er hier meilenweit von ihr weg um ZIEGEN zu hüten, nicht Flora!
Doch den Ausschlag gab Hephitios' letzter Abend am Landgut. Wieder einmal saß er vor der Hintertür und blickte über die weiten Grasebenen der Octavier. Rabastos wankte in sein Blickfeld, wie üblich mit einer Weinamphore in der Hand. Offenbar war er betrunken, denn der Junge hörte, wie Rabastos mit sich selbst sprach. "Denkt wohl, er sei was besseres.." murmelte er. "Der Stecher seiner Herrin..." als er das hörte wallte Zorn wieder heiß und siedend in ihm auf und er wusste; Rabastos sprach wieder einmal über ihn und Flora. "Pha! Könnte auch machen was er kann....richtiges Alter...schwach" Rabastos entfernte sich in seinem Wanken langsam wieder aus dem Hörbereich von Hephitios. Er hatte zu keiner Zeit bemerkt, dass auch andere Menschen in seiner Nähe waren. Wieviel er bereits getrunken hatte, merkte man der unglaublichen Fahne an, die sogar noch bis zum Haus zog. Tadelnd schüttelte der Junge den Kopf und wollte sich von dem Alten schon wieder abwenden, als er da plötzlich den letzten Ausspruch von Rabastos noch hörte "Der hübschen würde eine Klinge am Hals sicher gut tun...*HICKS*...hmmm...*HICKS*... zu Ende diese Fickerei..." Alamiert sprang Hephitios auf. Was hatte er da gerade gehört?!
Er wollte schon auf den Alten losstürmen, um ihn niederzuschlagen, als zwei andere Sklaven es bemerkten und ihn fragten, was er vorhabe. "Dieses Stück Abschaum zum Hades schicken! Er hat davon gesprochen die Domina zu töten!" Doch ganz wider seiner Erwarten blieben die beiden anderen ruhig und klopften ihm nur auf die Schulter. Rabastos sei es nicht wert. Hephitios solle ihn sich nur mal ansehen, der käme in seinem Zustand nicht einmal bis zur Grundstücksgrenze und die Herrin sei immerhin in Rom. Rabastos wüsste selbst nicht, was er im Suff von sich gab und Hephitios solle sich besser um die Ziegen, als um angesoffene Sklaven kümmern. Falsch, dachte sich Hephitios, besser wäre es, wenn er sich wieder um Flora kümmern würde.
Am nächsten Tag saßen die Sklaven, die gerade Frei hatten beisammen und nahmen ein einfaches Mittagessen zu sich. Hephitios verspeiste gerade ein köstliches Stück frischen Fladenbrots, als ein anderer Sklave aufgeregt zu ihnen lief. "Rabastos ist verschwunden!" rief er. Hephitios, der dem Neuankömling am nächsten saß zuckte nur mit den Schultern. "Besser für uns, vielleicht hat er uns allen einen Gefallen getan und sich irgendwo in einem Graben im Suff sein eigenes Genick gebrochen." Doch wild schüttelte der andere den Kopf. "Nein, heute morgen war er völlig nüchtern und sah wütender aus, denn je. Außerdem fehlen alle Messer in der Küche und eines der Pferde fehlt!" Wie vom Hafer gestochen sprang Hephitios auf und rief laut "Flora! Er will die Domina ermorden!" Die anderen Sklaven sahen ihn verwirrt an. Was hatte der Kerl auf einmal? "Findest du nicht, dass du übertreibst?" fragte einer. "Nein, keinesfalls! Ich bin ihr Custos Corporis, mein Platz ist an ihrer Seite. Ich kehre auf der Stelle nach Rom zurück und ich werde Rabastos finden und zur Strecke bringen!" Und ohne noch einmal in die verdatterten Mienen seiner Kollegen zu blicken lief Hephitios zum Stall um ein Pferd zu holen und sich auf den Weg nach Rom zu machen.