Spätestens auf dem Forum Romanum bekam Casca echte Heimatgefühle. Die herzerwärmende Freundlichkeit der Passanten, die einen mit wohlmeinenden Remplern zeigten, dass man ihnen in den Weg gelaufen war. Dabei war das Forum nicht einmal voll. Der Arbeitstag neigte sich zusehens seinem Ende zu. Am Rostrum vorbei und zwischen den Tempeln für Saturn und Concordia hindurch sah Casca nach oben. Dort ragte sein Ziel imposant als Abschluss des Areals auf. Das Tabularium.
Neben dem Palast und dem Praetorianerkastell vielleicht der Ort der Stadt, den Casca am wohl seltensten aufsuchen würde. Aber er hatte ihn vor einigen Jahren aufgesucht und musste dringend herausfinden wie die Schlacht für ihn stand. Denn nur so konnte er einschätzen, wie er seine Truppen in den kommenden Gefechten am besten einsetzte. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er in Hispania zu viel Zeit mit diesem alten Centurio verbracht hatte. Er hörte sich ja schon wie Pompeius oder Caesar an.
Endlich betrat er den Teil des Gebäudes, der für die normalen Bürger gedacht war. Den Bereich des Staatsarchivs hatte man getrennt angeordnet. Denn mögen die Götter davor bewahren, dass dort unwürdige Würmer herumkrochen. Die trotzdem noch immer langen Schlangen vor ihm waren jedenfalls voller dieser Würmer. Er hätte nicht gedacht, dass um diese Zeit noch immer so viele Personen Zugang zu den Urkunden verlangten. Entnervt wurde sich Casca bewusst, dass er bei diesem Andrang unmöglich heute noch drankäme. Hinter dem großen Holztresen war in der hinteren Ecke ein Scriptor zu Gange, der entweder den Kundenkontakt scheute oder für heute fertig war. Casca scherte aus der Schlange aus und lehnte sich an den Tresen. Damit setzte er alles auf einen Wurf.
"Salve Legat! Schon Feierabend?"
Der Mann hielt in seinem Zusammenräumen inne und blickte auf.
"So ist es. Die Schlage, die sie suchen, ist dort drüben."
Sofort begann er wieder Sachen in seine Tasche zu stopfen.
"Da komme ich her. Die Schlage ist mir allerdings zu lang. Ich wäre gerne vor Jahresende hier wieder raus."
Das Stopfen fand erneut ein Ende. Nun richtete sich der Mann zu voller, wenn auch kümmerlicher, Größe auf und schnauzte Casca an.
"Das ist nicht mein Problem. Geh in die Schlange oder verschinde ganz. Das ist mir gleich. Ansonsten lasse ich dir beim Verschwinden auch gerne helfen!"
Er starrte Casca an und erwartete seinen Abgang. Casca allerdings blieb seelenruhig stehen.
"Nur mit der Ruhe Legat. Ich weiß, dass ein Tag voller Hilfsbereitschaft für den Bürger viel Kraft kostet. Daher leiste ich gerne meinen Beitrag dazu, dass diese Kraft in vollen Krügen wieder aufgefüllt wird. Wie wären fünf Sesterze? Ich suche nur eine Urkunde."
Ein paar verstohlene Seitenblicke folgten.
"Sieben."
Casca wog seine Möglichkeiten ab und entschied, dass es die Sache wert war. Diskussionen und Schachereien wären seiner Sache abträglich gewesen.
"Einverstanden. Ich suche eine privat hinterlegte Urkunde. Der Name des Hinterlegers ist Gaius Petronius Calvus. Ein Testament. Eingelagert wohl vor circa acht Jahren. Ich will es nichtmal mitnehmen, nur sehen."
Das Geld fand seinen Weg zum Bürobewohner. Nach nur noch sehr kurzem Zögern ging dieser auf die Suche und kehrte nach einigen Augenblicken mit einer Schriftrolle zurück. Casca ließ sie sich aushändigen und wurde dabei nicht aus den Augen gelassen.
"Ah. Gut. Ich hatte mich doch richtig erinnert. Ich hatte meiner Schwester Petronilla die Familiensänfte vermacht. Sehr gut, so sollte es auch sein. Sie ist nicht gut zu Fuß, müssen sie wissen."
Damit reichte er die Rolle zurück und wurde wortlos mit nur einem Nicken verabschiedet. Nach der eben erhaltenen Erkenntnis würde sich Casca ein Plätzchen für die Nacht suchen müssen. Oder besser ein Plätzen, wo er die Nacht am besten nutzen konnte.