Die Sorgen eines Händlers

  • Carbo hatte das Gefühl je eher sich seine Amtszeit mit riesen Schritten dem Ende näherte (und das tat sie ja immerhin), so schrumpfte der Berg an Aufgaben und Problemen nicht, nein, er wuchs eher noch. Die Aufträge und Missionen der höheren Magistrate wollten erledigt werden, die Renovierung der Larenschreine mussten geplant und beaufsichtigt werden, die Laren selbst verlangten natürlich von ihm ihre regelmäßigen Opfer, zahlreiche Anliegen von Vicani, die mit ihren Problemen zu ihm kamen, seine Probleme mit dem so gut wie aufgebrauchten Budget trotz noch anfallender Kosten und nicht zu vergessen der Theaterspielplan des örtlichen Theaters, der seine Aufmerksamkeit verlangte. Und das waren nur die wichtigsten Dinge!
    Zeitweise fühlte es sich ähnlich an wie damals, als er am Ende seiner Scriba-Laufbahn fast ebenso viel (wenn nicht sogar mehr) um die Ohren gehabt hatte. Doch trotz seines unveränderten Personenstatus als Peregrinus war seine Wichtigkeit (temporär) für die Gesellschaft und seine Bekanntheit durchaus gestiegen, weshalb Carbo die zusätzlichen Strapatzen dieses Amtes gerne annahm. Konnte er doch inzwischen einen ähnlichen Bekanntheitsgrad in Mogontiacum aufweisen wie der Geschichtenerzähler Fabulo vom Forum und das mochte durchaus schon etwas heißen.


    Doch diese Sisyphusarbeit als Magister Vici zehrte mit der Zeit an Carbos Konstitution und er hatte ganz leichte Augenringe bekommen und war öfters müde. So auch heute. Trotz dass gerade einmal Mittag war, fühlte sich der Junge bereits jetzt schon abgekämpft und rastreif. Die letzte Nacht hatte er sich größenteils mit Berichten und Finanzunterlagen zu seinem Laren-Projekt und der Recherche für sein Buch über die Magistrate der Stadt um die Ohren geschlagen. Und dann waren am Morgen von seinem Scriba Titus so "gute" Nachrichten an ihn herangetragen worden wie, dass der Schrein mit den Germanenrunen komplett ersetzt werden müsste, anstatt bloß einmal komplett zu reinigen und dafür war einfach kein Geld mehr übrig. Carbo musste auch so schon Extragelder auftreiben, wenn er sein privates Amtszeitsziel erreichen und eine eigene Aedicula der Stadt stiften wollte. Da hatte ihm das gerade noch gefehlt. Über all diese Finanzangelegenheiten hatte er fast den von Titus ausgemachten Termin mit einem gewissen Asinus (von Beruf Händler) vergessen, der auf den Stufen der Curia Mogontiaci auf ihn wartete. Eigentlich hatte Carbo schon in der Taberna Silva Nigra gestanden, um sich für sein Mittagessen nach einem freien Platz umzusehen (hmm was war ihm nach einem herzhaften Gersten-Bohnen-Eintopf mit Ziegenkäse und Kräutern!), als es ihm urplötzlich wieder eingefallen war beim Anblick eines ihm bekannten Händlers. Grummelnd und ärgerlich war er also wieder von dannen gezogen, um sich mit diesem Asinus zu treffen.

  • Carbo verließ also die Taberna Silva Nigra und überquerte das Forum. Dabei kam er an Fabulo vorbei und schnappte etwas von seiner aktuellen Geschichte auf. Anscheinend erzählte sein alter Freund den Leuten etwas von König Midas. Guter Mann, wenn nur nicht die Eselsohren und sein "goldener Daumen" gewesen wären. Mit Blick auf den Sitz der Stadtregierung konnte er bereits eine Gestalt ausmachen, die dort unterm Portikus offensichtlich auf jemanden wartete, das musste Carbos Mann sein. So ging er vollends zu ihm. "Salve, ich bin Norius Carbo, Magister Vici dieses Viertels. Ich hörte du benötigst meine Unterstützung?"



    Asinus, ein Händler


    Der Angesprochene wandte sich ihm zu und musterte ihn. Carbo nutzte die Gelegenheit, um seinerseits sein gegenüber einer optischen Überprüfung zu unterziehen. Er wirkte nicht arm, jedoch auch nicht wohlhabend. Asinus konnte zudem ein Allerweltsgesicht sein Eigen nennen, Carbo dachte sich, würde er ihm auf der Straße begegnen, er würde ihn nicht registrieren, so unauffällig wirkte er. Als Dieb war so eine Eigenschaft Gold wert, doch das wollte er Asinus natürlich nicht sofort unterstellen, wo er ihn überhaupt nicht kannte. Asinus musste mit Carbos Erscheinung (er trug heute eine dunkelgrüne Tunika mit Blattdekorationen, dazu hatte er mehrere Wachstafeln unterm Arm und einen Griffel hinterm Ohr) auch halbwegs zufrieden sein, denn er sprach: "Salve, Magister Vici, es freut mich, dass du Zeit finden konntes, um meinem Anliegen dein Ohr zu leihen, ich bin Asinus aus Massilia."
    Carbo pfiff. "Das ist nicht gerade um die Ecke. Was hat dich denn soweit nach Norden an die Grenze des Imperiums verschlagen, wobei ich dir helfen soll?" Asinus sah sich um. "Nicht hier, komm Magister! Und schon steuerte er mehr die Mitte des Forums an, weg von der Curia. Carbo hob fragend eine Braue, als er ihm nachfolgte. Das musste ja was ganz besonderes sein. Asinus lotste Carbo auf ein freies Stück Platz, mitten auf dem Forum. Da Mittagszeit herrschte und die meisten Leute essen waren, war ihre Umgebung beinahe schon verwaist und sie konnten genau sehen, wer wie nah bei ihnen war und dementsprechend ihre Lautstärke beim Sprechen anpassen, ohne, dass irgendwelche Uneingeweihten etwas davon mitbekamen. Doch wozu das ganze?!

  • Als sie endlich den Flecken erreicht hatten, den Asinus wohl für am sichersten befand, blieb er stehen und drehte sich zu Carbo um. Dieser vermutete, dass ihm ihr Treffpunkt, die Stufen der nahen Curia Mogontiaci, wohl zu unsicher war, was Lauscher anging. Zu leicht konnte man sich da um einer Ecke herum, zwischen den Säulen, oder im Hauseingang verstecken und jedes gesprochene Wort mithören, doch Carbo fand schon, dass Asinus in seinem Wahn, ja nicht belauscht zu werden, schon übertrieb. Ihm selbst jedenfalls fiel kein "großer" und "wichtiger" Beweggrund ein, für den man so ein großes Geheimnis drumherum spann und am Ende doch nur einen Magister Vici betrauen wollte, anstatt gleich den Aedil, oder gar die Duumvirn. "Was ist denn nun so wichtig?" fragte Carbo abgespannt. Verdammt, er wollte endlich zu Mittag essen! Und er hatte auch so noch genug zu tun, als sich um wichtigtuerische Händler kümmern zu müssen. Noch einmal sah sich Asinus kurz um, ob auch wirklich ja niemand in der Nähe war (bis repetita non placent semper...*seufz*), ehe er ENDLICH mit der Sprache herausrückte:



    Asinus, ein Händler


    "Magister, zwei Dinge, die erste würde eine banale Handelsangelegenheit betreffen, wo ich auf deine Hilfe hoffe." Eine Spur ungeduldiger, als beabsichtigt fragte er: "Sehr gut! Und was soll das genau sein...?" Asinus beugte sich vor und antwortete:
    " Ich gehöre einem Handelskonsortium an, das seine Aktivitäten gerne auf Mogontiacum ausweiten möchte, könntest du bitte beim Aedil ein gutes Wort für uns einlegen, damit wir auch anderswo in der Stadt, als bloß am Forum unsere Waren verkaufen können?"
    Innerlich war Carbo kurz vorm Explodieren vor lauter Ungeduld. Was?! Wegen einer solchen Lapalie holte man ihn quasi vom Essen?! Sollten sie sich doch einen Laden hier in der Stadt kaufen und hier sesshaft werden, wenn es ihnen schon nach der Marktordnung ging! "Ich werde nachsehen, was sich da machen lässt." brummte er nur. Was wohl das zweite Anliegen war? "Weiters", fuhr Asinus wie aufs Stichwort hin weiter fort: "benötigen wir einen Ort, wo man eine größere Menge Waffen lagern kann" meinte Asinus, während Carbo hellhörig wurde. "Was, Waffen?!" irgendwie hörte sich das alles komisch für ihn an und im Moment wusste er nicht einmal so spontan aus dem Kopf, ob Mogontiacum überhaupt eigene Gesetz über das Führen von Waffen besaß, so wie Rom, oder ob es da bestimmte Lizenzen, oder sonstige Einschränkungen für Waffenhändler gab (wobei Asinus irgendwie nicht den Eindruck eines solchen Händlers auf Carbo machte). "Natürlich würden wir dich für deine Mühen für uns dementsprechend entschädigen." meinte er und zog einen dicken Münzbeutel hervor und hielt ihn dem Magister Vici vor die Nase. Carbos Augen wurden groß. So viele Sesterze! Das mussten genug sein, um eine eigene Aedicula UND den Germanenschrein neu errichten zu lassen und trotzdem würde noch etwas für Carbos nächste Amtszeit als Aedil übrig bleiben. Doch ganz geheuer war ihm die ganze Sache immer noch nicht. Sollte er das Geld annehmen? Alle noch offenen Finanzierungsprobleme seiner aktuellen und nächsten Amtszeit wären damit auf einen Schlag gelöst!
    Doch war das alles auch wirklich legal?

  • Immer noch ganz perplex starrte Carbo auf den prallen Geldbeutel, der wie ein verführerisches Pendel vor ihm leicht hin und her schwang. All diese Münzen und das nur ganz für ihn alleine! Alles was er dafür machen musste war, dass er mit dem Aedil sprach und einen Lagerplatz für Waffen beschaffte. Doch natürlich hatte er da immer noch ein paar Fragen: "Warum gerade ich? Es gibt genug Lagerhäuser in der Stadt, wo man gegen ein kleines Entgeld seine Ware lagern kann." Da hüstelte der fremde Händler.



    Asinus, ein Händler


    "Gewiss, Magister Vici, doch legen meine Arbeitgeber Wert auf eine gewisse Diskretion und bei deinem Ruf...", da wurde Carbo hellhörig. "Was? Was ist denn mit meinem Ruf?" unterbrach er ihn. Das alles kam ihm irgendwie eigenartig vor. Asinus lächelte ihn nur milde an, ehe er antwortete: "Na dein Ruf, Magister, demnach du dich in gewissen revolutionären Kreisen zu bewegen verstehst." Carbo verstand die Welt nicht mehr. "Hä? Dass ich..." Dann jedoch fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren. Meinte der Kerl etwa dieses uralte falsche Gerücht, das zeitgleich zu seiner Ankunft in Mogontiacum vor zwei Jahren aufgetaucht war? Wo er sich mit dem Decurio der Ala II, Atius Scarpus in der Taberna Silva Nigra unterhalten hatte und dann plötzlich am Nachbarstisch eine Schlägerei ausgebrochen war und es hinterher geheißen hatte, Carbo sei dafür verantwortlich und zudem der Anführer einer Revolution gegen das Imperium? War Carbo nicht sogar wegen dieses blöden Gerüchts von einem Verrückten niedergestochen worden und beinahe gestorben? Und dieser Nonsens von Behauptung geisterte also immer noch in der Welt herum und zog Gesindel wie diesen Asinus zu ihm hin?!
    Wut machte sich in Carbo breit und er war schon drauf und dran dem Kerl die Meinung zu geigen und seinen Ruf reinzuwaschen, als ihm ein Gedanke kam. Was, wenn dieses "Handelskonsortium" in Wahrheit eine kriminelle Vereinigung war? Dann wäre sein Mitspielen bei dieser Farce vielleicht ein Mittel gleich die ganze Bande zu schnappen? Denn kriminell war die Sache offensichtlich, das war spätestens klar, als sich Asinus auf die Gerüchte um Carbos Person berufen hatte, um zu erklären, wieso er gerade zu ihm gekommen war. Jetzt galt es nur nicht aus der Reihe zu tanzen, ehe er sich mit seinen Vorgesetzten in Verbindung setzen konnte.
    "Oh, diesen Ruf meinst du also...ja, also ja, das stimmt schon." "Sehr gut" nickte Asinus zufrieden und wartete mit einem aufmerksam lauschenden Gesichtsausdruck auf Carbos weiterführende Antwort für sein Anliegen. Kurz überlegte er: "Also, ich sehe zu was sich da machen lässt, ich melde mich wieder bei dir. Wo finde ich dich, wenn ich genaueres weiß?" Asinus kramte kurz in einer Gürteltasche und zog dann ein Stück Papyrus hervor. Er überreichte es Carbo mit den Worten: "Hier, darauf steht, wo ich zu finden bin, es ist die Adresse eines Freundes bei dem ich wohne. Es genügt, wenn du eine schriftliche Nachricht schickst, ich werde dann von mir aus wieder an dich herantreten", mit einem Blick auf den Münzbeutel meinte er: "sieh dies als Vorschuss für deine Dienste an, vielleicht gibt es noch mehr bei weiterer guter Arbeit, Vale."
    "Verstanden", murmelte Carbo schon wieder etwas verwirrt. War er gerade von dem Kerl rekrutiert worden?? Naja, auf jeden Fall musste er sich sofort mit dem Duumvir in Verbindung setzen, die Sache schien ernst zu sein!

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