Nachdem Casca sein Heim neu eingerichtet hatte, machte er sich auf den Weg zu seiner nächsten Station. Hierfür musste er nur über das Forum Traiani. Das Capitol umrunden. An der Ecke Via Flaminia abbiegen. Am Porticus Divorum vorbei und den Saepta Iulia. Kurz danach stand er vor den Thermae Agrippae.
Er wandte sich kurz um, denn schon den ganzen Weg hatte er das Gefühl verfolgt zu werden. Doch erneut schüttelte er den Gedanken ab, wenn auch weniger schnell und weniger überzeugt. Hauptsächlich, weil es mitten am Tag war und weil er die Thermen jetzt wirklich brauchte.
Die Thermen des Agrippa waren die ältesten öffentlichen thermae der römischen Republik. Erbaut auf den ursprünglich privaten Gärten des Freundes Augustus', lagen sie zwischen dem ebenfalls von ihm erbauten Pantheon und dem Theater des Pompeius. Aufgrund ihrer großen Beliebtheit - Agrippa verfügte testamentarisch, dass der Eintritt für die stadtrömische Bevölkerung frei sein sollte - wurden sie erstmals von Titus renoviert.
Der Komplex erstreckte sich über eine Fläche von fast einem stadium im Quadrat und entsprach eher dem Muster älterer Bäder. Das Zentrum bildete ein runder Saal mit einem Durchmesser von etwas weniger als einem actus, der durch eine Kuppel bedeckt war. Um diesen waren die weiteren Baderäume unregelmäßig angeordnet, wobei das Caldarium sich westlich an die Halle anschloss. Zu den Thermen zählten nicht nur Baderäume, sondern auch die umliegende Gartenanlage, ein großes Schwimmbecken, der stagnum Agrippae und Platz für sportliche Aktivitäten wie Ringen et cetera. Die Wassermassen, die für die Aufrechterhaltung des Badebetriebs benötigt wurden, speisten sich aus einem separaten Aquädukt, der Aquae Virgo.
Casca war voller Vorfreude die Badewonnen genießen zu können.
Römische Thermen hatten stets die gleiche Raumfolge, die schon bei den hellenistischen Reihenbädern existiert hatte.
Im apodyterium, dem Umkleideraum, entkleidete sich Casca und verstaute seine Kleidung in den in die Wand eingelassenen, abschließbaren loculi. Einen älteren Knaben, der sich scheinbar genau hierauf spezialisiert hatte vertrieb er mit einem geraunzten "He alter Mann. Dein Schicksal mag ja erbarmungswürdig sein, aber wenn Du nochmal so nahe an meine Habseligkeiten kommst, hast Du auch noch eine Hand weniger auf Erden!"
Als erstes kühlte sich Casca im frigidarium, dem Kaltbaderaum, ab und sprang dort in das Kaltwasserbecken. Das frigidarium war der größte Raum der Thermen und daher der Hauptaufenthaltsraum. Aber Casca erkannte keine anderen Badegäste.
Darauf reinigte er sich mit dem strigilis und ließ sich nach dem Bad im aleipterion einölen und massieren. Angeschlossen an das frigidarium war die palaestra, der Sportplatz, so dass man sich nach der körperlichen Ertüchtigung, etwa durch Ballspiele oder Muskeltraining mit Hanteln, gleich im kalten Wasser erfrischen konnte. Dieser Teil war allerdings nicht nach Cascas Geschmack.
Darauf folgte das ebenfalls durch Hypokausten beheizte tepidarium mit milder Hitze.
Anschließend betrat er das caldarium, den durch Hypokausten und Wandheizungen geheizten, nach Süden hin gelegenen Heißbaderaum mit Heißwasserbecken. Die Bodentemperatur dort war wirklich hoch, weshalb er im Bad Holzschuhe trug. Im caldarium gab es Apsiden, in denen sich die mit heißem Wasser gefüllten Wannenbäder befanden.
Während Casca den Ausblick durch die großen Fenster genoss, ließ er sich von einem Sklaven mit warmen Güssen überschütten.
Schließlich gab es noch ein laconicum, ein Schwitzbad mit trockener Hitze ohne Becken, das durch einen Holzkohleofen beheizt wurde und deshalb viel heißer wurde als das caldarium.
Nun hatte Casca den Punkt erreicht, weswegen er in die Thermen ging. Das Wasser und die Wärme schickte alle seine Sorgen und Beschwernisse in den Hintergrund. Jetzt sah er klar und konnte unverstellt denken. Er war glücklich darüber Spinther übertölpelt und seine Wohnung und seine Caupona zurückerobert zu haben. Auch auf seine neue Einrichtung freute er sich. Er war wieder in Roma. Er war wieder daheim. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er sich zu fragen begann, was er denn nun in diesem Rom tun sollte. Er war ja nicht ohne Grund nach Hispania geflüchtet. Mit seiner Familia konnte er nicht viel anfangen. Eine echte Aufgabe sah er nicht. Er bekam Angst davor, dass die Leere wieder von ihm Besitz ergreifen könnte.
Er schüttelte den Gedanken erfolgreich ab und konzentrierte sich auf Konkretes. Mittlerweile war er sich sicher verfolgt zu werden. Wer sollte dies sein? Hatten die Iulier erfahren, dass er zurück war und kontrollierten ihn, dass er ihnen bloß keine Schande machte? Oder war es Spinther? Wollte er die Vereinbarung etwa brechen? Hatte er ihn falsch eingeschätzt?