Atticus war kein Redner. Das hatte er in seiner Zeit als Tribun gelernt. Wenn er vor seinen Männern eine Rede halten musste, endete das meistens in gelangweilten Gesichtern und einem Haufen fragender Blicke, aber nur seltenst in Teamgeist und Jubel.
Atticus war auch kein Schreiber. Er hasste den ganzen Papyruskram, die Berichte und Listen und Protokolle. Das war doch kein Leben, die ganze Zeit hinter Wachstafeln und Schriftrollen zu verbringen! Er hatte sich ja durchaus immer eher als Philosoph denn als Krieger gesehen. Aber ein paar Monate hinter einem Schreibtisch hatten diese Selbstsicht deutlich ins Wanken gebracht. Platon, Sokrates oder auch Cicero zu lesen war nach wie vor erquickend und fordernd für den Geist. Lebensmittelrationen, Materialbestellungen und Einsatzpläne waren eher das Gegenteil davon, in dieser Welt aber wohl leider notwendiger.
Was Atticus aber nie von sich selbst gedacht hatte, war, dass er ein guter Schwertkämpfer war. Wann immer er mit Malachi geübt hatte, hatte der Gladiator ihn besiegt, an seiner Haltung und seiner Beinarbeit kritisiert, das zu erreichende Ziel immer höher gehängt. Aber: Atticus hatte trainiert, seit er sieben Jahre alt war. Mit einem Gladiator. Beinahe jeden Tag, nie weniger als drei Mal in der Woche. Und auch, wenn er immer gedacht hatte, dass er ein gnadenloser Fall hierbei war: Er war trainierter, schneller und größer als seine Männer.
Angefangen hatte das ganze eigentlich sehr harmlos, als er an einem Tag mit besonderer Langeweile einmal selbst eines der Übungsschwerter aus Holz in die Hand genommen hatte. Sich unbeobachtet wähnend hatte er einige Übungen an einem Holzpfahl durchgeführt, noch nicht einmal richtig motiviert.
Doch er war nicht unbeobachtet gewesen. Einige Männer hatten es gesehen und waren zu ihm herüber gekommen. Sie hatten gescherzt, wollten ihm Tipps geben. Atticus hatte gemerkt, dass er etwas tun musste, um die Rangordnung in seiner Einheit weiterhin aufrecht zu erhalten. Also hatte er sie zu einem Zweikampf herausgefordert. Einen nach dem anderen. Und sie alle geschlagen. Ziemlich leicht sogar, wie er selbst wohl mit dem größten Erstaunen feststellte.
Eigentlich hatte er gedacht, dass es damit vorbei wäre und er weiterhin für sein körperliches Training nach Hause gehen und mit Malachi trainieren würde. Doch wie es so war in einer kleinen Einheit, hatte es sich bis zum nächsten Tag herumgesprochen. Und natürlich wollten auch andere ihren Tribun herausfordern.
Erst war es nur hier einmal ein Kampf und dort einmal ein Kampf. Doch mit der Zeit war es beinahe so etwas wie eine feste Institution in dieser Einheit. Und auch, wenn Atticus es nie gedacht hatte, es machte ihm tatsächlich Spaß. Vor allen Dingen, wenn er sah, wie seine Männer nicht aufgaben und sich weiter verbesserten, mit mehr Elan und Freude diesen Teil des Trainings absolvierten, sich gegenseitig anfeuerten und miteinander lachten und feixten.
Und so stand er auch heute wieder auf dem Platz. Zum allgemeinen Spektakel und weil es wirklich sehr sommerlich warm war ohne Rüstung und nur mit einer sehr dünnen Leinentunika angetan, sein Gegenüber genauso. Diesmal war es einer der Hispanier, der ihn herausforderte. Er war gut zwei Köpfe kleiner als Atticus und bestand eigentlich nur aus Sehnen und hatte Reflexe wie eine Schlange. Atticus hatte schon einmal gegen ihn gekämpft vor einigen Tagen und dabei ein, zwei Schläge kassiert. An seinem Oberschenkel war ein ordentlicher, blauer Fleck gewesen, der davon zeugte. Wären es scharfe Waffen gewesen, wäre er wohl tot gewesen. Nichts desto trotz hatte er weit mehr Schläge ausgeteilt, und nach den Regeln des Wettkampfes souverän gewonnen. Natürlich hoffte er, das Ergebnis zu wiederholen, schon allein, um seinem Ruf als unbezwingbarer Anführer gerecht zu werden. Es war immer ein ordentliches Risiko, Grisuix hatte ihn deshalb nicht nur einmal auf die Problematik hingewiesen. Was, wenn er besiegt würde? Aber die Antwort war einfach: Er würde nicht besiegt werden.
Und so stand er also da, grinsend, und dehnte und streckte sich ein wenig, um die Gelenke und Muskeln zu lockern, während die Männer Wetten abschlossen. “Darf ich mitwetten?“ scherzte er laut und entlockte so dem halben Hof ein Lachen.
Und ein paar Augenblicke später ging es auch schon los, und zu hören war nur das tock-tock-tock der schweren Holzwaffen.