[Katakomben an der Via Appia] Kriminelle Gespräche

  • Es war finsterste Nacht. Sogar noch dunkler, als normalerweise, denn kein Mond warf sein silberweises Licht auf die Gefilde der Welt. Es war Neumond.
    Nur die Sterne funkelten am Himmelszelt über der Ewigen Stadt, die bereits fest schlief.
    Alle? Nein. Nur die redlichen und gesetzestreuen Untertanen des Augustus geruhten in jener Nacht zu schlafen, wenn sie nicht gerade als brave Händler, oder Fuhrwerker mit Maultierkarren durch die engen Straßen polterten, um den Geschäften und Märkten die benötigten Waren für den nächsten Tag zu liefern. Und dann war da natürlich auch noch das kriminelle Gesindel Roms. Es trieb sich bevorzugt in den besonders dunklen Ecken und verwinkelten Gassen herum, darauf lauernd, dass ein unbedachtes Opfer des Weges kam.
    Doch dieses Mal soll es nicht um die finsteren Gesellen in Rom selbst gehen. Unsere Geschichte findet weiter draußen vor den Toren Roms statt, ein Stück weit unter der Erde in den Katakomben, die an der Via Appia liegen. Dort waren, entgegen der üblichen Gepflogenheiten an so einem Ort, Fackeln und Öllampen entzündet worden, damit die Anwesenden die Gegenpartei auch ja gut genug im Auge behalten konnte. Wie misstrauisch waren nur diese Unterweltbosse für gewöhnlich untereinander! So hatte Nero Helvetius Archias auch angeordnet, dass jede der beiden Seiten neben ihrem Berater auch noch zwei weitere Männer mitnehmen durften, alle ohne Waffen, verstand sich. An diesem Ort sollte das Treffen zwischen Archias und dem Verbrecherboss Silius über die Bühne gehen. Archias war bereits anwesend. Zu seiner rechten stand Ferox. Hinter ihm flankierten ihn Bursa und Nasica, mit finsterem Blick und verschränkten Händen.
    Geraume Zeit verging. Alles blieb still. Nur die Fackeln knisterten und erhälten die bunten, Wandmalereien an den Wänden der Grüfte.


    Endlich regte sich was. Schritte wurden hörbar. Zwei Männer kamen in die Kammer und blieben kurz nach dem Eingang stehen. Archias gab seinen beiden Bluthunden ein Zeichen, woraufhin Bursa und Nasica vortraten und sie durchsuchten. Keine Waffen. Nun machten die beiden Fremden das gleiche mit ihnen, bis sie an Ferox und Archias herantraten und auf ein Nicken der Krähe hin sie selbst ebenfalls auf Waffen durchsuchten. Als sie keine fanden, schienen sie zufrieden zu sein. "Bursa, begleite einen von ihnen hinaus und erweise unseren noch fehlenden Gästen dieselbe Ehre." Darauifhin blieb einer der Fremden im Raum, während der andere mit Bursa die Katakomben wieder verließ. Nach ein paar Momenten kehrten sie wieder, mit noch zwei Männern mehr im Gefolge.


    [Blockierte Grafik: https://www.byzantinisches-reich.eu/bilder/avatare/neuundsortiert/stand3/got242.png| Bursa


    "Sie sind sauber.", meldete der Bluthund. Archias nickte. Nachdem die -bei direkten Aufeinandertreffen der großen Syndikatsbosse Roms beinahe schon einem Ritual gleichenden- Durchsuchungen aller beteiligten auf etwaige Waffen abgeschlossen war, konnte es also beginnen. Einer der beiden neuen, die mit Bursa und dem eigenen Leibwächter in die Katakomben gekommen waren, hob leicht das Kinn.


    | Silius


    "Archias, also sind die Gerüchte wahr, die ich über deine Rückkehr nach Rom vernommen habe."
    Archias wendete seinerseits die Handflächen nach außen zum Gruße: "Silius! Es ist viel zu lange her. Alt bist du geworden."
    Der andere Unterweltboss schnaubte. "Von dir könnte ich das gleiche behaupten. Doch kommen wir zum geschäftlichen. Wieso bin ich heute hier?"
    Direkt zum Punkt, Silius hatte sich in seiner Abwesenheit nicht verändert. Das gefiel Archias. Also sollten sie nun darüber sprechen. Archias schickte mit einem Kopfnicken seinem Berater Ferox einen stummen Befehl, worauf dieser vortrat und zu sprechen begann:


    | Ferox


    "Wir sind heute hier zusammengekommen, um über die Rückforderung unseres alten Territoriums zu debattieren." Kaum hatte er geendet, wurde Ferox auch schon von Silius' Berater unterbrochen, der nun seinerseits für seinen Herrn die Stimme erhob, während die beiden Bosse sich -noch- eher im Hintergrund hielten und stattdessen ihre Untergebenen für sich sprechen ließen.


    | Canus


    "Was soll das heißen "Rückforderung eures alten Territoriums"? Da gibt es nichts zu debattieren, dein Herr, die Krähe ist weg vom Fenster, seit sie außerhalb Roms für so viele Jahre untergetaucht ist. Andere sind gekommen und haben ihren Platz eingenommen, alle Ansprüche von früher sind verwirkt. Egilius herrscht jetzt an eurer statt über euer altes Revier." Ferox spielte mit seinen Mundwinkeln. "So, sind sie das? Wir haben seit der Rückkehr des Chefs wieder einen Gutteil an Boden in der Subura und dem umliegenden Raum gemacht, Egilius wird fallen, so oder so. Die Krähe wird wieder groß werden in Rom. Um unseren aktuellen Machtkampf in Rom geht es jedoch hier und heute nicht, deswegen sind wir nicht hier zusammengekommen. Es geht um die Zeit danach. Du, ehrenwerter Silius," dabei sprach Ferox kurz Canus' Herrn direkt an, ehe er seine Worte dann wieder zurück zu dessen Berater lenkte, "Bist ein großer Mann in Rom und deine Freundschaft mit Egilius ist bekannt. Wir möchten dir mit diesem Treffen hier versichern, dass niemand der anderen Bosse etwas von uns zu befürchten hat, wir holen uns nur zurück, was unser ist. Danach ist wieder Ruhe." Wieder an Canus gewandt sprach er: "Um Egilius' Wegfall und damit einhergehend eventuelle Verluste deinerseits zu kompensieren, bieten wir überdem einen Handel für euch an. Ihr sollt die Hälfte des Suburagebiets von Egilius' Revier erhalten, während wir die andere Hälfte und all sein Territorium außerhalb der Subura übernehmen. Zusätzlich war Egilius sehr im Sklaven- und im Weinhandel engagiert, wir würden eure Organisation die nächsten vier Monate mit 30% aller Gewinne an den Einnahmen daraus beteiligen.Überdies wären wir sehr darüber verbunden, falls von irgendwelchen Vergeltungsmaßnahmen abgesehen werden würde nach Egilius' Sturz."
    Canus hob etwas das Kinn und es war offensichtlich, dass er nachdachte. Er war sich nicht völlig sicher, was er darauf sagen sollte, doch zu seinem Glück wurde ihm die Entscheidung von seinem eigenen Boss abgenommen, denn jetzt sprach Silius persönlich an Archias gewandt: "Du bietest mir allen Ernstes etwas Land und läppische 30% Gewinnbeteiligung am Sklaven- und Weinhandel an dafür, dass ich einen Freund im Stich lasse? Du hast nachgelassen Corvus! Ich werde dafür keinen meiner Freunde im Stich lassen!" Archias hob kurz die Hand in Richtung seines Beraters, damit Ferox still bleiben würde und er selbst antworten konnte. "Ist unsere nicht viel älter? Haben wir nicht schon Politiker geschmiert und Schutzgeld erpresst, als Egilius noch in den Windeln lag?"
    Silius schnaubte auf. "Wir waren niemals Freunde! Geschäftspartner...ja, von Zeit zu Zeit, aber Freunde nein."
    "Silius, auch du bist alt geworden. Seit wann stellst du Freundschaft über das Geschäft? Hast du vergessen, was ich in der Vergangenheit geleistet habe? Wozu ich fähig war? Weswegen ich sogar aus Rom fort musste?"
    "Zugegeben, deine Tat hat Beachtung verdient und du warst immer ein verlässlicher Geschäftspartner, jedoch..."
    Archias unterbrach ihn: "...jedoch bin ich eine Gefahr für dich, während du Egilius gleich einer Puppe an deinen Fäden tanzen lassen kannst, wenn du es wünschst, stimmt es?"
    Silius' Mundwinkel zuckte kurz, während er verstummte. Ertappt!
    Archias sprach weiter, während nun die Berater ihrerseits zu stummen Zusehern verkommen worden waren und die Bosse eigentlich gerade ihre Arbeit taten, anstatt sie selbst.
    "Ich werde dir sagen, was du noch davon hast, wenn du deine Marionette fallen lässt. Ich habe Informationen zu liefern, die interessant sein könnten für dich."
    "Pah! Was sollte das schon sein!"
    Archias winkte seinen Berater Ferox heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dieser nickte. Dann ging er zu Silius' Berater Canus und tat es bei ihm ebenfalls, jedoch kürzer, ganz so, als würde er nicht alles wiedergeben, was er von seinem Boss gehört hatte. Canus dann verzog kurz den Mund, ging jedoch seinerseits jetzt zu seinem Herrn und flüsterte Silius Archias' Botschaft zu. Silius' Augen weiteten sich.
    "Ausgeschlossen!"
    Archias lächelte. "Wusstest du gar nichts davon? Sei versichert es ist wahr." War es nicht. Archias hatte es eben zuvor erfunden, doch vielleicht half es ihm weiter. Auch war es sowieso einmal wieder an der Zeit die anderen Unterweltbosse etwas gegeneinander auszuspielen.
    "Ich verlange Beweise!"
    "Die sollst du auch bekommen, jedoch im Austausch dafür, dass ich deine Zusicherung habe, dass du keine Schritte gegen meine Organisation unternehmen wirst, bei unseren Plänen zur Übernahme von Egilius' Territorium, einverstanden?"
    In der Tat hatte Archias' Geflüster Silius derart beeinflusst, dass er nicht mehr sofort in eine ablehnende Haltung verfiel. Er begann stattdessen darüber nachzudenken, welche geschäftlichen Vorteile es ihm wohl bringen würde, wenn er Egilius, seine Puppe, aufgab und dafür Archias, bzw. Corvus, die Krähe wieder in der Stadt agieren lassen würde. Keine leichte Entscheidung. "Ich verlange Beweise für deine Behauptung! Außerdem 60% Beteiligung an allen Gewinnen, aus sowohl dem Sklaven- als auch dem Weinhandel von dir und das für ein ganzes Jahr."
    Archias nickte. "Nun gut, dann werde ich dir deine geforderten Beweise liefern. Danach können wir in weitere Verhandlungen treten, einverstanden?" Silius nickte. "Einverstanden!"
    Phase Eins der Verhandlungen mit seinem alten Konkurrenten war abgeschlossen. Archias hatte noch längst keine entgültige Einigung, jedoch würde Silius vorerst zumindest nicht gleich eingreifen bei weiteren Angriffen auf Egilius, da er auf den evt. Deal mit Archias jetzt hoffen konnte. Außerdem waren natürlich auch die ungehörigen geflüsterten Neuigkeiten für ihn von größter Bedeutung, sollten sie wahr sein, besser man brachte die einzige Quelle nicht zum versiegen, ehe man sich wirklich sicher sein konnte.


    Nur dass es dann schon zu spät wäre für Silius' Eingreifen, wenn er zu lange abwartete.

  • Nachdem Archias früh genug vor einem Anschlag durch den Verbrecherboss Silius auf ihn gewarnt worden war und diese heikle Nacht dann in den Hinterzimmern seiner Taverne verbracht hatte, wartete er bis zum nächsten Morgengrauen und begab sich dann im Gefolge seines Leibwächters Nasica hinaus vor die Stadttore Roms und ein Stück die Via Appia entlang, bis sie zu jener unauffälligen Katakombe kamen, die Archias schon früher gelegentlich als Unterschlupf, oder als Treffpunkt mit anderen Bossen genutzt hatte. Hier wähnte er sich vor Silius sicher genug, um in aller Ruhe seine Pläne zum Gegenschlag ausarbeiten zu können und (sollte es nötig werden) auch gleich zum Rundumschlag gegen die anderen Bosse. Fest stand, dass er den von ihm erstrittenen Grund und Boden in Rom nicht wieder hergeben würde. ER war die Krähe, ER war der König der Unterwelt und es durfte niemanden geben, der ihm das streitig machen durfte. Glücklicherweise konnte er sich auf so treue Seelen wie Ferox, oder die Bluthunde stützen. Auch auf seine Vögelchen war Verlass, weshalb er durch deren Netzwerk an Kinderspionen über alle relevanten Vorkommnisse in der Ewigen Stadt informiert war. Ja Archias war zuversichtlich, dass er am Ende dieser Konfrontation als Gewinner vom Platz gehen würde, wenn er es nur richtig anstellte. Gespannt wartete er im Verlauf des Tages auf neue Informationen durch die Vögelchen, während Archias über seinen Plänen saß. Von Bursa war immer noch nichts zu hören gewesen wie es um seinen Auftrag in Bezug auf Silius stand und auch Ferox war abwesend. Dafür bekam die Krähe von anderer Seite her Besuch. Der Sklavenhändler und Vertraute Faustus Laberius Atimetus bat um eine Audienz. Archias gewährte dies.


    | Faustus Laberius Atimetus


    "Salve, alter Freund, was kann ich für dich tun?" begrüßte er ihn. Der Sklavenhändler machte ein ernstes Gesicht. "Salve, Nero. Ich bin hier, um dich zu warnen." Archias machte ein verwundertes Gesicht. "Warnen? Wovor den warnen?" Er glaubte kaum, dass Atimetus wegen Silius gekommen war, wie sollte der alte Mann denn davon erfahren haben?
    Doch die Frage erfuhr sogleich ihre Lösung, als Atimetus sprach: "Es ist so, ich war ja gestern noch im Blinden Esel ein wenig saufen und da habe ich etwas am Nachbarstisch mitgehört. Da war so ein Perverser der Frauenkleider getragen und ständig in den Armen eines Mannes gelegen hatte, der hatte im Suff verraten, dass er deine Handschrift fälschen kann. Und es blieb nicht nur bei der Behauptung, das Mannsweib hat es auch gleich mit einer Schriftprobe unter Beweis gestellt! Ich dachte du solltest das wissen. Er ließ auch verlautbaren was er mit dieser Kunst anzufangen gedachte. Er hat herumposaunt er wolle in deinem Namen einen Drohbrief an die Iulier schreiben, mit einem von denen hattest du doch erst einmal Streit, oder?" Archias' Blick war noch ernster als zuvor schon geworden während der Erzählung. Nachdem Atimetus geendet hatte nickte er nur. "Danke, dass du mir das mitgeteilt hast, du darfst gehen." Das war es also gewesen, das Atimetus ihm unbedingt erzählen wollte, schon gestern, als er an die Bar gekommen war, hatte er Archias mitgeteilt, dass er eine Information für ihn hätte. Natürlich hatte er sie am gleichen Abend dann nicht mitgeteilt, immerhin wusste man nie wer im Gastraum sonst noch mithörte, der Inhalt der Neuigkeit war ja schließlich das beste Beispiel dafür.
    Jemand verstand sich also darauf seine, Archias', Schrift fälschen zu können und wer dieser jemand war wusste er natürlich auch sofort. Gestern Abend hatte nur ein Mann in Frauenkleidern in seiner Taverne gesessen und das war der Sklave Tiberios gewesen, den Archias schon von diversen früheren Begegnungen her gut kannte. Großer Fehler den er da gemacht hatte. Von allen denkbaren Orten hatte sich der furische Unfreie ausgerechnet in Archias' Taverne, dem Blinden Esel, sein Todesurteil unterschreiben lassen, denn dass er beseitigt werden musste war klar angesichts der potenziellen Gefahr, die er von jetzt an darstellte, da Archias um seine Kunst wusste. Es konnte ihm schwer schaden, wenn Tiberios die richtigen Texte an die falschen Leute sandte, wie z.B. an Gaius Iulius Caesoninus. Beim Gedanken an den Iulier brandete erneut Wut in ihm hoch über seine durch ihn erlittene öffentliche Schmach. Am besten auch er würde gleich mitsamt dem gefährlichen Sklaven in einem Streich ausgelöscht werden, dann hatte sich auch diese Sache erledigt.


    Archias winkte Nasica zu sich heran und befahl ihm: "Schicke zwei Mordbanden los. Eine soll sich um Gaius Iulius Caesoninus, dem Beisitzer der Baukommission der Urbanerbaustelle kümmern, die andere um einen Sklaven der Gens Furia namens Tiberios. Der Iulier ist auf dem Esquilin heimisch, der andere am Stammsitz der Gens Furia, oder im furischen Handelshaus in Ostia. Ich will beide tot sehen, los!" Der Bluthund nickte und entfernte sich wieder, während Archias zufrieden tief einatmete. Nun sollten beide die Rache der Krähe zu spüren bekommen, denn am Ende saß immer noch er, Archias, am längeren Ast!

  • | Ferox


    Nachdem sich Ferox um Velia und Bursa gekümmert hatte, machte er sich auf den Weg zu Archias hinaus in die Katakomben. Natürlich wusste er als ehemalige Rechte Hand wo Archias zu finden wäre, denn schließlich war es einst in grauer Vorzeit Ferox selbst gewesen, der der Krähe speziell diese Katakomben als gelegentliches Versteck vorgeschlagen gehabt hatte. Nicht mehr lange und er hätte sein hässliches Werk hinter sich gebracht. Ferox musste nur noch ein klein wenig länger stark bleiben und durfte jetzt keine Fehler begehen. Ab dem Zeitpunkt des Todes von Velia und Bursa im Haus der Krähe hatte die Uhr zu ticken begonnen, jetzt war es eine Frage des Feingefühls wie schnell er es schaffte bei Archias zu sein, bzw. seine anderen Vertrauten auszuschalten, ehe die beiden Leichen in Corvus' Haus gefunden wurden und es offensichtlich wurde, dass es einen Verräter innerhalb der Organisation gab.


    So schnell er konnte machte sich Ferox auf den Weg zum Stadtrand, wo er sich einen Wagen nahm. Es war einer mit verdeckbarer Ladefläche. Damit fuhr er hinaus auf die Via Appia. Unterwegs kam ihm Faustus Laberius Atimetus entgegen. Sobald der Sklavenhändler den Berater erblickte winkte er. "Salve Ferox!"
    "Salve, Atimetus, warst du gerade beim Chef?"
    "Hm, ja dort war ich gerade. Hatte eine wichtige Mitteilung zu machen, weißt du? Da ist nämlich so ein Kerl der Archias' Schrift fälschen kann, ungute Sache, aber ja das habe ich ihm eben gerade mitgeteilt."
    Ferox schürzte die Lippen und nickte. Das hier war eine wunderbare Gelegenheit.
    "Ach, Atimetus? Komm mal mit hinter den Wagen, ich habe da etwas gefunden, das dich interessieren dürfte."
    Gemächlich kam Ferox vom Kutschbock herunter, während der Sklavenjäger neugierig geworden auf den hinteren Teil des Wagens zusteuerte. "So? Ja was ist es denn? Muss ja was großes sein angesichts der Größe des Wag.."
    Kaum hatte er Ferox den Rücken zugekehrt, als dieser ihn auch schon mit dem rasch hervorgezogenen Dolch an der Kehle hatte und Atimetus mit einem Ruck auf den Wagen wuchtete, ehe das Blut von der Ladefläche herbströmen konnte. Das war Nummer Drei, blieb also nur noch Nasica der Bluthund als letzter hochrangiger Getreuer der Krähe übrig. Das durfte schwierig werden, denn wenn Archias wirklich hier war, so würde auch Nasica keinen Deut von dessen Seite weichen.


    Doch Fortuna (oder irgendjemand anders) meinte es gut mit ihm, denn gerade als Ferox beim Katakombeneingang anlangte, kam ihm Nasica entgegen, um die beiden von Archias anbefohlenen Mordbanden loszuschicken. So wie immer gingen die beiden aneinander einfach vorbei, die Gegenwart des anderen jeweils bloß mit einem kurzen Nicken registrierend, dann war Ferox im Inneren. Dort ging er den Korridor hinab in den ersten Raum, wo sich in diesem Moment Archias zu ihm umdrehte, als er der Schrittgeräusche seines Beraters gewahr wurde. "Ferox! Was machst du denn hier?" fragte er überrascht.
    "Es gab einen Angriff auf dein Haus, Corvus, Silius' Männer haben versucht es zu stürmen!" log Ferox.
    "Was? Wie kann das möglich sein? Berichte mir, sofort!"
    Archias mit dieser Neuigkeit ablenkend, näherte sich Ferox langsam, aber stetig seinem früheren Herrn, während er ihm weiter erzählte: "Es war ein Überfallkommando von ca. 15 Mann. Sie näherten sich von beiden Seiten der Gasse dem Hofzugang und überwältigten dann überraschend die Wachen, bis..."
    Jetzt war Ferox nah genug an Archias dran. Mit Schwung zog er seinen Dolch und stach zu. Das letzte was von Archias kam war ein höchst überraschter Blick, dann war es für ihn vorbei. Die Krähe, der König der Unterwelt von Rom, war nicht mehr. Zitternd ließ Ferox den Dolch fallen, während er noch in der sich ausbreitenden Lache stehen blieb. Starke Gefühlsregungen wallten in ihm und mit der rechten Hand musste er sich eine Träne wegwischen. Es war schwer gewesen innerhalb von so kurzer Zeit so viele Leben zu beenden, bestimmt würde ihn das noch eine ganze Weile verfolgen. Doch jetzt war es vorbei, jetzt musste er nur noch...


    Plötzlich bohrte sich auch in seinen Rücken eine eherne Klinge. Nasica war zurückgekommen und hatte gerade noch mitansehen müssen wie Ferox Archias erstochen hatte. Gemäß seines Auftrags als Leibwächter hatte er sofort gehandelt und seinen Meister gerächt und so kam es, dass Ferox jetzt niemals mehr die von Silius versprochenen Früchte ernten würde können.


    - ENDE -

  • << Taverne zum Blinden Esel


    Die Katakomben bildeten den Untergrund einer verfallenen Nekropole, die von zahlreichen Bedürftigen bewohnt wurde. Es war eine merkwürdige Ansiedlung unterkellerter Gruften und Mausoleen, die sich hinter den regelmäßig benutzten Kreuzen gebilet hatte. Kyriakos kannte diesen Ort. Castor und Pollux stammten von hier. Dies war ihre Heimat ... die Stadt der Toten, in der sie als Kinder mit menschlichen Gebeinen gespielt hatten, was vielleicht dafür gesorgt hatte, dass sie so unbefangen mit dem Sterben umgingen und keine Skrupel kannten. Von Kindheit an waren sie täglich mit herzerweichenden Klagelauten konfrontiert gewesen, auf die niemand je mit Hilfe reagierte. Sie hatten oft die Gekreuzigten mit großen Steinen beworfen, damit sie Ruhe gaben und ihre geliebte Mutter schlafen konnte. Die Soldaten, die zur Bewachung der Kreuze abgestellt waren, hatten diese Abwechslung ihres Dienstalltags oft als unterhaltsam empfunden und die Aktionen amüsiert kommentiert. Das war die Erziehung, welche die Zwillinge genossen hatten.


    Kyriakos blickte sich verstohlen um. Ihn störten die Toten nicht. Aber Nekropolen bargen elende Erinnerungen an seine Zeit in Aquincum, als er selbst in einer hatte hausen müssen, erbärmlich krank, todgeweiht, hätte nicht ausgerechnet der Weichling Satibarzanes ihn und Nymphis durchgebracht. Ein Umstand, für den sich Kyriakos auch nach Jahren noch in Grund und Boden schämte.


    »Hier sind wir«, verkündete Cassivellaunus fast schon stolz. Er gab den beiden Urbanern und ihrem Begleiter Gelegenheit, sich umzuschauen. Er hatte nichts am Tatort verändert.

  • Lurco und Pullus folgten dem Jungen. Sie betraten die Nekropole, gab es einen besseren Ort für einen Kadaver? Endlich kamen sie an, der Junge hatte nicht gelogen.


    "Zwei tote alte Drecksäcke. Widerwärtiger, krimineller Abschaum der in der Gosse verreckte. Ihre Taten haben sie eingeholt. Mars verfügt über seine ureigene Poesie der Gerechtigkeit", sagte Lurco ergriffen und sandte kurz ein Stossgebet der Dankbarkeit an seinen Gott.


    "Zur Sachlage. Der eine Alte ist eindeutig der Wirt des blinden Esels. Ich erkenne ihn wieder. Tathergang - er wurde von vorne erstochen. Gesicht immer noch im letzten, überraschten Schrecken verzerrt. Heisst er hat seinem Mörder vertraut. Sonst nicht der Gesichtsausdruck. Ferner hätte er keine Person ohne Vertrauensbonus so nah an sich heran gelassen. Er war der erste der beiden Kadaver. Das Blut breitete sich fließend unter im aus. Er liegt in seiner eigenen Blutlache.


    Der andere Mann ist mir unbekannt. Muss aber der Mörder der Krähe sein. Dieser Kerl wurde hinterrücks erstochen. Er ist der zweite Kadaver. Grund, er wurde hinterrücks erstochen. Heisst dieser Mann und die Krähe standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Wäre der Unbekannte der erste Tote gewesen, hätte die Krähe den Mörder gesehen. Folglich hätte er Abwehrverletzungen an den Armen und er wäre nicht direkt von vorne erstochen worden. Möglicherweise seitlich oder rücklings auf der Flucht.


    Zudem weist die Kleidung des zweiten Kerls starke Blutspritzer auf, dass sagt uns er ist in die bereits bestehende Blutlache seines Opfers gestürzt.


    Das hier war eine Reinigungsaktion. Jemand Vertrautes, der tote Unbekannte, hat die Krähe ermordet. Würde selbst dann aber durch eine dritte Person umgebracht und stürzte in das Blut seines Opfers", merkte Lurco an und drehte den unbekannten Leichnam um.


    "Ebenfalls eine ungläubigen Fratze. Auch ihn traf es aus heiterem Himmel. Der betrogene Betrüger liegt hier. Aber einer hat überlebt und zwar Mörder Nummer drei in diesem Totentanz.


    Schaut, Fußspuren führen von Tatort weg, denen werden wir nachgehen. Die Dolche sprich die Tatwaffen sind nicht mehr hier. Aber das ist selbstverständlich. An solchen Orten schlägt eine Waffe nicht mal auf dem Boden auf und hat schon einen neuen Besitzer. Ich vermute jedoch Mörder Nummer drei hat die Dolche an sich genommen.


    Pullus Du gehst bitte mit dem Burschen zur Castra, meldest die beiden Leichenfunde. Vorher schafft Ihr sämtliche Vorräte aus dem blinden Esel zur Seite. Alles was gebraucht und gegessen werden kann. Der Tote hat die Dinge nicht nötig. Kyriakos und seine Männer schon. Und Du Bursche wirst die Sachen hüten bis wir zurück kommen. Du wirst ebenfalls davon leben und dieser Kerl kostete Dich Dein Ohr. Selbst post mortem ist für das Schwein Zahltag. Beweise mir was Du drauf hast für Dein neues Leben Junge!


    Wir machen uns an die Verfolgung des dritten Mörders. Auf geht's", sagte Lurco und untersuchte die blutigen Spuren. Dann gab er den Weg vor.

  • Cassivellaunus nickte auf die Anweisung hin. Er war nicht böse darüber, nun von diesem Ort verschwinden zu dürfen und von diesem Urbaner. Zwar hatte er ihm das Leben geschenkt, aber er hatte ihm auch das Ohr abgeschnitten. Aufgrund des Stresses spürte Cassivellaunus noch keinen Schmerz. Pullus hatte keine Mühe, ihn dazu zu bringen, sich zu beeilen, als Cassivellaunus mit ihm in Richtung Taberna ging, wo sie die Vorräte konfiszieren sollten. Kyriakos sah den beiden kurz nach, dann richtete er den Blick wieder auf Lurco, der fachmännisch die Vorgänge rückwärts rekonstruierte und dann den Spuren folgte. Der Lupo blieb an seiner Seite, den Blick auf den Bloden gerichtet, auf der Suche nach den angetrockneten Resten des Lebenssaftes.


    »Du bist sehr großzügig«, sagte er. »Vielleicht war es die einzige gute Tat der Krähe, Cassivellaunus eine Struktur und eine Aufgabe im Leben zu geben, so dass er sich auch künftig einfügen wird. Man merkt dem Jungen noch immer an, dass er mal Sklave war, was gut für ihn ist. Manche Leute legen viel wert auf ihren Stolz. In einer Umgebung wie dieser ist er tödlich.«


    Er dachte an Velia. In ihrem letzten Gespräch war es darum gegangen. Sie hatte Kyriakos vorgeworfen, weder Ehre noch Stolz zu besitzen und nun lag sie reglos in ihrem Grab und Kyriakos stand noch hier.

  • Lurco blieb einen Moment stehen.
    "Nein logisch Kyriakos. Alle Lebensmittel im blinden Esel gehören einem Toten. Er braucht sie weder selbst noch für sein Geschäft. Beides ist vorbei. Soll all das vergammeln während andere hungern?


    Solche Männer vollbringen keine guten Taten Kyriakos. Es mag auf den ersten Blick so aussehen. Vielleicht ist auch dem einen oder anderen geholfen, aber das sind ungewollte Abfallprodukte der kriminellen Handlungen der Krähe.


    Solchen Schweinen geht es nur um sich, ihren eigenen Vorteil und ihrer endlosen Gier. Dafür gehen sie über Leichen. Welche Ironie, dass er selbst eine wurde. Da schien jemand zu denken wie die Krähe.


    Eine Krähe hakt der anderen sehr wohl ein Auge aus. Mehr noch sie stach ihn ab.


    Struktur findet man überall nicht nur bei solchem Geschmeiss. Zur Not schaffst Du Dir selbst welche. Niemand sagt es wäre leicht, aber es ist möglich, glaube mir.


    Stolz. Da hast Du Recht, er endet meist tödlich. Kann man Stolz essen? Macht er satt? Stolz auf die Geburt, statt auf die Tat? So ein dummes Luder das leider mehrfach meinen Weg kreuzte faselte auch von Stolz. Das was sie einst war, war sie durch Geburt. Das was ich bin, bin ich durch meine Taten. Was hat sie also geleistet, worauf sie stolz sein könnte? Sich gebären lassen? Sie ist nun Sklavin. Ich bin Urbaner. Ihr Stolz hat sie sehr weit gebracht oder?


    Wer nichts hat, nichts kann, nichts taugt und zu nichts bereit ist, der beruft sich auf diesen falschen Stolz. Hast Du dafür etwas geleistet, gearbeitet, gelernt und verzichtet sollst Du stolz auf Dich sein.


    Generell betrachtet anstatt rein auf eine Person, die Sieger schreiben die Geschichte Kyriakos. Du kannst alle Feinde hinterrücks niedermähen und man wird dennoch Loblieber auf Dich singen. Denn Du wirst es sein, der bestimmt was sie sagen. Du gibst es ihnen vor, es muss nicht die Wahrheit sein.


    Wer überleben will muss bereit sein zu handeln und das mit allen Mitteln. Wer der Gerechtigkeit dient, muss sich die Hände schmutzig machen, denn Deine Feinde sind dickster Dreck. Die meisten die sich auf Stolz berufen sind tatenlose Maulhelden Kyriakos. Wer ist denn hier und steht "stolz" für was ein?


    Lass uns lieber weiterarbeiten solange unser Schwerter und Geist scharf sind. Die Krähe rupft sich nicht von alleine mein Freund. Falls wir den Kerl nicht finden, auf zum Haus der Krähe. Das räumen wir bis auf die Grundmauern aus. Möglicherweise finden wir dort ebenfalls Leichen. Ermordete und solche die auf ihre Reise noch warten. Wir helfen gern", antwortete Lurco, knuffte seinen Begleiter und folgte weiter der dunklen Spur.


    Sie verschwand in einer dunklen Gasse.


    "Ende. Hm. Auf zum Nest der Krähe", sagte Lurco und gab direkt den Weg vor.

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