• Lurco hatte sich direkt auf den Weg zur Casa Furia gemacht, um Tiberios zu seiner Vorladung abzuholen. Centurio Maro wollte Tiberios Aussage von diesem persönlich hören und hatte ihm befohlen den Zeugen herbeizuschaffen. Lurco stand vor der Casa Furia und klopfte. Danach wartete der Urbaner darauf, dass man ihm öffnen würde.

  • Tiberios war gerade vom Tempel der Fortuna gekommen, in dem er der Tyche Danke für all das Gute gesagt hatte, was ihm Roma geschenkt hatte, und er trug den nun leeren Opferkorb noch bei sich. Als er die Gestalt eines Urbaners mit dem Rücken zu ihm vor der Porta sah, erkannte er Lurco nicht gleich.


    „Salve, dominus miles, kann ich dir weiter helfen?“, fragte er höflich.

  • Lurco drehte sich um, als er angesprochen wurde. Tiberios! Wunderbar.


    "Salve Tiberios, das trifft sich ausgezeichnet. Du hast eine Zeugenaussage bezüglich des inhaftierten Subjekts abgegeben. Mein Centurio wünscht Dein persönliches Erscheinen, Du bist zur Aussage betreffend des Brandes am Ganymed vorgeladen. Folge mir zur Castra", sagte Lurco freundlich und machte eine einladende Geste ihm zu folgen.

  • Es war dominus Lurco, und der Sklave freute sich zunächst sehr, ihn zu sehen, aber dann wurde er etwas nervös. Er wußte, dass Lurco ihm seinen unpassenden Auftritt an der Porta Praetoria verziehen hatte, aber es waren noch andere Urbaner und vielleicht auch Praetorianer zugegen gewesen. Ob einer von denen ihn gemeldet hatte?


    Aber dann erklärte ihm der Urbaner, dass er nur als Zeuge in der Ganymed- Sache vernommen werden sollte, und da war er wieder erleichtert:
    „Salve, dominus Lurco!“, sprach er:
    „Darf ich noch einmal in die Casa hinein und den Opferkorb abstellen?Außerdem liegt meine Bronzetafel, die meine Identität klärt, auch noch drinnen, ich würde sie lieber holen. Oder sollte ich unverzüglich mit kommen?“

  • "Sicher darfst Du das Tiberios, wie bereits gesagt Du bist Zeuge und kein Tatverdächtiger. Stell den Korb in Ruhe ab, hole Deine Tafel und dann machen wir uns unverzüglich auf den Weg. Der Befehl meines Centurio war eindeutig. Ich warte auf Dich", antwortete Lurco.


    Maro wollte sicher mehr wissen, als etwas über den Brand des Lupanars Ganymed. Tiberios hatte eine Aussage für das inhaftierte Subjekt geleistet und diese galt es auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ob die Aussage der Wahrheit entsprach, oder ein Gefälligkeitsdienst gewesen war, würde sich erweisen.


    Leider war Tiberios irgendwie an das Subjekt gebunden. Er fühlte sich für es verantwortlich, nahm sich dessen Schicksal an obwohl das Subjekt selbst keinerlei Interesse an ihm gezeigt hatte. Es verlangte, forderte und beschwerte sich in einem fort und gab nicht das Geringste zurück. Tiberios war ein kluger Kopf, irgendwann würde er begreifen, wer es gut mit ihm meinte und wer ihn bis aufs Blut aussaugte. Manchmal war es ein weiter Weg bis zur Erkenntnis. Selbst seine Herrin hatte ihn schon vor dem umtriebigen Subjekt gewarnt.


    Was sollte noch geschehen?
    Wie weit wollte Tiberios sich noch in die Machenschaften des Subjekts verstricken lassen?


    Wie man eine entkorkte, alte, dauergenutzte Amphore wieder verschloss, dass war eine Kunst für sich. Männer in Heil- und Schönheitsberufen kannten dort so manches Geheimnis. Geheime Rezepte um die Illsusion der ersten Entkorkung zu vermitteln, dienten dazu, die Frau als passable Heiratskandidatin dem Zukünftigen vorzustellen und so eine Hochzeit in passende Kreise zu sichern. Mit dem frischen Korken, stellten jene Männer die Respektabilität der entkorkten Frauen wieder her.


    Lurco hatte selbst mitbekommen, wie wohlhabende junge Frauen durch die Hintertür in Venox "Heilstube" geschlichen waren, um sie gegen bare Münze als Jungfrauen wieder zu verlassen. Und was gab es da nicht alles für Hilfsmittelchen basierend auf Pflanzen? Salben und Säfte aus besonderen Pflanzen die den Eingang der Amphore verengten und bestimmte Körperteile schrumpfen ließen. Pflanzen die sonst zur Wundheilung dienten, wurden angewandt um die Amphore wieder zu verkorken. Die Gerbstoffe zogen alles zusammen, selbst den ausgeleiertesten Flaschenhals.


    Von daher war es ein leichtes einem Mann vorzutäuschen, dass das Subjekt unbenutzt gewesen war. Ein echter Medicus oder auch ein Mann wie Viridomarus hätten den Betrug jederzeit aufdecken können.


    Tiberios hingegen fühlte sich durch dieses vermeintliche, einmalige Geschenk besonders an das Subjekt gebunden. Nicht wissend, dass das Geschenk schon seit Jahren zig fach unter den "Hammer" kam.


    Lurco wusste schon, warum das Subjekt den Medicus gebissen hatten. Nur Tiberios wusste es nicht. Sollte er dessen Illusion zerstören? Möglicherweise war dies der einzige Weg Cerretanus und Tiberios sowie alle anderen Personen von dem schädlichen Einfluss dieser Kreatur zu retten.


    Zur Not musste Lurco seinem Vorgesetzten von diesen Mitteln erzählen, sprich dass die Wahrheit die jemand wahrgenommen hatte, noch lange nicht die Wahrheit sein musste. Niemand verkaufte Illusionen in Duft, Cremes, teuren Kleidern und Hilfsmittelchen so erfolgreich wie Viridomarus. Lurco wusste also mit was er es zu tun hatte.

  • Tiberios, der Lurcos Gedanken nicht kannte, ging in die Casa, ließ den Opferkorb in einer Ecke stehen und kam wenig später mit dem Bronzetäfelchen mit der Aufschrift
    SERVUS AUTEM
    GN.FURIUS C.F SUB PHILUS
    zurück, das er an einem Lederband um seinen Hals befestigt hatte.
    Ansonsten trug er eine gegürtete knielange Tunika, ein Stirnband und einen Beutel am Gürtel:
    "Ich bin fertig, wir können gehen, dominus Lurco.", sagte er:
    "Weißt du denn, wie lange ich von der Casa wegbleiben werde?"

  • Lurco nahm das Bronzetäfelchen zur Hand und las was darauf stand, ehe er es wieder behutsam losließ. Tiberios sah ordentlich aus, Centurio Maro würde nichts zu beanstanden haben.


    "Dann komm, lass uns aufbrechen", sagte Lurco und gab den Weg vor. Gemeinsam mit Tiberios ging er zurück zur Castra.


    "Wie lange das Verhör dauern wird, kann ich Dir nicht sagen. Aber sei unbesorgt, Dein Herr Cerretanus ist ebenfalls anwesend. Also kann Dir niemand unterstellen, ungebührlich lange draußen gewesen zu sein oder Dich vor dem Dienst gedrückt zu haben. Du warst Zeuge bei einer Vernehmung, zur Not kann Cerretanus oder auch ich das bezeugen. Alles weitere erfährst Du vor Ort von meinem Centurio", antwortete Lurco aufmunternd.

  • Tiberios nickte:
    "Ich danke dir, dominus Lurco.", sagte er, und folgte ihm.
    Dass dominus Furius Cerretanus anwesend sein würde, war beruhigend. Er würde ihn bei domina Furia Stella entschuldigen können, falls es wirklich spät werden würde.
    Tiberios merkte, dass Lurco sehr freundlich war und versuchte, ihm sein ungutes Gefühl zu nehmen.
    Er selbst hätte sich gerne unterhalten und nach den domini Scato und Sati und nach Terpander gefragt, aber er wußte nicht, ob das auf einem dienstlichen Gang angemessen war.


    Der furische Sklave war sich keiner Schuld bewußt, doch fand er es für gewöhnlich ratsam, den Kontakt mit der Obrigkeit zu vermeiden. Man konnte nie wissen, schon gar nicht wenn man von niedrigem Stand war.
    Auch dieses Problem nun hing mit Eireann und ihrem kopflosen Verhalten zusammen.
    Tiberios ärgerte sich ein wenig.
    Wäre dem nicht so, könnte er jetzt ruhig in seiner geliebten Bibliothek sitzen und müsste nicht in die Castra.


    >> Castra

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