Intro - Königsdämmerung

  • Osroes erwiderte die freundschaftliche Geste von Varsken und wartete geduldig ab, bis sein Freund und Leibdiener aus dem Bad zurückkehrte. Varsken war so umsichtig, dass Bett erneut zu überprüfen. Hier war alles möglich, die Schlange hätte ihm eine Schwester ins Bett legen können oder ein anderes Gifttier. Ebenso war eine versteckte Giftnadel in der Matratze möglich, die erst durch Gewicht zustechen würde, um den Schlafenden in den ewigen Schlaf zu schicken. So einem Mann wie Vologases war nicht zu trauen. Die einzige, absolut sichere Methode zu schlafen war wohl in diesen Gemäuern es wie ein Pferd zu halten und im Stehen zu schlafen. Zudem wäre dies ein Zugeständnis an Vologases, dass er diesen römerliebenden Mann fürchtete. Vorsicht war keine Feigheit und Dummheit kein Mut, zudem vertraute er Varsken, so legte sich Osroes in das fremde Bett das im Grunde doch seines war.


    "Dieses Bett bereitet mir mehr Kopfzerbrechen als es ein Bett sollte Varsken. Geselle Dich zu mir Varsken, ich wünsche mir schlicht ein Gespräch und Dich als meinen Freund an der Seite. Ich hoffe sie gehen mit Rethati anständig um.


    Ich sehe die dunklen Wolken des Krieges am Horizont aufziehen Varsken, alles durch einen Mann der seine Heimat im Herzen den Rücken kehrte und sich anderen zugewandt hat. Seine Heimat hat ihn nie betrogen, er ist der Betrüger und dennoch müssen wir mit diesem Mann verhandeln. Tief im Innersten weiß ich, dass ihn nichts und niemand retten kann. Er möchte nicht gerettet werden, er sieht sich im Recht. Seiner Auffassung nach bedarf es der Heilung für die restliche Welt. Aber ich kenne den Hintergrund dieser Ansicht mein Freund. Es ist Feigheit die sich in sein Herz gekrochen ist, wie eine Schlange die er ist. Er fürchtet die Römer derart, dass er sich ihnen angebiedert hat. Als ob sie ihn verschonen würden, nur weil er ihnen vorher hündisch diente. Nun morgen werden wir sehen, wir weit sein Verfall fortgeschritten ist.


    Möchtest Du über etwas sprechen Varsken? Dann bitte, nur zu. Sprich offen über alles was Dir auf dem Herzen liegt", bat Osroes.

  • So zog Varsken die weichen Schuhe aus, die er im Palast zu tragen pflegte, und legte sich neben Osroes. Er wendete ihm das Antlitz zu, den Kopf durch Kissen und Arm erhöht, damit sie bequemer sprechen konnten. Obgleich er seinem Herrn so nah war, wie kein anderer Mensch, klopfte ihm nun das Herz derart stark, dass er den Puls in den Halsschlagadern spürte.


    "Momentan drückt nur Vologases auf mein Herz. Unsere Dienerschaft habe ich gut instruiert. Es sind zuverlässige Menschen, die ihre Aufgaben auch im neuen Umfeld ohne Schwierigkeiten erfüllen. Die Verantwortungsbereiche sind so verteilt, dass sie einige Stunden auskommen, ohne dass wir uns um sie kümmern müssen. Sie sprechen sich untereinander ab und wissen, an wen sie sich bei welchem Problem wenden müssen, ohne uns zu behelligen. Deine Nachtruhe ist unantastbar.


    Ein Gesprächthema hätte ich, ein Gedankenspiel. Was würdest du tun, wenn es dir gelänge, Vologases in deine Gewalt zu bringen?"

  • Osroes legt sich ebenfalls auf die Seite, so dass sie sich in die Augen schauten. Der Blick von Osroes nahm einen schelmischen Ausdruck an. Sanft faltete er die Hände und schob sie unter seine Wange, um bequemer zu liegen.


    "Geschähe ihm hier etwas auf seinem Boden durch meine Hand, dann würden wir einen Märtyrer schaffen. Seine Anhänger würden mehr den je zu ihm aufschauen. Jenen Mann verehren, der für seine moderenen Überzeugungen gestorben ist. Damit wäre Vologases auf ein Podest gehoben worden, es wäre ihm eine Statue errichtet worden die niemand mehr einreißen kann denn sie wäre geistiger Natur. Aber was geschähe, wenn dieser Mann gar nicht in meine Gewalt fallen würde? Was wäre, wenn dieser Mann überhaupt in keine Hand fällt? Weder Freund noch Feind? Nicht einmal die Römer haben sich von ihm abgewandt und ihn geholt.


    Nein Varsken, was würde geschehen, sollte Vologases erneut seiner verräterischen Natur unterliegen? So wie er eine Heimat verraten hat, so würde er auch die Römer und seine treuen Anhänger verraten. Schon bald würde die Kunde sich verbreiten, dass Vologases nichts weiter als ein Verräter und Lügner gewesen ist. Er würde in Schande stehen, sein Name wäre unaussprechlich und niemand würde ihn gekannt haben wollen. Den Verräter, den Lügner mit den tausend Zungen, der jeden verkauft hat, einschließlich sich selbst.


    Bereichert hat er sich an jenen die ihm folgten, verdorben bis aufs Blut schlich er sich davon und kehrte allen den Rücken. Dieser Mann wird in niemandes Hand fallen, denn nur so fällt er Varsken", lächelte Osroses verschmitzt.

  • Der schelmische Blick von Osroes brachte Varsken zum Schmunzeln. Die Grübchen in seinen Augenwinkeln verrieten das beginnende Alter des Dieners, selbst wenn er ansonsten mit seiner schlanken Statur und dem gefärbten Haar aus der Ferne wie in seinen Zwanzigern wirkte. War man ihm nahe, sah man, dass dieser Eindruck täuschte und er im gleiche Alter war wie sein Schahanschah.


    "Schlaf jetzt, Osroes. Dein Leibdiener verordnet dir Nachtruhe. Sonst plaudern wir die ganze Nacht durch und Vologases hat leichtes Spiel, weil wir ihm übermüdet gegenübertreten. Er soll das Schwert deiner Zunge zu spüren bekommen, wenn wir ihn schon lebend lassen müssen. Eingemauert würde er mir gut gefallen."


    Mit zwei Fingern strich er Osroes sanft von der Stirn hinab und über die Nasenwurzel, langsam und gleichmäßig, immer wieder, wie man das bei Kindern tat, die ihre Augen nicht schließen wollten. Es wurden Muskeln massiert, die den Menschen schläfrig machten.

  • Osroes suchte sich eine bequeme Liegeposition und schloss die Augen. Die sanfte Massage genoss er, sie machte schön schläfrig.


    "Meine scharfe Zunge soll er zu spüren bekommen Varsken, ich gebe mein Bestes. Wir müssen ihn nicht leben lassen. Er wird fallen, nicht durch unsere Hand aber durch unseren Willen. Das ist der kleine aber feine Unterschied. Du wirst sehen...", antwortete Osroes seinem Freund leise. Einige Augenblicke später war er bereits eingeschlafen. Ein größeres Kompliment konnte es für niemanden geben, als das Osroes in seiner Gegenwart schlief. Es gab kein tieferes Vertrauen.

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