• Das Atrium ist ein rechteckiger Innenraum in der Mitte des Hauses, von dem aus die umliegenden Räume zugänglich sind. Es diente als Aufenthaltsraum für die Familie.

  • Das Atrium präsentierte sich von seiner guten Seite. Bequeme Sessel und dicke Kissen boten behagliche und bequeme Sitzgelegenheiten. Zwei Sklavinnen sorgten für die Bewirtung der Gäste.

  • Faustina und ihre kleine Tochter Iulia waren gerade auf dem Weg in den Hortus, als Besuch angekündigt wurde. Anscheinend hatte ihr kleiner Besuch in der Villa Claudia vor einigen Tagen Früchte getragen und der Freund ihres Vaters war gekommen. Lepidus war anscheinend noch nicht hier, also ließ sie sich auf einem der Korbstühle nieder und wartete auf den oder die Besucher in der Hoffnung, dass Stella vielleicht auch gekommen wäre. Dann könnten sie unter sich im Garten plaudern, während Iulia sich austobte. Iulia drehte in der Zwischenzeit eine Runde durchs Atrium und nur durch die Gnade der Götter war noch kein Zierrat zu Bruch gegangen, als sie wie von der Biene gestochen im Kreis flitzte durch den großen Raum.

  • Sein Ziel, Stella aufzulockern, bevor sie ihren ersten Besuch bei einer angesehenen Familie seit Jahren antrat, gelang, obwohl sich Menecrates auf dem Weg ins Atrium den Kopf über die gezeigte Zungenspitze zerbrach. Das gehörte nicht zu seinem Repertoire. Er fand seine scherzhaften Hinweise vor der Porta nicht gänzlich unberechtigt, denn mit ihrer Schusseligkeit erinnerte Stella ihn an seine Enkelin, der einst kaum ein Fettnäpfchen entging. Er beäugte skeptisch die bei jedem Schritt luftig wehende Tunika samt Palla, bis sie ins Atrium traten.


    "Bitte rette mich vor dem Kind", flüsterte Menecrates Stella zu und fügte angesichts der wilden Rennerei besorgt an: "Hoffentlich verwickelst du dich nicht in deinem Kleid."

    Während er auf Faustina zusteuerte, vermied er den Blickkontakt mit Iulia. Zum einen fehlte ihm Gesprächsstoff, zum anderen erinnerte er sich an das nicht eingelöste Versprechen mit dem Wolf.

    "Salve Faustina!" Er lächelte, weil er sich auch für Stella über Aemilias Anwesenheit freute. Sie galt für ihn als Vorzeigetochter aus gutem Hause. Anderes hatte er nie gehört. Gleichzeitig bereute er, sich keine weiteren Begrüßungsworte zurechtgelegt zu haben, denn wie immer flossen sie nicht bei ihm. Ein Kompliment aus seinem Mund würde albern wirken, weil ihn Aussehen kaum interessierte. Er hätte dann im Vorfeld auch Stella eines machen müssen. Die Schönheit einer Frau strahlte für ihn aus dem Inneren. Was nützten schöne Gesichtszüge, teurer Schmuck und adrette Kleidung, wenn aus dem Mund Gefasel quoll und aus dem Herzen Hinterlist. Aemilia zu sagen, dass er sie schön fand, weil sie für Tugenden stand, mutete seltsam an, also sparte er sich dergleichen.


    Sein Blick fiel auf dicke Kissen. Sie würden Stella behagen, deren Kleid kaum geeignet war, das Gesäß abzupolstern. Er schüttelte unmerklich den Kopf. Was machte er sich eigentlich für Gedanken?

  • "Das Kleid ist wunderbar. Ich werde mich nicht verwickeln. Nur die Länge ist ein wenig ... waghalsig... aber ich habe Übung," sagte die junge Frau mit einem schelmischen Ausdruck, wobei sie betont auf ihre Schritte achtete. Stella schmunzelte, als sie ihr Ziehvater flüsternd ansprach. "Natürlich," meinte sie und hielt Ausschau nach dem Wirbelwind. Die junge Frau positionierte sich in einem gesunden Abstand zu ihrem Tutor und wollte die kleine Iulia abfangen, bevor sie dem alten Claudius zu sehr auf die Nerven ging. Stella hatte in diesem Zusammenhang deutlich stärkere Nerven und konnte sehr wohl verstehen, warum Iulia tobte. Dort sah sie bereits den unruhigen Geist und mit einem breiten Lächeln winkte sie dem Kind zu. Stella selbst war als Kleinkind unglaublich nervös und hektisch gewesen. Im Grunde war sie es immer noch. Dann blickte sie zu Faustina und trat einen Schritt vor, wobei sie breit lächelte. "Salve," grüßte sie, immer noch ein Auge auf dem Wirbelwind Iulia habend. Noch setzte sich Stella nicht und nickte dann zu Claudius Menecrates. Eine lautlose Geste, dass sie ihm den Vortritt ließ. Dennoch entschied sie sich, etwas zu sagen, damit sie selbst nicht unhöflich erschien. "Dies ist ein wunderbares Haus," wählte sie das höfliche Standardkompliment einer Römerin gegenüber einer anderen Römerin, die ein Haus besuchte.

  • Lepidus, einigermaßen herausgeputzt und relativ entspannt, betritt das Atrium. Sein Blick fiel auf Menec und sein Herz wurde warm. Es freute ihn ungemein, daß sein alter Freund die Zeit gefunden hatte seine Kondolenz zu überbringen.

    Menec war ein vielbeschäftigter Mann, Senator, Praefectus Urbi, und was sonst noch alles. Lepidus lehnte sich unaristrokratisch an eine Säule und betrachtete eine Weile die Szenerie.

    Menec schien angespannt, die ihm fremde junge Frau aufgekratzt. Faustina ...bei Pluto...wo war Iulia, hoffentlich hatte sie jemand angepflockt. Ihr Hang eine friedliche Weide in ein Chaos aus Panik, Unglück und Hektik zu verwandeln war unbestritten, wenngleich sie das Angerichtete stets weglachte oder schlicht ignorierte.

    Lepidus mochte sie trotzdem, sie war ein Ebenbild ihrer Großmutter, seiner verstorbenen Frau. Deshalb sah ihr Lepidus manche zerbrochene Vase, Skulptur und selbstgemalte Wandgemälde nach.

    Was er nicht akzeptierte war eine Störung seiner wenigen sozialen Kontakte.

    Er hoffte Faustina würde den Satansbraten irgendwie sedieren oder anbinden. Vielleicht hatte sie sie auch irgendwo beschäftigt zum Leidwesen des oder der Sklaven die sie bändigen mussten.

    Lepidus schüttelte den Kopf, lächelte und trat auf die Besucher zu und legte seinem alten Freund die rechte Hand auf den Unterarm. Claudius Menecrates, welch Glanz in meiner Hütte und wäre das nicht genug hast du noch einen Sonnenstrahl mitgebracht,...nun, wer ist denn die reizende junge Frau an deiner Seite? Sie kam ihm persönlich nicht bekommt vor aber irgendetwas an ihrem Habitus, ihrer Haltung,...irgendetwas kam ihm bekannt vor.

  • Zu Faustinas Freude kam der Claudier in Begleitung der jungen Tiberia zu Besuch und sie erhob sich um die Besucher zu begrüßen. Mittlerweile war auch die Kinderfrau Irene im Atrium eingetroffen um die kleine Iulia ein wenig in Bahnen zu lenken, damit zumindest nichts zu Bruch ging. Irene sah fast aus wie eine Gänsemagd mit ausgestreckten Armen, die versuchte Iulia in den hinteren Teil des Raumes zu scheuchen, der näher am Hortus lag.


    Faustina trug heute einfach hochgesteckte Haare und ein fast bodenlanges, lavendelfarbenes Leinengewand. Sie trat an die Seite ihres Vaters auf Menecrates und Stella zu und sprach sie an. "Salve, Claudius und Tiberia. Es freut mich, dass ihr unser Haus mit Besuch beehrt." Sobald die Vorstellung beendet war, konnte sie mit Stella und Iulia in den Hortus gehen. Das würde bestimmt spannender werden, als das Gespräch der beiden Männer und Iulia musste dringend raus zum Toben.

  • Als Stella zustimmte, Schutzschild bei Kinderangriffen zu spielen und bereits dementsprechend handelte, atmete Menecrates erleichtert auf. Er freute sich außerdem, dass sein Mündel einen ersten Einstieg in ein Gespräch mit Faustina lieferte. Selbstverständlich fand er das nicht. Stella hätte zurückhaltend agieren können, denn sie suchte noch Ihren Platz und ebenso ein Wohlgefühl in Rom. Zwar holperte in der Villa Claudia die Konversation zwischen den beiden Frauen, aber beim ersten Aufeinandertreffen weilte Stellas kaum länger als einen Tag in Rom, während sie inzwischen ein wenig Fuß gefasst hatte. Zumindest hoffte das der Claudier.

    Er lächelte Faustina an, als sie seinen Gruß erwiderte.


    Das Kind lenkte Menecrates ab, daher hatte er Lepidus nicht eher bemerkt. Erst als der Freund neben ihm stand und ihn am Arm fasst, wandte er den Kopf. Die Freude über das Wiedersehen musste dem traurigen Anlass des Besuches weichen, dafür drückte Menecrates umso stärker Lepidus' Unterarm, nachdem seine Hand - geschwind im Gelenk gedreht und den Arm angewinkelt - seinerseits zufasste. Er hielt den Druck aufrecht und ebenso den Blick, als er sprach.

    "Lepidus, Freund, sei gegrüßt!" Worte des üblichen Beileides äußerte er nicht. Er wählte den Zuspruch, den er vermutlich in Situationen wie dieser selbst gebraucht hätte.

    "Die Götter legen jedem von uns diejenigen Lasten auf, bei denen sie sicher sind, dass wir sie schultern können. Starken Männern werden die schwersten Lasten zugewiesen." Er kannte solche Situationen und wusste daher, wovon er sprach. "Mit der Zeit wird es erträglicher", versprach er und löste den Griff um Lepidus' Arm.


    "Deine Hütte glänzt auch ohne mich", erwiderte er schmunzelnd. "Den Sonnstrahl stelle ich dir aber gerne vor. Es ist Tiberia Stella - Tochter eines meiner Klienten und gleichfalls Freundes aus der Zeit nach Germanien. Du siehst sie zwar an meiner Seite, aber sie ist mein Mündel. Nicht dass du denkst, ich hätte mir eine junge Frau zugelegt." Er schmunzelte. Eine Frau an seiner Seite fand Menecrates zwar schön, aber derart jung sollte sie nicht sein. Wenn sie nicht so anstrengend wäre, würde er sich auch über die Rückkehr seine Gattin freuen, von der er nicht einmal wusste, wo sie lebte und wie es ihr ging.


    "Wir haben viel Zeit miteinander verpasst, weil sich unsere Bahnen über Jahre nicht kreuzten. Ich hätte dir gern Stellas Vater vorgestellt, leider ist er seit längerem verschollen. Ich lasse nach ihm suchen." Gegen den Gedanken, Verus könnte ebenfalls verstorben sein, wehrte sich Menecartes nach Kräften.

  • Lepidus löste den Druck auf den Unterarm und wies Menecrates einen der bequemen Sessel zu.

    Nun mein Freund, von Verlusten in unserem Leben können wir beide wahrlich tagelang erzählen...so ist das nun einmal, wenn man alt wird und die Zeit uns unsere Liebsten entreisst. Doch bleibt uns der Trost unserer Vorstellung. Ich glaube, dass wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Lichte stehen, von welchem unser Sonnenlicht nur ein Schatten ist!

    Er lächelte, ein wenig gequält, aber ehrlich.

    Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.

    Ein Sklave huschte herbei und klopfte noch kurz die Kissen aus. Lepidus schüttelte leicht den Kopf. Die Kissen waren perfekt, sicherlich sogar gelüftet und geglättet. Er ließ sich langsam in den Sessel sinken und vernichtete die Absicht des Sklaven ihm dabei zu helfen mit einem kurzen Blick. Die Kunde, daß Lepidus wieder unter starken Schmerzen litt war allen Sklaven bekannt. Sie taten wirklich alles um ihm das Leben zu erleichtern, ob er nun wollte oder nicht.

    Kurz darauf betrachtete er die junge Frau an Menecrates Seite. Eine Tiberia, sieh an. Er nickte ihr freundlich zu und meinte, Willkommen in der Villa Aemilia, Tiberia Stella.

    Dann wandte er sich wieder Menecrates zu, die Bemerkung sie eventuell für eine Mätresse zu halten überging er. Menecrates war alles aber kein Schwerenöter. Er stand zu sehr in der Öffentlichkeit um sich dem Gespött des Pöbels auszusetzen. Ausserdem war sie wirklich zu jung.

    Verschollen sagst du, ...in Germania?...nun ein vortrefflicher Ort um uns unsere Besten zu entreissen.

    Ein Sklave reichte Vinum oder frisch gepresste Säfte. Lepidus nahm einen der Säfte, ein wahrer Jungbrunnen für ihn. Sehr belebend.

    Zeit lieber Menecrates,...Zeit ist relativ. Ich hoffe nur ich habe ein Lücke hinterlassen die sich für dich nicht unvorteilhaft erwiesen hat, doch wie ich sehe und höre ist der Menecrates meiner Vergangenheit auch ohne mich zu einem der Standpfeiler der Urbs aeterna gereift,...und das im wahrsten Wortsinn.

    Lächelnd hob er den Pokal und nahm einen Schluck.

  • Sein Blick folgte Lepidus' Handbewegung und erfasste einen der Sessel. Bevor er darauf zuging, vergewisserte er sich, dass sich Stella wohlfühlte. Nichts wäre unhöflicher, als sie wie auf verlorenem Posten stehenzulassen. Erst wenn zwischen ihr und Faustina Einvernehmen darüber herrschte, ob und wie man gemeinsam Zeit verbringen wollte, würde sich Menecrates beruhigt setzen können. Bis dahin lag ein Teil seiner Aufmerksamkeit bei seinem Mündel, obwohl er bekanntermaßen schlecht zwei Dinge auf einmal leisten konnte und immer hin und herwechseln müsste. Er bemühte sich, Lepidus' Schilderung zu folgen und vernachlässigte dabei Stella.

    "Licht", wiederholte er nachdenklich und stimmte das Bild mit der eigenen Vorstellung ab. "Licht herrscht in meiner Vorstellung ebenfalls, aber es ähnelt dem der Sonne. Ich stelle mir vor, ich fühle mich dann aller Lasten und Sorgen enthoben. Das spätere Dasein ist leicht und einzig von Freude erfüllt. Wir sind uneingeschränkt zufrieden. Allerdings sehe ich mich dabei nicht in Rom, sondern in einer Landschaft, so weit das Auge reicht." Er nickte. Andere Menschen, Verwandte, Freunde sah er dort nicht, aber das verschwieg er. Warum er sich in seiner Vorstellung einsam sah, konnte er nicht erklären. Es fühlte sich aber richtig an.

    Lepidus hatte Menecrates etwas voraus: Er konnte über die Dankbarkeit eine stille Freude empfinden. Verluste blieben für Menecrates Verluste, das konnte er drehen, wie er wollte.


    Die Weise, mit der sich Lepidus hinsetzte, ließ Menecrates stutzen. "Dich plagt mehr als einzig der Schmerz des Verlustes." Spekulation zwar, aber sehr naheliegend, zumal er von alten Verletzungen wusste. Vor Wochen sah der Zustand weniger dramatisch aus. Menecrates konnte nicht umhin und verzog das Gesicht, als handelte es sich um eigene Schmerzen.

    Lepidus jedoch eilte zum nächsten Thema.

    "Germanien? Nein, eher nicht", antwortete er. "Aber du hast Recht! Als Ort, uns unsere Besten zu entreißen, eignet sich der Norden. Vielleicht ist der Osten gnädiger mit uns. Dort lasse ich aktuell suchen." Er ließ sich ebenfalls vom Sklaven ablenken, betrachtete das Säfteangebot und sah zu Lepidus. "Welcher wäre am wenigsten süß?" Er blickte zunächst ernst, dann musste er grinsen. Er ahnte, er wurde langsam schrullig, glaubte aber, dass er sich das bei Lepidus leisten durfte.


    "Ach, Vorteile", erwiderte er in Bezug auf die angesprochene Lücke. Seine Stimme klang abwertend. "Gibt es überhaupt vorteilhafte Lücken?" Er überlegte, ihm fiel aber keine ein. "Wir haben lange gelebt ohne nennenswerte Vorteile und vermisst habe ich sie nur ab und an. Wirklich vermisst habe ich aber Freunde, sie fehlen an jeder Ecke. Ich bin froh, dass sich unsere Wege wieder gekreuzt haben!" Ein perfekter Satz, um ebenfalls den Becher zu heben, aber er wusste nicht, für welchen Inhalt er sich entscheiden sollte. Um die Zeit zu überbrücken, sann er über Lepidus' letzten Satz nach. Ein Praefectus Urbi ist ohne Zweifel ein Pfeiler in Rom, aber das zu hören, erzeugte ein wenig Unbehagen. Menecrates nahm sich selbst nie sonderlich wichtig. Er hielt sich für bescheiden, wusste aber nicht, ob andere das auch so sahen.


    Ihm lag daran, die Aufmerksamkeit auf anderes zu lenken, ohne grundsätzlich das Thema zu wechseln. Außerdem hoffte Menecrates, Lepidus abzulenken, indem er ihn beschäftigte. "Ich möchte allzu gern Rom verbessern. Auch wenn es absurd klingt, aber ich möchte dafür ein Stück in der Entwicklung zurück. Welches Bild hast du von Roms Frauen? Wie sähe deine perfekte Römerin aus?" Er bemerkte die Missverständlichkeit in seinen Worten und fügte an: "Also, die Haarfarbe interessiert mich nicht und auch nicht die Form ihrer Nase."

  • Nachdem Menecrates, wie es seine Art war, zunächst um das Wohlergehen seines Mündels besorgt war setzte er sich, zu Lepidus´ Erleichterung endlich hin.

    Dessen Kommentar über seinen Habitus nahm er hin und winkte ab.

    Ach weißt du, es ist im Grunde wieder an der Zeit gen Süden zu ziehen und meinem Zustand seinen Tribut zu zollen.

    Mit tiefen Rändern und schmerzgeröteten Augen sah er seinen Freund schief lächelnd an.

    Ich zahle nun den Preis für ein Leben, welches in jungen Jahren,…nunja,…weniger langweilig als das jetzige war.

    Er winkte ab. Es brachte nichts sich darüber zu mokieren. Es wurde getan was getan werden konnte, mehr ging nicht und Lepidus war dankbar für jeden halbwegs schmerzfreien Moment…und für Zeiten wie diese, in denen er die noch wenigen lebenden Freunde traf.

    Menecrates´ Interpretation vom Agregatzustand nach dem Ableben fand er einleuchtend und seine Vorstellung von den Örtlichkeiten interessant. Doch wo waren die Ahnen? Hatte jeder seine eigene Sphäre? Oder hatte er schlicht vergessen sie zu erwähnen?

    Lepidus, nachsichtig lächelnd, empfahl eine Mischung aus Lemone und Granatapfel mit einem Spritzer Wasser. Seine Mischung, nicht zu süß und mit feiner Säure. Die würde weder Menecrates´ Zähne, noch seiner Figur für die Dauer des Genusses ruinieren. Ihm war aufgefallen, daß der Claudier seit ihrem letzten Treffen ein wenig straffer geworden war. Sollte seine Ernährung daraus resultieren oder war es der Posten und die Ämter die ihn langsam aufzehrten?

    Er ließ den Tiberier im Osten suchen? Lepidus nickte nur und nahm geflissentlich einen Schluck aus dem Pokal. Die Frage die sich aufdrängte war ob der Tiberier im Dienst oder in Zivil verschollen war…und wo er zuletzt gedient hatte…Lepidus verwarf den Gedanken an eine Desertation rasch wieder. Warum sollte ein Tiberier das tun?


    Menecrates riss ihn aus seinen Gedanken als er über ihre lange Freunschaft sinnierte. Es war leicht diesen Standpunkt zu vertreten , wenn man ein Leben wie das ihre führte in Samt und Seide, ohne einen wirklichen Mangel. Lepidus wußte wie es war auf sich gestellt zu sein, abhängig vom guten Willen anderer. Er wußte was es hieß zu frieren, bis auf die Knochen nass oder nahezu tödlich verletzt zu sein. Seine Reisen und seine Kämpfe hatten ihn Demut gelehrt. Vielleicht war es auch gerade diese Demut die ihn kritischer machte, Das Selbstverständnis des Adels, die Ansichten der Reichen. Ihnen hatte sich alles unterzuordnen. Lepidus betrachtete seinen alten Freund.


    Der Sklave hatte inzwischen die Saftmischung erstellt und reichte sie dem Claudier. Lepidus nickte lächelnd.

    Nicht zu süß und doch erfrischend und belebend,…versuch´es alter Freund!

    Er hielt ihm den Pokal entgegen, auf daß sie anstießen.

    Mögen unsere Tage uns nicht nur weiß sondern auch weise machen, Mögest du immer einen Freund an deiner Seite haben, der dir Vertrauen gibt, wenn es dir an Licht und Kraft gebricht.

    Lepidus nippte gerade an seinem Saft als er von Menecrates ´Plänen hörte. Nun es war sicherlich ein nobles Ansinnen Rom lebenswerter zu machen. Es gab in der Tat ein paar wahre Schandflecken. Was dafür zu tun war?

    Lepidus hörte interessiert zu. Das Bild der Frau? Sollte sie Rom zu neuem Glanz verhelfen?

    Nun,…ich sehe die Frau als Gegenstück zum Manne. Sie entlastet ihn bei seinem Tageswerk, sie unterstützt ihn in seinem Ansinnen, welches wohlweislich nobler Gesinnung sein sollte. Die Frauen sind nicht allein der Garant für den Fortbestand der Gentes, sie sind…

    Er sah in die Luft, betrachtete dann Stella und Faustina, hörte Iulia kreischen und fragte sich ernsthaft ob der Niedergang nicht tatsächlich schon in Fahrt gekommen war.

    An seinem Saft nippend sah er Menecrates schelmisch an.

    Heilige, Zierde ihres Geschlechts, Mutter, Partnerin, Komplizin und natürlich eine Lupina exclusiv.

    Ganz schön viel nicht wahr?

    Er ließ sich nachschenken und meinte dann,…das Thema interessierte ihn.

    Wie willst du all die Wunschvorstellungen einfordern,…mit einem Gesetz? Wir gängeln doch die Frauen schon wo es nur geht…Zwangsehe, Vormundschaft,…Wiederverheiratung nach dem Tode des Mannes…sag´Menec,…wie steht es um deine Frau,…mal abgesehen von der Form ihrer Nase?

    Natürlich war es einfach in der Hypothese zu agieren, doch was wenn man selber in der Misere steckte? Nicht jeder hatte so ein Glück wie Lepidus seinerzeit. Es war zwar eine Zwangsheirat, aber sie schafften es trotzdem sich zu verlieben und eine vertrauensvolle Partnerschaft auf Augenhöhe zu leben,…bis zu Iulias Tod. Seither interessierte sich Lepidus nicht weiter für Frauen im allgemeinen. Er war sich selbst genug und der Fortbestand seiner Gens gesichert.

  • Menecrates nickte, obwohl er es sehr viel lieber gesehen hätte, wenn Lepidus keine Reise gen Süden plante. Er sah angesichts des auffallend schlechten Gesundheitszustandes die Notwendigkeit ein. Alles andere wäre egoistisch gewesen. "Den Norden hätte ich versucht, dir auszureden." Angesichts des scheußlichen Wetters dort, zog man sich eher Knochenschmerzen zu, als dass man sie losbekam. Er schüttelte sich, als er an den germanischen Winter zurückdachte. Nicht einmal Frühjahr und Herbst begeisterten ihn.

    Den Folgesatz verstand Menecrates nicht und entsprechend fragend blickte er Lepidus an. "Wie meinst du das? Gibt es Krankheiten, die Frauen übertragen?" Das Leben in jungen Jahren war bei seinem Freund von Frauen geprägt gewesen, dessen war sich Menecrates sicher. Da er selbst den Focus auf Karriere und weniger auf Vergnügen legte, gab es in seinem Leben nur eine begrenzte Anzahl von Frauen, die ihm - mit Ausnahme der beiden Ehefrauen - allesamt nicht einmal Kinder anhingen. Eine weitere Erklärung für eine marode Gesundheit böte ein übermäßiger Weingenuss und wenig Schlaf, allerdings gab es davon keine Gliederschmerzen, glaubte der Claudier.

    Während er dem Rat folgte und sich für die Mischung aus Lemone und Granatapfel entschied, dachte Menecrates noch einmal über das Jenseits nach. Er fand es komisch, dass er sich gänzlich einsam sah. Versunken nahm er das Getränk entgegen, kehrte mit seiner Aufmerksamkeit zurück in das Atrium und stellte sich wegen der Worte, mit denen Lepidus den Saft beschrieb, auf eine neue Erfahrung ein.


    Der Toast traf seine Zustimmung. "Ein guter Spruch! Weise bist du bereits geworden, ob auch ich, weiß ich nicht." Er hob den Becher und nippte vorsichtig. Durch die ungewohnte Säure stellten sich die kleinsten aller Härchen auf. Seine Stimme klang daher belegt, als er fortfuhr. "Mögest auch du stets einen Freund an deiner Seite haben!" Er äußerte nicht deswegen selbiges, weil es nach Lepidus' Trinkspruch nahelag, sondern wünschte es von Herzen. Nicht jeder, der auszog, fand einen Freund. Außerdem musste Freundschaft wachsen.

    Er probierter erneut den Saft und nach dem dritten Schluck legten sich seine Härchen wieder hin. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.

    "Die ganze Zeit grübele ich, warum ich mich auf der anderen Seite des Flusses alleine sehe, jetzt weiß ich, warum!" Seine Augen leuchteten und er lächelte. "Wir sind dann nicht mehr stofflich und deswegen kann ich die Geister der anderen nicht sehen, aber wir spüren uns. Wir sind zu dieser Zeit Kraftquellen ohne Substanz." Erleichtert und beglückt über diese plausible Erklärung nahm er einen großen Schluck, schüttelte sich anschließend und stellte den Becher lachend ab.

    "Nicht schlecht!" Er spielte auf die Geschmackserfahrung an, wollte sich aber von nichts ablenken lassen, wenn Lepidus seine Frage nach dem Bild der Frau beantwortete.

    Nichts von dem, was er hörte, missfiel ihm. Im Gegenteil: Sie teilten die gleichen Ansichten, was heutzutage keineswegs selbstverständlich war, nicht einmal in ihren Kreisen. Die Selbstverwirklichung einer Frau lag in der Familie und nicht in fragwürdigen Ämtern oder Positionen. In all den Rollen, die Lepidus aufführte und den Frauen zudachte, lag Wertschätzung - trotz dem Schelm in seinem Blick.

    "Das wäre auch mein Idealbild und ja, es ist viel." Menecrates blieb ernst, obwohl er auch gerne schöne Körper betrachtete und den Blick auf eine weibliche Zierde nicht verschmähte. Eine Heilige müsste seine Gefährtin auf alle Fälle sein, vielleicht heutzutage keine Lupina mehr.

    "Eine aufgeschlossene Bettgefährtin lässt sich zugegeben nicht einfordern", erwiderte er und jetzt musste er schmunzeln. "Leider auch nicht die Komplizin, aber bei allem anderen sehe ich Chancen. Was ich aber vor allem festschreiben möchte, wären ein Verbot zur Aufnahme von Klienten, von diversen unpassenden Tätigkeiten, sowie den Ausschluss bei bestimmten Titeln, wie dem des Ritters beispielsweise. Ich begreife nicht, warum das Absurde solcher Erhebungen bisher niemand aufgefallen ist." Er hob hilflos die Hände, ließ sie aber schnell wieder sinken, nachdem Lepidus eine Frage zu Menecrates' eigener Frau gestellt hatte.

    "Meine Frau? Ich weiß noch ungefähr, wie sie aussah." Er lachte auf und verzog den Mund. "Kein Gesetz kann eine Frau an den Haushalt ihres Mannes binden, aber der Mann sollte sich ihrer nicht schämen müssen, ganz gleich, wo sie lebt und was sie tut." Vielleicht wäre es schlau gewesen, nicht an dieser Ehe festzuhalten, aber sich das heute zu fragen, brachte nichts. Er galt als verheiratet, wie es die Tradition forderte, es ergab sich nie anderes und irgendwann hatte er aufgegeben, auf ein persönliches Glück zu hoffen.

  • Zu Faustinas Freude kam der Claudier in Begleitung der jungen Tiberia zu Besuch und sie erhob sich um die Besucher zu begrüßen. Mittlerweile war auch die Kinderfrau Irene im Atrium eingetroffen um die kleine Iulia ein wenig in Bahnen zu lenken, damit zumindest nichts zu Bruch ging. Irene sah fast aus wie eine Gänsemagd mit ausgestreckten Armen, die versuchte Iulia in den hinteren Teil des Raumes zu scheuchen, der näher am Hortus lag.


    Faustina trug heute einfach hochgesteckte Haare und ein fast bodenlanges, lavendelfarbenes Leinengewand. Sie trat an die Seite ihres Vaters auf Menecrates und Stella zu und sprach sie an. "Salve, Claudius und Tiberia. Es freut mich, dass ihr unser Haus mit Besuch beehrt." Sobald die Vorstellung beendet war, konnte sie mit Stella und Iulia in den Hortus gehen. Das würde bestimmt spannender werden, als das Gespräch der beiden Männer und Iulia musste dringend raus zum Toben.

    Zwar interessierte sich Stella für die Gespräche der Männer und war auch allzu neugierig, was diese besprachen aber sie musste auch in ihre Rolle als römische Frau finden. Stella dürfte nicht allzu deutlich, Politik machen und diese beiden Herren beeinflussen und zudem waren diese Männergespräche oft langweilig in die Länge gezogen. Es fehlte ihnen oft an sprechender Emotion und Darstellung. Stella mochte das Theater und die wenigsten Gespräche hatten diese Spannungsbögen. Also war es vorerst besser, sich Aemilia Faustina anzuschließen.



    [...]

    Lepidus schüttelte den Kopf, lächelte und trat auf die Besucher zu und legte seinem alten Freund die rechte Hand auf den Unterarm. Claudius Menecrates, welch Glanz in meiner Hütte und wäre das nicht genug hast du noch einen Sonnenstrahl mitgebracht,...nun, wer ist denn die reizende junge Frau an deiner Seite? Sie kam ihm persönlich nicht bekommt vor aber irgendetwas an ihrem Habitus, ihrer Haltung,...irgendetwas kam ihm bekannt vor.

    Irgendwie hatte dieser ältere Römer, den ihr Ziehpapa scheinbar gut kannte, etwas Schmieriges an sich. Sie legte ihren Kopf schief. Aha! Ein mieses Kompliment. Ein wirklich mieses Kompliment. Stella schmunzelte salzig und bitter. Mühsam rang sie sich ein Höflichkeitslächeln ab, bevor sie ihre Palla sanft nach Hinten legte. Die durchsichtige Seide hatte ihr Haupt nur dezent bedeckt aber nun waren ihre Haare ohne den Schleier sichtbar. Es war immer so einfach, eine Frau auf ihr Aussehen zu reduzieren und in Wahrheit schien dies auch das Hauptaugenmerk dieses Mannes zu sein. Die meisten, nicht alle, aber die meisten Männer waren berechenbar aus ihrer Sicht. Stella unterband ein Augenrollen, nickte Faustina wissend zu und räusperte sich dann, die Gegenreaktion herunterschluckend. Auf der Straße hätte sie diesem Mann nun ihre Meinung gesagt, doch sie war kein Straßenkind mehr. Jetzt galt die römische Höflichkeit und diese war wirklich eine bittere Pille. Doch Stella konnte sich fügen und in gewisser weise spielte sie jetzt Theater. Mit einem Augenzucken verwandelte sie ihr Gesicht in das hübsche Gesicht einer Aristokratin, welches gleichgültig schön war und keine Emotion mehr zeigte. Wenigstens übernahm Ziehpapa Claudius ihre Vorstellung, so dass sie nicht viel sagen musste.


    Die aristokratische Figur durchdrang ihren Habitus, so dass sich sogar ihr Augenaufschlag anpasste. "Vielen Dank," sagte sie in einem melodischen Gleichklang, fast so, als ob sie keinen echten Dank kannte und diesen Satz nur sagte, um ihn zu sagen. In Wahrheit sagte ihn auch einfach nur auf aber sehr wohl kannte sie Dankbarkeit. Doch das Thema des angedeuteten Gespräches wirkte spannend und schließlich traf das Thema einen wunden Punkt. Verlust. Stella kannte diese Emotion nur zu gut und doch hielt die Maske. Sie war hier nicht als Stella, sondern als eine Vertreterin der Oberschicht und ihres einstig großen Hauses. Doch bevor sie die Kontrolle über ihre Trauer verlor, entschied sich Stella, aktiv mit Faustina zu flüchten. "Ich werde mit der werten Aemilia ein paar Schritte gehen und mir den Garten zeigen lassen," entschied sie und deutete auf Faustina. "Ich denke, dass wir die Männer mit ihren.... wichtigen Themen... nicht stören sollten," sagte sie. Sie wollte sich jetzt nicht einmischen und es war auch besser, sich nicht allzu offen zu zeigen. Sie kannte diesen Aemilius nicht und es bestand immer die Gefahr, dass sich erneut eine Intrige gegen sie richtete. Die römische Oberschicht war gefährlich heimtückisch. So sehr auch Claudius diesem Mann zu vertrauen schien, Stella tat es Erfahrungen nicht und hielt sich lieber an Faustina, die ihr ersten Anschein sympathischer erschien. Doch auch dies konnte Täuschung sein. Mit einer eleganten Bewegung trat Stella neben Faustina. "Wollen wir?" Sofern Faustina zustimmen würde, würde Stella den Rest des Gespräches nicht mehr verfolgen können. Wenn sie es nicht tat, würde Stella gezwungen sein, einen Kommentar den Männern gegenüber abzulassen, die sich so unterhielten, als ob die Frauen garnicht anwesend waren. Doch das Gespräch nahm seine Bahnen und Stella musste antworten. "Ich denke, dass wir Frauen mehr sein können als eine bloße Ausstattung. Und ich denke, dass deine Ehefrau nicht als Lupa bezeichnet werden möchte. Wir sind diejenigen, die eure Wunden nach der Schlacht pflegen und wir sind diejenigen die euch eure blöden Ideen ausreden. Wir Frauen unterhalten euren Haushalt und wir Frauen ziehen eure Kinder groß, wenn ihr mal wieder in einem Krieg kämpft oder auf der Rostra politische Kämpfe austragt," erhob sie ihre Stimme und durchbrach ihr Schweigen gegenüber diesem Gespräch. Zwar wollte sie eine römische Frau sein aber sie hatte auch zu lange auf der Straße gelebt, hatte sich durchschlagen müssen, so dass sie auch sagte, was sie dachte, wenn ihr eigenes Schweigen unerträglich wurde. "Zwar sind wir Frauen nicht mit euch gleich...," erklärte sie und dachte bei sich, dass es zum Glück so war, denn wenn sie ähnlich verbohrt, wie dieser Mann denken würde, würde ihre Welt seltsam leer sein. "... aber auch wir haben unseren Anteil an Rom und dieses Gesetz, welches Claudius anstrebt ...," überlegte sie laut und wollte noch die Kurve finden, um ihrem Ziehpapa nicht die politische Arbeit vollens zu verhageln. "... es soll uns Frauen schützen und auch eben vor Zuweisungen und der Notwendigkeit der schmutzigen Arbeit," meinte sie und schüttelte sich innerlich dafür. Sie machte gerade doch Politik und half ihrem Ziehpapa aus aber teilte auch gegen eine Bevormundung durch einen anderen Mann aus, der Frauen schlicht mit persönlichen Interessen gleich setzte. Sie wollte kein persönliches Interesse sein, sondern bestensfalls eine Partnerin und Freundin. Auch wenn ihr sehr wohl bewusst war, dass man in ihrem Stand rein aus politischen Interessen heiratete. Nun schwieg sie besser und hoffte, dass Faustina sie aus diesem politischen Abgrund erretten würde. Politik lag ihr einfach nicht und sie wollte sie nicht vollständig den Mund verbrennen.

  • Faustina hatte mit einem Auge das tobende Kleinkind, das wie eine aggressive Gans von der Kinderfrau durch die Gegend gescheucht wurde, beobachtet und mit dem anderen Auge versuchte sie das Gespräch und die Personen nicht aus den Augen zu lassen um eine gute Gelegenheit abzuwarten um Stella mit ihr zu nehmen. Doch die Männer taten das, was Männer eben so tun und begannen über dieses und jenes zu schwafeln, woran Faustina nur recht wenig Interesse hatte. Als sie sich Stella näherte und diese gerade anmerkte, dass sie doch in den Garten gehen sollten, lächelte Faustina freudig und nahm bereits Haltung an. Doch dann ergoss sich plötzlich ein Redeschwall aus dem kleinen Persönchen neben ihr, der Faustina erstarren ließ.


    Einen Moment lang herrschte Stille nach der Kampfrede der Tiberia, in denen Faustina einfach nur verunsichert dastand. Die junge Frau hatte ja gute Punkte, aber das hätte man wirklich diplomatischer ausdrücken können - vor allem in Anwesenheit von alten Männern. Bevor Faustina aber noch etwas dazu sagen konnte, klirrte es laut im hinteren Teil des Atriums gefolgt von Schimpfen und Geheule. Faustina seufzte laut und konnte sehen, dass eine wunderschöne griechische Vase, die ihrer Großmutter gehört hatte, zerbrochen war. Ein Jammer...sie hatte das gute Stück gemocht.


    "Wenn die Herren der Schöpfung uns nun bitte entschuldigen möchten. Iulia, Tiberia und ich müssen dringend an die frische Luft." Faustina signalisierte Stella mit eindeutigen Blicken, dass sie mitkommen sollte und wandte sich um, um das widerspenstige Kind einzusammeln, das nun wie am Spieß heulte. Als sie im hinteren Teil des Atriums angekommen war, nahm sie die kleine Iulia in ihre Hände und herrschte die Kinderfrau wirsch an: "Mach das hier wieder sauber, Irene. Und dann kannst du dich bei Antigonos melden. Ich habe keine weitere Verwendung für dich. So schwer ist es nicht, einige Minuten auf ein kleines Kind aufzupassen, aber das scheint wohl zu viel verlangt zu sein." Die Griechin war nicht das erste Mal so inkompetent gewesen...sie würde sich eine neue Kinderfrau suchen müssen.

  • Lepidus nahm gerade einen Schluck als sie die Tiberia echauffierte. Er sah sie über den Pokalrand an und fragte sich gerade was die junge Frau dazu brachte sich ungefragt in ein Gespräch einzumischen. Es war nicht nur anmaßend und arrogant sondern auch noch unhöflich. Sie trat ihr Gastrecht mit Füßen.

    Lepidus stellte gerade seinen Pokal ab, als ein Scheppern die aufgekommene Stille durchbrach.

    Lepidus schloß die Augen und massierte seine Nasenwurzel. Irgendein Familienschatz war nicht mehr.

    Faustinas Vorschlag kam ihm gerade recht und er nickte ihr, ein wenig gequält lächelnd zu. Zu seiner Enkelin, die einigermaßen betroffen in seine Richtung blickte, ihr war schon bewußt, was sie wieder einmal angerichtet hatte, sagte Lepidus nur ...Quid quo pro, junge Dame... Lepidus stellte fest, daß Iulia sich zumindest mit dem Gedanken befasste, wie sie den Schaden wieder gut machen konnte. Hoffentlich nicht wieder ein Bild. Lepidus verfügte inzwischen über eine stattliche Sammlung Iulischer Kunst.

    Kunst welche die Kunst vergangener Epochen nicht annähernd ersetzte.

    Lepidus nickte seiner Tochter zu und wandte den Blick von der beiden Frauen ab.

    Das tat er nur zu gerne, denn wenngleich er ein offener und ausgeglichener Mensch war, so schwer fiel es ihm mit einem offenem Affront von einer ihm Fremden, die ihn mit unverhohlener Abneigung ansah, umzugehen...alleine weil sie ein Mündel seines alten Freundes war.

    Als sie wieder alleine waren lehnte er sich ein wenig nach vorne und meinte,

    Das,..ähem,...war interessant, wenngleich sie einige Dinge aus dem Kontext gerissen hat. Nun ich kann jetzt zumindest verstehen was dich bei deiner Novelle antreibt.

    Sein Blick fiel in die Richtung in welcher die beiden Frauen mit dem Kind verschwunden waren.

    Die Jugend, nie war sie so unstet wie heute. Lehnte sich auf, brach aus den Konventionen aus. Nun nichts was sein Vater ihm nicht schon vorgeworfen hatte, aber er vermisste bei der offensichtlichen Intelligenz der jungen Tiberia, Taktgefühl und Anstand. Lepidus war sicher, daß sowohl sein als auch Menecs Vater diesen Auftritt stante pede geahndet hätten.

    Etwas an dieser Stella störte ihn, sie wirkte wie eine verkleidete Unperson, gerade so als würde sie ihr wahres Wesen unterdrücken.

    Nun sie hatten alle ihre Geschichte, aber die Tiberia schien an ihrer noch zu verzweifeln.

    Lepidus bemerkte Zorn in sich aufsteigen je mehr er darüber nachdachte. Zorn der in seinem Inneren brodelte, unsichtbar für die Aussenwelt, höchstens erkennbar durch durch einen tiefen Blick in seine Augen. Nun Menec, wir sind einfach zu liberal...resümierte er auf dessen letzte Frage ...manche Dinge gären im Verborgenen und fallen erst auf wenn die Situation eskaliert. Dann war Schadensbegrenzung angebracht und wie von selbst wandte sich sein Blick wieder in die Richtung, in welche die beiden Frauen verschwunden waren.

  • Pius, der gehört hatte, daß Menecrates in Begleitung der jungen Frau aus dem Brunnenvorfall in die Villa gekommen war machte sich zum Atrium auf. Er kam gerade dort an als er die junge Frau mit den beiden alten Männern reden hörte. Er bekam einen schalen Geschmack im Mund, etwa so als freue man sich auf einen ausgelobten Wein und der erste Geschmack ist irritierend anders als gedacht. Sein vater hatte die Situation im Griff, doch bemerkte Pius an dessen Körperhaltung eine gewisse Anspannung.

    Er war bestimmt kein Kind von Traurigkeit, die Frauen mit denen er verkehrte auch nicht. Egal aus welcher Schicht sie kamen.

    Faustina passierte mit der jungen Tiberia die Säule an der er lehnte und Pius nickte ihr zu. Die Tiberia würdigte er keines Blickes, nachdem sie sich gegenüber seinem Vater so aufgeführt hatte war sie für ihn zur Unperson geworden...Gastrecht hin oder her.

  • Bevor sie die Herren verließ, warf sie Aemilius Lepidus ein süffisant gehässiges Lächeln zu. Sie glaubte zu wissen, was dieser Mann dachte und was sein eigentliches Motiv war. Und sie verachtete ihn seit dem ersten Augenblick seiner Reaktion. Ihr wurde schlagartig klar, dass dieser Mann ein Feind sein würde, wie viele der Oberschicht. Sie würde sich nicht bequem in ein gemachtes Nest setzen, das hübsche Singvögelchen sein, welches einen Mann schlicht begleitete, denn eines hatte sie wirklich auf der Straße gelernt: Sie war eine eigenständige Person. Das Lächeln brach ein und gab die frostigen Augen preis, die sie von ihrem Vater geerbt hatte und die Pluto selbst beschwören konnten. Stolz trat sie mit einer eleganten Bewegung vorbei, um Faustina zu folgen. Denn sie hatte den eindeutigen Blick der Aemilia verstanden. Als Faustina die Kinderfrau verbal mit einem herrschaftlichen Gebaren angriff, weitete Stella ihre Augen. Wie sehr sie diese Form der Herrschaft doch ablehnte, denn sie hatte unter den Armen und Ausgestoßenen gelebt und kannte auch ihre Geschichten. Leider hatte sie den Namen eines großen Hauses geerbt und war damit wohl verflucht, denn sie musste sich jetzt unter diesen Menschen bewegen, die sie eigentlich im tiefsten Herzen nicht verstehen wollte. Ihr Vater hatte sie stets davor gewarnt, offen vor anderen großen Häusern zu sprechen. Seine Warnung war ihr nun klar und bewusst. Ihr Machtanspruch durchdrang diese Gesellschaften und vergiftete sie. Durch dieses Gift verloren sie den Bezug zu ihrer Umwelt. "Ich brauche noch eine Haussklavin. Wenn du magst, kann ich dir Irene abkaufen," begann sie und versuchte die Sklavin damit zu retten. Sie hatte genug Geld, auch wenn in Wahrheit ihr Tutor darüber verfügte, denn er musste jede Zahlung aus dem Schatz der Tiberii freigeben. "Wenn mein Tutor Claudius zustimmt," schränkte sie dann doch ein. Auch war dies ein guter Gesprächseinstieg, um nicht auf den Fehltritt aufmerksam zu machen. Nervös atmete sie ein und aus.

  • Während Menecrates seit langem wieder einmal seiner ihm angetrauten und permanent abwesenden Gattin gedachte, überschlugen sich förmlich die Ereignisse in der Villa. Ursprünglich glaubte er, Stella bei Faustina aufgehoben, aber er unterlag offensichtlich einem Irrtum, weil sein Mündel überraschend seine Meinung zum Besten gab. Wieder einmal rächte es sich, dass Menecrates die Gabe fehlte, zwei Dinge gleichzeitig zu machen. 'Überzeugen' lautete daher die Devise der Zukunft, nicht darauf 'hoffen', dass etwas geschah, was sich andeutete.

    Die Verblüffung hinderte Menecrates daran einzuschreiten. Der Anstand verbot es auch, jemand anderem ins Wort zu fallen. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er zwischen Stella und Lepidus stand - der einen war er als Tutor verbunden, dem anderen als Freund. Das Schockierende der Situation schien seine Reaktionsfähigkeit eingefroren zu haben. Er schluckte mehrmals, als er Stella und Faustina hinterherblickte. Danach sah er mit geweiteten Augen Lepidus an.

    "Ich muss mich für mein Mündel entschuldigen!"

    Er würde Stella die Erniedrigung ersparen, sie vor versammelter Familie Aemilia zurechtzuweisen. Unkommentiert stehenlassen konnte er das Auftreten seines Mündels aber auch nicht, daher nahm er die Schuld auf sich. Für Stella würde es ein Nachspiel in der Villa Claudia geben. Sie würde sich erklären müssen.

    "Ich hatte gerade ein Dejavue. Dieses Auftreten einer Frau, damals war es Sergia Fausta, respektlos gegenüber Rang, Namen und Männern hatte mich bereits vor Jahren dazu gebracht, einen Gesetzentwurf in den Senat zu bringen. Bisher dachte ich, Frauen treten derart auf, wenn ihnen nicht zustehende Titel und Positionen zu Kopf gestiegen sind, aber nein: Es scheint angesichts der soeben erlebten Vorstellung weitere Gründe zu geben." Die Worte versiegten, Menecrates schämte sich. "So darf ein Kondolenzbesuch nicht ablaufen." Er atmete schwer aus. Da sein Kopf voll ungeklärter Fragen strotzte, blieb kaum Raum, um Inhalte für die Fortsetzung der unterbrochenen Unterhaltung zu finden. Er griff zum Lemonensaft und trank den Becher leer, ohne die Säure bewusst wahrzunehmen. Ein Schütteln unterblieb, stattdessen blickte er unentwegt in den leeren Becher.

  • Lepidus war eher verblüfft als schockiert, immerhin hatte er diese Mätze nicht an der Backe. Er winkte daher Menecrates ab und meinte, nachdem einer der Sklaven Menec nach seinen Wünschen für das Getränk bat, Achwas, mach dir doch bitte keine Sorgen um die Pietät, lieber Menec.

    Sein Blick wandrete in die Richtung in welche die Frauen verschwunden waren und erblickte seinen Sohn. Freudig bat er ihn näher zu kommen. Er erhob sich, ein wenig schwerfällig und stützte sich auf den herbeigeeilten Pius ab. Entschuldigend lächelnd sah er ihn voller Wärme an und stellte ihm Menec vor.

    Claudius Menecrates,...dies ist mein ältester Sohn, Pius... Stolz und Warmherzigkeit lagen auf seinen Gesichtszügen.

    Bald darauf saß er wieder in seinem Sessel und meinte, Pius verläßt uns gen Germania um die Urne mit Bassus´sterblichen Überresten heim zu holen.


  • Der Blick in den Becher versprach Halt, denn es lenkte ab, den Bodengrund zu betrachten. Gleichzeitig bot es Gelegenheit nachzudenken, was schwer genug war, weil ein Sklave den Blick fehlinterpretierte und Menecrates auf seine Wünsche hin ansprach. Er schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hand. Immerhin landete erst vor Augenblicken der Inhalt eines ganzen Bechers in seinem an Säure nicht gewohnten Magen. Er hob selbst dann nicht den Blick, als Lepidus ihn aufforderte, sich keine Gedanken um die Pietät zu machen. Stattdessen lachte er auf.

    "Das sagt sich so leicht." Er zuckte die Schultern und fügte an: "Das Unangenehme der Situation ist das eine, aber in unseren Kreisen wird generell auf das Auftreten geachtet. Jedes Benehmen daneben macht es mir schwerer, für mein Mündel eine standesgemäße Ehe arrangieren zu können."

    Menecrates wurde aus den Gedanken gerissen, als Lepidus sich mühte aufzustehen. Er blickte auf, um den Grund zu erfahren, da entdeckte er einen jungen Mann, der zu Hilfe eilte. Das Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung seines Freundes schmerzte den Claudier fast körperlich. Wie musste es sich erst als Betroffener anfühlen. Gleichzeitig fragte sich Menecrates, warum Lepidus aufstand. Nach seinem Dafürhalten besagten die Höflichkeitsregeln anderes. Ältere musste niemals aus Wertschätzung gegenüber Jüngeren aufstehen, es sei denn, die Jüngeren besaßen einen deutlich höheren Rang. Ältere durften sitzen bleiben. Selbiges tat Menecrates, als ihm Pius vorgestellt wurde.

    "Ich freue mich, dich kennenzulernen, Pius. Dein Vater hält große Stücke auf dich." Dass er regelrecht schwärmte, wollte Menecrates nicht erwähnen, damit keine seltsame Stimmung aufkam. Andererseits ließ Lepidus seine Freude über den gelungenen Sohn deutlich erkennen. "Germania ist um diese Jahreszeit nicht das Beste aller Reiseziele. Ich hoffe, du bleibst von stärkeren Wetterunbilden verschont."

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