"In Ordnung, überprüf die Buchführung morgen noch einmal und wenn die Rechnungen stimmen, werde ich mir überlegen, ob es sich eher lohnt, den Gewinn aus diesem Jahr in einen der bestehenden Betriebe als Investition zu stecken, oder ob wir uns nach einem neuen umsehen sollten, den zu kaufen sich lohnen könnte." Octavena seufzte und machte eine wegwerfende Handbewegung, um ihrem Sekretär zu signalisieren, dass er gehen konnte. Niemand hatte gesagt, dass es leicht sein würde, die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes zu übernehmen, aber obwohl Octavena langsam das Gefühl hatte, den Dreh raus zu haben, fragte sie sich doch regelmäßig, woher um alles in der Welt sie manchmal die Zeit nehmen sollte, sich um alles zu kümmern, das so in ihrem Leben anfiel.
Dazu kam, dass sie weiterhin im Haus unterbesetzt waren. Es hätte sich falsch angefühlt, Dagwin zu ersetzen, aber die Seuche, die ihn erwischt hatte, hielt ihn weiterhin fest in ihren Klauen. Inzwischen waren auch ein paar der Stallknechte krank geworden und wenn sie nicht bald der Lage Herr wurden, würden wohl spätestens im Winter die ersten dieses verdammte Fieber nicht überleben. Die Tür zum Arbeitszimmer war kaum ins Schloss gefallen, da öffnete sie sich auch schon wieder, als Ilda ihren Kopf in den Raum streckte, gerade so als ob sie Octavenas Gedanken an Dagwin und das Fieber erraten hätte. Die Wahrheit war vermutlich nur, dass sie die Hausherrin über Margas Pläne fürs Abendessen informieren wollte, aber Octavena kam die Anwesenheit der jungen Frau eigentlich ganz gelegen. "Ah, Ilda", begrüßte Octavena die Angestellte und lächelte leicht. "Du kommst wie gerufen. Ich wollte dich ohnehin etwas fragen."
Ildas Augen weiteten sich und sie runzelte leicht die Stirn. "Mich?", fragte sie überrascht zurück, ehe sie ihre Überraschung zur Seite schob. "Natürlich. Was kann ich für dich tun?"
"Du meintest vor einer Weile, du hättest eine Schwester in der Stadt, die sich mit Kräutern auskennt." Octavena löste ihre Aufmerksamkeit endgültig von den Unterlagen vor sich und sah Ilda direkt an. "Habe ich das richtig im Kopf?"
Ilda hob leicht die Schultern. "Meistens verdient sie ihr Geld als Hebamme, aber ja, sie kennt sich gut mit Kräutern aus."
Erneut runzelte die junge Frau ein wenig die Stirn, sprach aber den Gedanken, der ihr vermutlich durch den Kopf ging, nicht aus. Das musste sie auch nicht, damit Octavena erraten konnte, dass sie sich fragte, warum um alles in der Welt ihre verwitwete Arbeitgeberin eine Hebamme suchte. Octavena schmunzelte leicht, obwohl der eigentliche Grund für ihre Frage eigentlich alles anderes als unterhaltsam war. "Sehr gut", erwiderte sie. "Kannst du sie fragen, ob sie zu uns in die Villa kommen würde, um nach Dagwin zu sehen?" Langsam gingen ihnen ohnehin die Optionen aus und wenn es jemanden gab, der wusste, wie man Fieber senkte und Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um Leben zu retten, dann ja wohl eine Hebamme. "Sie wird natürlich für ihre Mühen entlohnt werden."
Ilda nickte. "Ich gehe gleich morgen bei ihr vorbei, wenn ich zum Einkaufen in die Stadt gehe."
"Wunderbar." Octavena nickte und bedeutete Ilda mit einer Hand, dass sie gehen konnte. "Sag Marga, dass ich wie immer mit all ihren Plänen einverstanden bin, und sieh bitte nach, was meine Kinder machen. Ich möchte Farold nicht wieder erst losschicken müssen, damit er sich wäscht, während wir anderen alle schon beim Essen sind." Dann würden sie ja wohl mal sehen, ob sie diesem Fieber in ihrem eigenen Haus noch wieder Herr werden konnten.